Nach Kritik am Haushalt 2024 Habeck warnt vor Aufkündigung des Kompromisses
Angesichts der Einsparungen geht die Diskussion um den Haushalt weiter - auch in der Ampel. Wirtschaftsminister Habeck warnt davor, den mühsam erreichten Kompromiss zu gefährden. Die Einigung werde umgesetzt, versicherte der Regierungssprecher.
Seit vergangener Woche steht der Haushaltskompromiss, doch einzelne der Maßnahmen sind innerhalb der Ampel höchst umstritten. Nun warnt Vizekanzler Robert Habeck, den Kompromiss zum Sparpaket aufzukündigen. "Wenn jetzt einzelne Streben herausgezogen werden, ohne neue einzusetzen, fällt die Gesamtlösung in sich zusammen", sagte der grüne Bundeswirtschaftsminister im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.
Wer an einer Stelle Änderungen wünsche, müsse eine abgestimmte und für alle Seiten tragfähige Gegenfinanzierung anbieten. "Wir können uns aber nicht leisten, keine Antwort zu geben, denn der Haushalt muss gemacht werden."
Regierungssprecher: Einigung wird umgesetzt
Auch der Regierungssprecher sah sich genötigt, noch einmal klarzumachen: "Die Regierung ist fest entschlossen, die Einigung umzusetzen", sagte Steffen Hebestreit. Es gebe wenig Änderungswillen in der Regierung. Er betonte:
Richtig ist, und das hat der Bundeskanzler, das hat der Vizekanzler und das hat auch der Bundesminister der Finanzen am Mittwoch bei dem Pressestatement im Bundeskanzleramt deutlich gesagt, dass das ein Haushalt ist, bei dem man auch Kürzungen wird vornehmen müssen. Und diese Kürzungen betreffen auch Bereiche, in denen es natürlich weh tut.
Proteste aus FDP und SPD
Geplante Streichungen im Bundeshaushalt hatten heftige Proteste ausgelöst. So kündigte die FDP-Fraktion im Bundestag am Sonntag ein Veto gegen die Pläne der Ampel-Spitzen zur Streichung von Steuervergünstigungen für Landwirte an. Auch aus der SPD-Fraktion kommt Unmut über das Aus für die E-Auto-Prämie.
Nötig wurde der zäh verhandelte Kompromiss nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht in Karlsruhe hatte entschieden, dass nicht ausgegebene Corona-Gelder nicht in den Klimafonds verschoben werden dürfen.
Habeck sprach mit Blick auf den Haushaltskompromiss der Ampel von einem Paket, das das Verfassungsgerichtsurteil umsetze, auf der Grundlage bestehender Regeln geschnürt worden sei und allen Seiten etwas abverlange. "Kürzungen muten Menschen etwas zu, und ich hätte es gern vermieden." Er könne jeden Betroffenen verstehen, der jetzt enttäuscht sei.
Angesichts von Forderungen an bestimmten Stellen nicht zu kürzen, sagte Habeck: "Was für Politikerinnen und Politiker nicht geht, ist, sich der Verantwortung zu entziehen und nur zu sagen, wo nicht gespart werden soll." Er verteidige den Kompromiss, auch weil er wisse, "dass jeder Einschnitt Härten bedeutet".
Keine Lösung für Zukunft der Schuldenbremse
Nur vorläufig gelöst scheint die Frage der Schuldenbremse. Im Interview mit der dpa sprach sich Habeck erneut für eine Änderung der Regelung aus. "Es ist lange bekannt, dass ich die Regeln der Schuldenbremse, wie sie ist, für aus der Zeit gefallen halte": Deutschland müsse massiv investieren, "um im globalen Wettbewerb um Zukunftstechnologien mitzuhalten, und es muss den Übergang sozial gerecht gestalten".
