Mögliche Kanzlerkandidatur Habecks großes Vielleicht
Seit der Absage von Baerbock wäre der Weg frei für Habeck. Nun deutet der Wirtschaftsminister erstmals Interesse an einer Kanzlerkandidatur für die Grünen an - sagt aber nicht eindeutig zu. Das könnte mehrere Gründe haben.
Eindeutig festlegen will sich Robert Habeck noch nicht. Kanzlerkandidat für die Grünen? Dazu sagt der 54-Jährige weder klar "Ja" noch "Nein". Dabei vergeht inzwischen kaum eine Pressekonferenz, kaum ein Termin, bei dem Habeck nicht nach seinen Kanzlerambitionen gefragt wird. Spätestens seit Annalena Baerbock (Grüne) in einem CNN-Interview erklärt hatte, dass sie eine Kanzlerkandidatur dieses Mal ausschließt, sind alle Augen auf Habeck gerichtet.
Bislang blieb er vage - bis heute. Ein eindeutiges "Ja, ich will" kommt ihm zwar immer noch nicht über die Lippen. Aber er zeigt klares Interesse. "Ich möchte mich gerne in die Verantwortung nehmen lassen - für Deutschland, für meine Partei, für das Projekt, für die Demokratie", sagt er nun in einem Podcast des Nachrichtenportals Politico.
Schwierige Ausgangslage
Eigentlich müsste Habeck nur noch zugreifen. Ernstzunehmende Konkurrenten gibt es in der Partei nicht. Kaum jemand zweifelt noch daran, dass es Habeck letztendlich macht. Trotzdem lässt der Vizekanzler sich Zeit - und das aus gutem Grund.
Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl ist die Ausgangslage für Habeck schwierig. Laut dem aktuellen ARD-DeutschlandTrend sind nur 30 Prozent mit seiner politischen Arbeit zufrieden. Habeck schneidet damit schlechter ab als Boris Pistorius (SPD, 56%), Friedrich Merz (CDU, 34%) und Parteikollegin Annalena Baerbock (Grüne, 33%).
Auch die Grünen selbst befinden sich mit 12 Prozent zurzeit in einem Umfragetief. Es scheint daher fraglich, ob die Partei überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstellt. Das könnte dann doch etwas vermessen und realitätsfremd wirken. Gut möglich also, dass die Partei ein Level tiefer einsteigt, und nur einen "Spitzenkandidaten" ins Rennen schickt.
"Es steht vier null gegen dich"
Die Situation für die Grünen sei aktuell schwieriger als bei der letzten Wahl 2021, sagt Habeck dazu im Politico-Podcast. Die Lage auf dem Spielfeld sei kompliziert: "Du wirst eingewechselt, und es steht vier null gegen dich."
Ob Habeck nun tatsächlich für die Grünen aufs Spielfeld läuft, macht er aber auch vom Rest der Mannschaft abhängig. Er sei prinzipiell bereit, die Positionen der Grünen "zu korrigieren" und gemeinsam etwas "Neues" zu schaffen.
Die Lehre vergangener Jahre
Schon in den vergangenen Wochen hatte Habeck immer wieder angedeutet, dass sich für seine Kandidatur auch die Partei in Bewegung setzen müsste. Das Ziel: Verlorene Wähler aus der Mitte und dem bürgerlichen Lager wiedergewinnen. Dafür müssten sich die Grünen allerdings verabschieden von einer kompromisslosen Klima- und Migrationspolitik, die viele Menschen überfordert.
Für Habeck ist das eine Lehre der vergangenen Jahre. Immerhin hatte er ja selbst erlebt, was passieren kann, wenn man es übertreibt. "Ich bin zu weit gegangen", sagte er erst vor wenigen Wochen zu seinem umstrittenen "Heizungsgesetz". "Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie heizen wir in Zukunft, war ja auch ehrlicherweise ein Test, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz - wenn er konkret wird - zu tragen."
Mehr "Realo" - weniger "Fundi"
Kein Wunder also, dass Habeck nun von seiner Partei mehr "Realo" und weniger "Fundi" erwartet. Vor allem das linke Lager wird er überzeugen müssen. Denn dort wurde in den vergangenen Wochen eher gefordert, stärker die Kernkompetenz beim Klima zu betonen und in der Migrationspolitik nicht der Union hinterher zu laufen.
Bevor Habeck zugreift, gibt es also noch einiges zu klären. Es gebe ja auch keinen Grund zur Eile, betont Habeck immer wieder, wenn er im politischen Berlin nach der Kanzlerkandidatur gefragt wird.
Was passiert nach den Landtagswahlen?
Zunächst muss die Partei ohnehin die schwierigen Landtagswahlen im Osten abwarten. Zu groß wäre die Gefahr, jetzt einen Kanzlerkandidaten zu küren, der dann schmerzhafte Wahlergebnisse in Thüringen, Sachsen und Brandenburg erklären muss.
Habeck und die Grünen warten also erstmal ab - wahrscheinlich noch eine ganze Weile. Gut möglich, dass die offizielle Kür erst im November beim Bundesparteitag stattfinden wird.