Kabinett bringt Gesetz auf den Weg Mehr Rechte für Opfer von sexualisierter Gewalt
Mit einem Gesetz sollen Kinder und Jugendliche besser vor sexualisierter Gewalt geschützt werden. Betroffene können dann auch Akteneinsicht bei Jugendämtern beantragen. Das Kabinett hat dem Entwurf nun zugestimmt.
Das Bundeskabinett hat das "Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen" auf den Weg gebracht. Zentrales Vorhaben ist die gesetzliche Verankerung des Amtes der Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten (UBSKM), Kerstin Claus.
Das Amt soll insgesamt aufgewertet werden. Zudem sollen Betroffene ein Recht auf Akteneinsicht bei Jugendämtern bekommen. Geplant ist demnach für sie auch eine Anlaufstelle, die sie bei der Aufarbeitung unterstützt.
Mit dem Entwurf von Bundesfamilienministerin Lisa Paus wird ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP umgesetzt. Ein Gesetz zur Stärkung der Missbrauchsbeauftragten war bereits in der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Aussicht gestellt worden. Das Gesetz muss nun noch durch Bundestag und Bundesrat.
Regelmäßiger Report vorgesehen
Die oder der Beauftragte soll künftig vom Bundestag gewählt werden und dem Parlament regelmäßig Bericht erstatten - laut Gesetzentwurf einmal pro Legislaturperiode. In diesem sollen sowohl das Ausmaß von Missbrauch als auch der Stand von Prävention und Unterstützungsmaßnahmen abgebildet werden. Sollte dieser Report auf konkrete Missstände hinweisen, kann er dann Grundlage für politische Entscheidungen sein.
Schon heute gibt es zwar das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Doch seitdem der Posten 2010 geschaffen wurde, wurde der Beauftragte vom Bundeskabinett berufen.
Ein konkretes Gesetz dazu gab es bisher aber nicht. Die Ampel hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, das zu ändern, um für den Posten eine dauerhafte Grundlage zu schaffen. Die aktuelle Beauftragte, Claus, wurde im März 2022 vom Bundeskabinett berufen.
Forschungszentrum soll mit Studien helfen
Auch einen Arbeitsstab sowie den Betroffenenrat und die unabhängige Aufarbeitungskommission will die Regierung gesetzlich verankern. Diese soll das Thema unter anderem auf Basis von Zeitzeugenbefragungen und Betroffenenanhörungen untersuchen.
Beide Gremien gibt es heute bereits, aber ebenfalls bisher ohne gesetzliche Grundlage. Neu entstehen soll daneben ein "Zentrum für Forschung zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen", dessen Ergebnisse in den Bericht einfließen.
Beratung und Akteneinsicht für Betroffene
Mit dem Gesetz sollen außerdem Betroffene in ihren Rechten gestärkt werden. Damit Erwachsene mit Missbrauchserfahrungen in der Kindheit ihre Geschichte überhaupt aufarbeiten können, sollen sie künftig auch Akteneinsichts- und Auskunftsrechte bekommen. Das war ihnen bislang verwehrt.
Die Jugendämter werden den Plänen zufolge verpflichtet, Betroffenen Zugang zu Erziehungshilfe-, Heim- oder Vormundschaftsakten zu geben und Auskünfte zu gewähren. Zudem werden die Ämter dazu verpflichtet, die Akten jahrzehntelang aufzubewahren.
Der Bund will zudem ein Beratungssystem für Betroffene einrichten. Geplant ist ein Netz von Beratungsstellen, die ihnen bei der Aufarbeitung ihrer Erfahrungen zur Seite stehen. "Es wird ein Beratungsservice finanziert, der geeignet ist, die individuelle Aufarbeitung zu fördern und damit die Lebenssituation von Betroffenen zu verbessern", heißt es im Gesetzentwurf.
Mehr Schutz für Kinder und Jugendliche
Daneben wird die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit dem Gesetz verpflichtet, gemeinsam mit den Bundesländern bundeseinheitliche Informationen und Medienangebote zur Prävention zu entwickeln, um zum Beispiel Eltern für das Thema zu sensibilisieren.
Die Bundeszentrale soll außerdem Einrichtungen, die mit Kindern zu tun haben, bei Schutzkonzepten unterstützen. Alle Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sollen darüber hinaus verpflichtet werden, Schutzkonzepte zu erarbeiten.
Nicht im Gesetzentwurf geregelt ist hingegen die Zukunft des Fonds Sexueller Missbrauch, der 2013 aufgelegt worden war. Er soll Unterstützung zur Bewältigung der Folgen von sexualisierter Gewalt in der Kindheit und Jugend gewähren. Betroffene können bislang Sachleistungen wie Therapien oder Bildungsmaßnahmen im Gesamtwert bis zu 10.000 Euro beantragen.