Bundesfinanzminister Christian Lindner hingegen pocht auf der Einhaltung der Schuldenbremse. Im Bericht aus Berlin sagte er, es sei wichtig, dass das Aussetzen der Regelung sowie Steuererhöhungen vermieden würden. Bei den Verhandlungen habe es laut Lindner einen klaren Konsens über das Wiedereinhalten oder Wiederaussetzen der Schuldenbremse gegeben - etwa für den Fall, dass durch Russlands Krieg gegen die Ukraine besondere Kosten entstehen. "Bei jeder neuen Situation, die über uns kommt und sich der Einflussnahme des Staates entzieht, die nicht im Haushalt abgebildet werden kann, wird man natürlich prüfen, die Ausnahme von der Schuldenbremse zu nehmen", sagte der FDP-Politiker.
Kürzungen bei Förderungen für Landwirte sorgen für Proteste
Umstritten sind vor allem konkrete Einsparungen wie die Streichung des Steuerprivilegs für Agrardiesel. Der Bauernverband verlangt von der Regierung eine Rücknahme der Pläne, Regelungen zum Agrardiesel und zur Kfz-Steuerbefreiung abzuschaffen. Am Brandenburger Tor in Berlin will der Verband mit zahlreichen Traktoren protestieren. Die FDP-Fraktion hat bereits klargestellt, dass sie an den Subventionen festhalten möchte, und auch der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat Bedenken angemeldet. Finanzminister Lindner will sich der Debatte nicht verschließen, erklärte er im Bericht aus Berlin: "Wenn der Landwirtschaftsminister und die FDP-Fraktion meinen, dass das im Paket diskutiert werden muss, muss das ernst genommen werden."
Scharfe Kritik an den geplanten Kürzungen kommt aus der Union. CDU-Vize Silvia Breher sagte, die Branche werde mit fast einer Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich belastet. "Dem Klima dient diese Entscheidung nicht, denn Alternativen stehen den Landwirtschaft- und Forstwirten nicht zur Verfügung." Es gebe weder Planungssicherheit noch würden die notwendigen finanziellen Mittel für den Umbau der Tierhaltung bereitgestellt.
SPD-Fraktionsvorsitzenden kritisieren abruptes Aus für E-Auto-Prämie
Ebenfalls für Diskussionen sorgt der Stopp der staatlichen Kaufprämie für Elektroautos. Drei stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende hatten erklärt, der erst am Samstag vom Wirtschaftsministerium kurzfristig verkündete Förderstopp bis zum Ablauf des kommenden Sonntags sei "äußerst unglücklich". Sie hatten Habeck aufgefordert, einen verlässlicheren Übergang zu organisieren. "Die Bürgerinnen und Bürger erwarten lebensnahe Übergangsfristen von politischen Entscheidungsträgern", sagten die Fraktionsvizes Detlef Müller, Matthias Miersch und Verena Hubertz.
Habeck rechtfertigt das Auslaufen der Prämie: "Auch ich würde gern länger die E-Mobilität mit dem Umweltbonus fördern, mehr Geld für die Solarindustrie einsetzen können oder die Kosten der Netzentgelte deckeln. Aber ich weiß, dass anderen anderes wichtig ist."
Bisher sollte die E-Auto-Förderung laut Ministerium Ende 2024 auslaufen - oder vorher, wenn die Mittel aufgebraucht sind.
SPD-Chef regt Anhebung der Pendlerpauschale an
SPD-Chef Lars Klingbeil will zudem die Pendlerpauschale ausweiten. "Ich bin dafür, dass wir die Debatte darüber führen, sie anzuheben" sagte er im "Bild"-Podcast "Ronzheimer".
Beim Haushaltskompromiss der Ampelkoalition sei klar: "Da sind Belastungen für die arbeitende Mitte drin. Da bin ich auch nicht glücklich darüber." Konkret nannte Klingbeil den zu erwartenden Anstieg der Spritpreise. In der zweiten Hälfte der Legislatur müsse diese Gruppe in den Fokus gerückt werden. Die SPD wolle daher, dass "darüber nachgedacht wird, die Pendlerpauschale im nächsten Jahr anzuheben". Auf einen Betrag wollte sich der SPD-Chef aber nicht festlegen.
Die Pendlerpauschale wird bei der Berechnung der Einkommensteuer für die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz abgezogen. Sie beträgt 30 Cent pro Kilometer, ab dem 21. Kilometer 38 Cent.