Timon Dzienus (Archivbild: 01.10.2023)

Bundeskongress der Grünen Jugend Die Jungen sind unzufrieden mit ihrer Partei

Stand: 20.10.2023 09:16 Uhr

Ab heute trifft sich die Grüne Jugend zu ihrem Bundeskongress. Die Nachwuchsorganisation ist unzufrieden damit, welches Bild die Grünen in der Ampelkoalition abgeben. Der Vorwurf lautet: zu viele Kompromisse.

Von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio

Timon Dzienus verbreitet gerne gute Laune. Der Co-Chef der Grünen Jugend kommt kumpelhaft rüber und hat meistens ein Lächeln auf den Lippen. Auch wenn die Nachwuchsorganisation von Bündnis 90/Die Grünen im Moment inhaltlich meilenweit von der Mutterpartei entfernt ist - was unter vielen Mitgliedern für schlechte Stimmung sorgt.

Dzienus spricht im Interview mit dem SWR von einer steigenden Unzufriedenheit von Konflikt zu Konflikt. Die Grüne Jugend stört sich an der Performance der Grünen innerhalb der Ampelkoalition. Die Partei stimmte dafür, dass die Bundeswehr finanziell aufgerüstet wird, die Atomkraftwerke länger liefen als geplant und die Migrationsregeln verschärft werden.

Für den 27-jährigen Dzienus ist klar: Die grünen Minister im Kabinett setzen sich mit ihren Forderungen nicht gut genug gegen die Koalitionspartner durch. Nach seinen Worten treten sie nicht konsequent genug für die grünen Ideale ein und werden daher oft überstimmt.

Kritik an den Grünen in der Ampel

Der Spruch "Der Klügere gibt nach" sei bei den Grünen ein Problem, sagt Dzienus: "Wenn der Klügere nachgibt, dann regieren die Dummen. Und in dem Fall ist das die Unmenschlichkeit in Europa, die sich immer weiter durchsetzt."

Dem Co-Chef der Grünen Jugend geht es vor allem um die Migrationspolitik. Er wünscht sich weniger Abschottung und mehr Solidarität mit Geflüchteten. "Weil in den nächsten Jahrzehnten, auch durch die Klimakatastrophe, noch viel mehr Menschen fliehen müssen."

Grüne Jugend sieht Rechtsruck

Dzienus sieht einen Rechtsruck in Deutschland, eine unhumane Asylpolitik, gegen die die Grünen seiner Meinung nach vehement ankämpfen müssen - anstatt schärferen Asylregeln auf EU-Ebene zuzustimmen, wie es grüne Minister innerhalb der Bundesregierung getan haben.

Doch für eine humanere Flüchtlingspolitik sieht seine Co-Vorsitzende immer weniger Zustimmung in der Bevölkerung. Sarah-Lee Heinrich spricht von einer starken sozialen Verunsicherung. "Das ist ein Nährboden für die politische Rechte, um die Gesellschaft zu spalten", sagt die 22-jährige Co-Chefin im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Sie fordert die Ampel-Regierung auf, verstärkt gegen diese Verunsicherung bei den Menschen vorzugehen und einen Kurswechsel zu mehr sozialer Gerechtigkeit einzuläuten.

Die Grüne Jugend sieht sich als sozialen Flügel der Partei und ist politisch traditionell eher links geprägt. Die Nachwuchsorganisation hat rund 16.000 Mitglieder. Die exakte Zahl verrät die Spitze der Grünen Jugend nicht. Damit hat die Bewegung etwas mehr Mitglieder als die Jungen Liberalen. Die Junge Union ist die politische Nachwuchsorganisation mit den meisten Mitgliedern, es sind etwa 100.000. Die JuSos kommen auf rund 70.000.

Neues Führungsduo wird gewählt

Für den Bundeskongress der Grünen Jugend in Leipzig haben sich 750 Mitglieder angemeldet. Neben der Ampel-Halbzeit wollen sie vor allem darüber debattieren, wie sich die Grüne Jugend für das nächste Jahr aufstellt. Thematisch und personell: Heinrich und Dzienus verlassen die Spitze der Bewegung nach zwei Jahren. So sehen es die Regeln vor.

Beide kündigen an, weiter politisch aktiv zu bleiben, verraten aber bisher keine Details. Die neue Doppelspitze der Grünen Jugend ist schon so gut wie gesetzt: Bisher kandidiert nur das Duo aus Svenja Appuhn und Katharina Stolla, eine Meteorologin und eine Medizinstudentin, beide 25 Jahre alt.

Zwar sind noch spontane Kandidaturen möglich, gelten aber als wenig aussichtsreich. So bekommt die Grüne Jugend wohl das erste rein weibliche Führungsteam seit zwölf Jahren. Das Motto der beiden lautet: Klimaschutz im Turbomodus. Damit dürfte ein klassisch grünes Thema den Kurs der Grünen Jugend für die nächste Zeit prägen.

Oliver Neuroth, ARD Berlin, tagesschau, 20.10.2023 08:28 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. Oktober 2023 um 06:16 Uhr.