Finanzierung nicht gesichert Wie geht es mit dem Deutschlandticket weiter?
Das Deutschlandticket ist beliebt: 13 Millionen nutzen das Angebot. Doch die Finanzierung ist nach dem Ampel-Aus ungewiss. Verbände fordern eine schnelle Einigung. NRW-Minister Krischer wertet die Verzögerung als "billigen Wahlkampf".
Eine Woche nach dem Aus der Ampelkoalition stehen viele ausstehende Projekte auf der Kippe - darunter das Deutschlandticket. Derzeit kostet das deutschlandweite Ticket für den Nah- und Regionalverkehr 49 Euro. Ab kommenden Jahr soll es 58 Euro kosten. Um das Abo zu diesem Preis anbieten zu können, sollen Bund und Länder jeweils 1,5 Milliarden Euro geben.
Mit dem Geld werden vor allem Einbußen bei den Einnahmen der Verkehrsbetriebe aufgefangen. Doch ob das reicht, ist unklar. Bei der Kalkulierung des 58-Euro-Preises hatten sich die Politiker auf den noch nicht verabschiedeten Übertragungsbeschluss im Regionalisierungsgesetz verlassen. Damit sollten Mittel aus 2023, die nicht ausgegeben wurden, für die Finanzierung im Jahr 2025 verwendet werden.
Für Verbraucherschützer und Sozialverbände ist das ein unhaltbarer Zustand. "Das Aus der Ampelkoalition darf nicht zum Aus des Deutschlandtickets führen", sagte Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundesverband den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Aus wäre ein Rückschritt für "soziale Verkehrspolitik"
Allein im Juni nutzten 13 Millionen Menschen das Abo. Die große Nachfrage nach dem Ticket zeige, dass es den Wunsch vieler Verbraucher erfülle, günstig und einfach mit Bus und Bahn mobil zu sein, sagte Verbraucherschützer Kolbe. Das Ende des Deutschlandtickets würde einen Rückschritt für eine zukunftsfähige, nachhaltige und soziale Verkehrspolitik bedeuten, warnte er.
Auch Caritas-Präsidentin Eva-Maria Welskop-Deffaa plädierte für eine gesicherte Finanzierung. Das Angebot sei "ein zentraler Baustein für die Weiterentwicklung und Akzeptanz von Klimaschutz in der Mobilität". Alle demokratischen Fraktionen im Bundestag sollten nun versuchen, "im Dialog mit den Ländern eine rasche und langfristige Einigung zu erzielen", sagte Welskop-Deffaa. Sie sprach sich zudem für eine Erweiterung des Tarifs um ein kostengünstiges Kombiticket für Eltern mit kostenloser Mitreisemöglichkeit für ihre Kinder aus. Zusätzlich müsse der öffentliche Nahverkehr im ländlichen Raum ausgebaut werden.
Wissing: ÖPNV ist durch das Ticket attraktiver geworden
Konkret geht es um ein Gesetz, das die Finanzierung von Seiten des Bundes sicherstellt. Durch das Auseinanderbrechen der Koalition hängt es in der Schwebe, es ist unklar ob Union und FDP dem geänderten Regionalgesetz zustimmen werden.
Der inzwischen aus der FDP ausgetretene Verkehrs- und Justizminister Volker Wissing spricht sich für den Erhalt des Deutschlandtickets aus. "Ich rate davon ab, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Ticket wieder wegzunehmen", sagte er dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Der ÖPNV sei durch das Abo attraktiver geworden. Für ihn repräsentiere das Deutschlandticket die Art, wie er sich Politik wünsche, sagte Wissing: "Dass wir von den Bürgerinnen und Bürgern nicht einfach verlangen, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern, sondern ihnen ein Angebot machen, mit dem sie das auch tun können."
Krischer: Verabschiedung ist "eigentlich eine Formalie"
Derweil warten die Bundesländer mit zunehmender Unruhe auf die Entscheidung im Bundestag. "Wir brauchen in jedem Fall die Mittel vom Bund, deswegen ist es so wichtig, dass der Deutsche Bundestag jetzt noch die Änderung des Regionalgesetzes beschließt", sagte der Grünen-Politiker Oliver Krischer der tagesschau. Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister ist der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der Länder.
"Das Gesetz liegt im Bundestag", sagte Krischer. "Eigentlich ist es nur eine Formalie und parteiübergreifend in der Ministerpräsidentenkonferenz und der Bundesregierung zugesagt worden." Er sieht in der Blockade des Gesetzes "billigen Wahlkampf".
Söder möchte, dass der Bund alle Kosten trägt
Die Bemerkung Krischers dürfte vor allem in Richtung Union zielen. So hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Zukunft des Angebots am Dienstag infrage gestellt. "Wenn der Bund es nicht bezahlt, dann muss es fallen. Ganz einfach", so Söder. Er fordert, dass der Bund auch die 1,5 Milliarden Euro übernehmen müsse, die bislang die Länder zahlen sollen. Alleine Bayern koste das Deutschlandticket 400 Millionen Euro pro Jahr. "Wir halten diese Balance für falsch auf Dauer." Es brauche eine grundlegende Überarbeitung.
Auch andere Unionspolitiker haben deutlich gemacht, eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes nicht zu unterstützen. Darunter der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei. Er lehnt eine Unterstützung rot-grüner Gesetzesinitiativen wie dem Deutschlandticket ab. "Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich glaube, da müssen wir den Schwerpunkt setzen bei Investitionen in die Infrastruktur", sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenmagazin Politico.