Das Hapag-Lloyd Containerschiff "Potomac Express" verlässt den Hamburger Hafen.
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Nationale Strategie Wie die deutschen Häfen gestärkt werden sollen

Stand: 20.03.2024 17:06 Uhr

Mehr als 60 Prozent des deutschen Außenhandels erfolgen auf dem Seeweg. Die Ampel-Regierung will die Häfen besser schützen. Was genau steckt in den 139 Maßnahmen der Nationalen Hafenstrategie? Und wer zahlt das?

Deutschlands Häfen sollen gestärkt werden. Sie sind eine wichtige Drehscheiben im globalen Handel und auch essentieller Baustein der Energiewende. Ein wichtiger Schritt dazu soll eine Nationale Hafenstrategie sein, die jetzt vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Die deutschen Häfen sollten dadurch "fit gemacht werden für die Zukunft", erklärte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Denn die Standorte haben in den vergangenen Jahren zum Beispiel beim Containerumschlag im internationalen Wettbewerb Marktanteile verloren, heißt es in dem Strategiepapier. Handlungsbedarf gibt es aber auch, um die Rolle der Häfen bei der Energiewende zu sichern. Dazu muss aber die Infrastruktur ausgebaut werden - und das kostet viel Geld. Darüber gibt es allerdings Streit zwischen dem Bund und den Küstenländern.

Warum sind die Häfen so wichtig?

Die deutschen See- und Binnenhäfen haben als "Knotenpunkte der maritimen und kontinentalen Lieferketten" eine sehr hohe wirtschaftliche und strategische Bedeutung, heißt es in der Strategie. Deutschland wickelt rund 60 Prozent seines Im- und Exports über den Seeweg ab. Im vergangenen Jahr waren dies nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 267,8 Millionen Tonnen Güter - darunter Energie, Lebensmittel, Kleidung, Technik und Medikamente.

Eine wichtige Rolle spielen Häfen aber nicht nur für den Warenumschlag, sondern auch als Knotenpunkte für die Energiewende - also dem allmählichen Abschied von fossilen Energieträgern wie Gas und Kohle. Ein besonderer Standort ist dabei Cuxhaven: Über den Hafen kommen laut Bundesverband Windenergie 80 Prozent der benötigten Rotorblätter für Windräder an. Die verfügbaren Hafenkapazitäten dort sind aber ausgelastet.

In der Strategie werden den Häfen zudem wichtige Zukunftsaufgaben zugewiesen: im Bereich der Transformation der Industrie, der Versorgungs- und Produktionssicherheit, der neuen Sicherheitsarchitektur im Rahmen der NATO und auch im Kampf gegen Drogen- und Waffenschmuggel. 

Kabinett bringt nationale Hafenstrategie auf den Weg

Ann-Brit Bakkenbüll/Karen Münster, NDR, tagesschau, 20.03.2024 17:00 Uhr

Was sind die wichtigsten deutschen Häfen?

"Mit 20 Seehäfen an Nord- und Ostsee und rund 100 öffentlichen Binnenhäfen verfügt Deutschland über ein leistungsfähiges Güterverkehrsnetz und eine starke Hafenwirtschaft", heißt es in der Strategie.

Der mit Abstand größte und wichtigste Hafen des Landes liegt in Hamburg. In ihm wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr mit 99,6 Millionen Tonnen so viele Waren umgeschlagen wie in allen anderen relevanten Seehäfen Deutschlands zusammen. Danach folgte Bremerhaven mit 39,2 Millionen Tonnen, Wilhelmshaven in Niedersachsen mit 29,8 Millionen Tonnen und Rostock in Mecklenburg-Vorpommern mit 23,9 Millionen Tonnen.

Gerade die deutschen Küstenhäfen stehen in einem harten Wettbewerb mit anderen europäischen Häfen wie Rotterdam oder Antwerpen.

Wie will die Regierung die Häfen stärken?

