Vor Entscheidung über Herbizid Glyphosatstreit hinter den Kulissen
Landwirtschafts- und Umweltministerium wollen keine weitere Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene. Zwei FDP-Minister hoffen aber auf die Wende in letzter Minute. Dafür gibt es ungewöhnliche Unterstützung.
Heute und Freitag tagt in Brüssel der Ausschuss, der über die künftige Zulassung von Glyphosat in der EU entscheiden soll. Noch ist offen, wie Deutschland sich bei der Abstimmung im sogenannten PAFF Committee verhalten wird.
Vor allem Grüne und Liberale streiten in der Bundesregierung darüber, ob das Pflanzenschutzmittel auch über das Jahr 2023 hinaus angewendet werden darf.
Wissing und Stark-Watzinger für Verlängerung
Formal zuständig wären dafür eigentlich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerium Steffi Lemke. Die Haltung der beiden Grünen-Minister ist klar: keine Verlängerung. Doch weil die FDP für die weitere Nutzung von Glyphosat ist, wollen nun auch Verkehrsminister Volker Wissing und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger mitreden.
Der Verkehrsminister begründet seine Zuständigkeit über die Deutsche Bahn. Diese hatte Glyphosat lange Zeit eingesetzt, um die Schienen von Wildwuchs freizuhalten. Dann aber kündigte das Unternehmen im März an, noch in diesem Jahr vollständig auf den Einsatz des Mittels verzichten zu wollen. Stattdessen rückt die Bahn dem Bewuchs mit einem "nachhaltigen Vegetationsmanagement" zu Leibe. Neben mechanischen Lösungen wie Mähwerkzeuge, Heißwasser-Geräte und Elektrolanzen kommt auch Pelargonsäure zum Einsatz - ein natürlicher Unkrautbekämpfer, der unter anderem aus Rapsöl gewonnen wird und seit Jahren in Privatgärten angewendet wird.
Probleme nach Glyphosat-Aus bei der Bahn
Doch der Plan der Bahn scheint nicht so leicht umsetzbar, wie es zunächst vermutet worden war. So berichtet der "Spiegel", dass Lokführer die schlechte Sicht auf Signale beklagen würden und Fahrgästen mitunter das Einsteigen durch Gestrüpp erschwert werde. Zudem explodieren die Kosten. Für das kommende Jahr hat die Bahn etwa 53 Millionen Euro für alternative Unkrautbekämpfung eingeplant - 16 Millionen Euro mehr als 2023. Ein Plus, das sich nach Ansicht von Bundesverkehrsminister Wissing offenbar durch den weiteren Einsatz von Glyphosat vermeiden ließe.
Auch die Forschungsministerin wirbt für die weitere Verwendung von Glyphosat. Stark-Watzinger führt dabei Argumente wie die Forschungs- und Innovationsfreiheit ins Feld. Auch sie schickte deshalb genauso wie ihr Parteikollege Wissing einen Staatssekretär, um mit Vertretern des Landwirtschaftsministeriums und des Umweltministeriums zu verhandeln. Zuletzt traf sich die Runde am Dienstagabend, ohne dabei jedoch eine Einigung zu erzielen.
Bayer wendet sich mit Petition an Bundestag
Nun haben Stark-Watzinger und Wissing Schützenhilfe vom Glyphosat-Produzenten Bayer bekommen. Vertreter des Unternehmens übergaben am Mittwoch in Sichtweite zum Reichstagsgebäude eine Petition mit mehr als 17.300 Unterschriften an Mitglieder des Bundestages mit dem Ziel, ein Verbot von Glyphosat zu verhindern. Dass sich ein Unternehmen mit einer Petition ans Parlament wendet und so für die Weiterverwendung eines seiner Produkte wirbt, ist äußerst ungewöhnlich. Allerdings geht es für Bayer auch um sehr viel Geld. Allein mit der Agrarsparte verdiente der Konzern im vergangenen Jahr mehr als 25 Milliarden Euro - einen erheblichen Anteil daran hatte das Geschäft mit Herbiziden rund um Glyphosat.
Deutschlands Zustimmung unwahrscheinlich
Özdemir und Lemke aber bleiben bislang weiter bei ihrem Nein. Und weil es nicht danach aussieht, als würden sie von dieser Position abrücken, wird Deutschland einer weiteren Zulassung von Glyphosat wohl nicht zustimmen. Finden sich dann unter den anderen EU-Staaten nicht genügend Unterstützer für den Vorschlag der EU-Kommission, darf das Pflanzenschutzmittel ab dem 15. Dezember 2023 nicht mehr eingesetzt werden.