Habeck-Ministerium Warum die "Trauzeugen-Affäre" brisant ist
Längst geht es in der "Trauzeugen-Affäre" um mehr als den Fehler eines Staatssekretärs. Das Ganze wird zunehmend brenzlig für Minister Habeck und seine Pläne für eine Energiewende. Die Union erhöht den Druck.
Spätestens wenn eine Affäre einen Titel bekommt, wird es brenzlig. Von der "Trauzeugen-Affäre" ist mit Blick auf eine umstrittene Postenvergabe im Bundeswirtschaftsministerium die Rede. Das ist griffig, damit können wohl die meisten Menschen etwas anfangen. Der Name Patrick Graichen sagt vermutlich weniger Leuten etwas, geschweige denn Michael Schäfer.
Für Robert Habeck ist die "Trauzeugen-Affäre" längst zu einer politisch hochbrisanten Angelegenheit geworden. Es geht um den Verdacht der Vetternwirtschaft in seinem Ministerium. Grüner Filz - ausgerechnet bei der Partei, die in den Augen ihrer Kritiker doch so gerne als Moralapostel daherkommt.
Union will Vorladung in den Ausschuss
Auch der politische Gegner hat die Brisanz der Angelegenheit erkannt. Die Union schießt sich daher auf Wirtschaftsstaatssekretär Graichen ein - und zielt dabei auf Habeck und dessen Politik der Energiewende. Die Bundestagsfraktion will Graichen am kommenden Mittwoch in den Wirtschaftsausschuss vorladen.
Der CDU-Abgeordnete Tilman Kuban sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Das Wirtschaftsministerium muss Hüter der sozialen Marktwirtschaft sein und darf nicht den Anschein eines grünen Selbstbedienungsladens erwecken." Zumal Habeck ja stets betont habe, sich gegen jede Form von Korruption und für Transparenz einzusetzen. Jetzt wolle man helfen, die "Vorgänge in seinem Ministerium aufzuklären". "Ich hoffe, dass Patrick Graichen es schafft, die im Raum stehenden Anschuldigungen auszuräumen."
Sollte das nicht gelingen, brachte die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann einen Untersuchungsausschuss ins Spiel. "Eine Sondersitzung des Bundestagsausschusses für Wirtschaft kann nur der Anfang sein", sagte die Chefin der Mittelstandsunion (MIT) dem "Spiegel". "Sollte es nicht zu einer umfassenden Aufklärung über Verstrickungen, geflossene Zahlungen und Postenvergaben kommen, ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss unumgänglich, der Licht ins Dunkel bringt." Dieser "grüne Filz" müsse beseitigt werden, stellte auch CSU-Generalsekretär Martin Huber klar.
Familiäre Verflechtungen im Ministerium
Die Union fährt also schweres Geschütz auf. "Es steht die Integrität des Bundeswirtschaftsministers selbst infrage", hatte CDU-Generalsekretär Mario Czaja zuvor bereits im Sender Welt-TV festgestellt. Mit Blick auf weitere familiäre Verflechtungen im Habeck-Ministerium, die allerdings nicht neu sind, sprach Czaja von einem "kleinen Familienclan" in Habecks Umfeld, "wo alle miteinander verwandt oder verschwägert" seien. Die Folge sei "der ganze Mist", den er bei der Gaspreisbremse, beim Heizungsgesetz oder in der Energiepolitik mit dem Atomausstieg gebaut habe, kritisierte der CDU-Generalsekretär.
Parteichef Friedrich Merz sieht gar den Kanzler gefordert: "Irgendwann wird auch der Bundeskanzler mal seine Meinung dazu sagen müssen, was er eigentlich von diesem Treiben in einem seiner vielleicht wichtigsten Ministerien hält."
Der Union dürfte es also um weit mehr gehen als einen Trauzeugen, der womöglich begünstigt wurde im Auswahlverfahren und daher einen Spitzenjob bei der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) bekommen sollte. Zumal der Fehler eingeräumt und das Verfahren zur Besetzung des Postens neu gestartet werden soll.
Graichen ist Habecks Mann für die Energiewende
Graichen ist ein Schlüsselfaktor im Ministerium für die Energiewende. Sein Verlust wöge schwer für den Minister, bei Graichen laufen im Wirtschaftsministerium alle Fäden zu dem Thema zusammen. Schon deshalb hält Habeck an ihm fest. Graichen sei der Mann, "der Deutschland vor einer schweren Energiekrise bewahrt hat", sagte Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Graichen habe "in Windeseile das Gesetz zur Befüllung der Gasspeicher durchgebracht und die rechtzeitige Einspeicherung von Gas gewährleistet, den Bau von LNG-Terminals für eine sichere Gasversorgung vorangetrieben, den Gasversorger Uniper stabilisiert und alte Kohlekraftwerke zurück ans Netz geholt", zählte Habeck in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" die Verdienste seines Staatssekretärs auf.
"Gezielte Kampagne"?
Und dennoch: Die Sache mit dem Trauzeugen wurde bekannt in einer Lage, in der das Ministerium in Sachen Personalpolitik ohnehin schon für Diskussionen sorgt. Graichens Schwester Verena, verheiratet mit dessen Staatssekretärs-Kollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch ein weiterer Bruder beim Öko-Institut, einer Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. An deren Ausschreibung sind aber weder Graichen noch Kellner beteiligt, wie Habeck beteuert.
Dass Habecks Personalpolitik nun diese Dynamik bekommt - Grünen-Politiker Jürgen Trittin spricht gar von einer "gezielten Kampagne" - könnte auch mit der Atmosphäre im Ministerium zu tun haben. Beobachter vermuten einen Zusammenhang mit einer wachsenden Unzufriedenheit innerhalb des Wirtschafts- und Klimaministeriums. Manche haben, wie aus vertraulichen Gesprächen zu hören ist, das Gefühl, dass ihre Expertise nicht mehr gefragt ist. Besonders die Staatssekretäre Graichen und Sven Giegold haben den Ruf, wenig Interesse an kritischen Nachfragen aus dem Ministerium zu haben.
Habeck muss aufpassen, dass ihm die Kontrolle nicht entgleitet. Sowohl er als auch Graichen haben Fehler eingeräumt, doch es bleibt "ein Geschmäckle", wie auch der Koalitionspartner SPD vorsichtig formuliert. Für die Grünen läuft es in der Ampel ohnehin nicht gut, immer öfter sehen sie sich in Sachen Klimaschutz vom Kanzler im Regen stehen gelassen. Bei der Energiewende muten die Grünen den Bürgern viel zu, wie zuletzt beim Heizungswechsel. Für Politikerklärer Habeck und seine Grünen gab es schon bessere Zeiten.