Die Nationale Hafenstrategie umfasst insgesamt 139 Maßnahmen. Die deutschen Häfen sollen national und international wettbewerbsfähig sein und frei von kritischen Abhängigkeiten agieren, wie es in dem Papier heißt. Es gehe dabei um Wettbewerbsbedingungen, eine verstärkte Kooperation der Häfen untereinander, die Erforschung und Entwicklung innovativer Hafentechnologien und eine "konsistente" Hafen- und Infrastrukturpolitik.

Zudem sollen für einen Ausbau der Häfen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Die Leistungsfähigkeit der seewärtigen Zufahrten zu den deutschen Seehäfen und ihren Hinterlandanbindungen ist dabei laut Strategie ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Häfen. Auch die Binnenhäfen würden durch eine "unzureichende Belastbarkeit und Stabilität" der Verkehrswege beeinträchtigt. Die Zuverlässigkeit der Verkehrsinfrastruktur müsse daher deutlich verbessert werden.

Ein Ziel der Strategie ist es außerdem, die Häfen bis 2045 klimaneutral zu machen. Dazu zählen geplante infrastrukturelle Umbauten, nicht zuletzt aber auch die digitale Transformation der Standorte.

Wie sollen die Häfen sicherer werden?

Die Strategie sieht mehrere Schritte vor, um die deutschen Häfen sicherer zu machen. Sie sollen dafür teilweise als Kritische Infrastrukturen eingestuft werden. Bei Investitionen und Beteiligungen aus Drittstaaten seien somit künftig nicht nur die nationalen Sicherheitsinteressen zu prüfen, sondern es soll auch eine enge europäische Koordinierung geben, um die europäische Hafeninfrastruktur zu sichern. In der Vergangenheit gab es zum Beispiel heftigen Streit über eine Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem Containerterminal im Hamburger Hafen.

Häfen sollen außerdem "robust" gegenüber physischen und Cyberangriffen sein und widerstandsfähig gegen kriminelle Einflussnahmen, wie es in der Strategie heißt. Die organisierte Kriminalität an deutschen Häfen nehme aber aktuell zu, insbesondere beim internationalen Drogenhandel.

Wer ist für die Häfen zuständig?

Obwohl der gesamtdeutsche Außenhandel in großen Teilen über die Seehäfen der Nord- und Ostsee sowie über Hamburg läuft, liegt die grundlegende Zuständigkeit für die sehr teure Infrastruktur allein bei den Ländern.

Der Bund ist hingegen gemäß Grundgesetz für Bau und Erhaltung der zulaufenden Bundesverkehrswege verantwortlich und finanziert diese auch. Allein für die Fahrrinnenanpassungen an Elbe und Weser, der Vertiefung der Außenems, den Maßnahmen am Nord-Ostsee-Kanal und dem Ausbau der seewärtigen Zufahrten nach Rostock und Wismar hat der Bund nach Angaben des Verkehrsministeriums in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich rund 500 Millionen Euro jährlich ausgegeben.

Wer zahlt das alles?

Die Häfen für die Zukunft zu rüsten und vor allem auf eine Klimaneutralität vorzubereiten, ist extrem teuer. Die Hafenwirtschaft und die Küstenländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern fordern deshalb vom Bund seit Langem eine deutliche Aufstockung der Bundesmittel zur Finanzierung der Seehäfen. Allein für die Infrastruktur fallen demnach pro Jahr aufgrund gestiegener Kosten 400 Millionen Euro an. Bislang zahlt der Bund lediglich 38 Millionen Euro pro Jahr für alle Häfen zusammen.

Konkrete finanzielle Pläne fehlen in der Hafenstrategie. Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) zeigten sich davon enttäuscht und forderten verlässliche Zusagen. Beide Verbände könnten nicht erkennen, wie "die ambitionierten und wichtigen Ziele der Strategie ohne die entsprechende finanzielle Hinterlegung erreicht werden können" und forderten Förderprogramme und Nachbesserungen - auch mit Blick auf den Haushalt 2025.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 20. März 2024 um 17:10 Uhr.