NATO-Quote Mit Tricks zum Zwei-Prozent-Ziel
Die Bundesregierung feiert sich dafür, dass sie das Zwei-Prozent-Ziel der NATO in diesem Jahr erreicht hat. Doch ein Blick auf die Rechnung zeigt, dass zum Teil fragwürdige Posten dazugezählt wurden.
Mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts wird die Bundesregierung dieses Jahr für Verteidigung und Sicherheit ausgeben, die NATO hat schon dazu gratuliert. Ein Erfolg, so wird das in Berlin gesehen. Aber es ist ein Erfolg mit Einschränkungen - und einer, der mit Rechentricks erreicht wurde.
Zum regulären Einzelplan 14, dem Verteidigungshaushalt, der weit unter der magischen Grenze bleiben würde, rechnet der Verteidigungsminister dieses Jahr noch einen Großteil der Ausgaben aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen dazu. Da das Sondervermögen aber mit Ende des vergangenen Jahres so gut wie vollständig veranlagt ist, heißt das: Es wird schwer, nächstes Jahr wie versprochen noch einmal über die zwei Prozent zu kommen. Ab 2028 ist es so gut wie unmöglich.
Und sogar mit den Ausgaben des Sondervermögens bediente sich die Bundesregierung in diesem Jahr einiger Rechentricks, um die gewünschte NATO-Summe zu erreichen.
Es bleibt eine große Lücke
Man musste auf die rechnerisch wichtige Größe von etwa 86 Milliarden Euro - also etwa zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung - kommen. Knapp 52 Milliarden Euro beträgt der reguläre Verteidigungshaushalt, etwa 20 Milliarden wurden dieses Jahr aus dem Sondervermögen verausgabt. Da bleibt eine große Lücke. Die füllte die Bundesregierung augenscheinlich mit größeren Posten, auf die man so nicht ohne weiteres kommen würde.
Ein Papier aus dem Bundesfinanzministerium, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, zeigt, was man alles - nicht nur aus dem Fachgebiet des Verteidigungsministers - nach Brüssel gemeldet hat, um die Ausgaben für nationale Sicherheit nach oben zu rechnen. Der Anteil von Posten, der nicht aus dem Verteidigungsministerium selbst stammt, ist dabei auffällig hoch.
Andere Ministerien tragen zur Summe bei
Das Finanzministerium weist Zinszahlungen für vergangene Anschaffungen für die Bundeswehr aus, also für Panzer, Flugzeuge und Schiffe, die vor Arbeitsbeginn der aktuellen Bundesregierung angeschafft wurden. Das mag den Laien verwundern, denn die eigentlichen Investitionen sind zum Teil mehr als zehn Jahre her. Aber das, so sagt das Ministerium auf eine schriftliche Anfrage, "entspreche dem üblichen Verfahren".
Dass bei den fünf Milliarden Euro, die das Finanzministerium veranschlagt, augenscheinlich auch Zinsen für Rentenzahlungen oder Entwicklungshilfeausgaben eingerechnet sind, die nicht direkt als verteidigungsrelevant gelten können, macht den Posten noch fragwürdiger.
Wie dem Papier weiter zu entnehmen ist, werden auch Kindergeldzahlungen an Bundeswehrangehörige aus dem Bundesfamilienministerium in die Summe eingerechnet. Spätestens die Versorgungsleistungen für die ehemaligen Angehörigen der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR, die ebenfalls auf der Liste zu finden sind, muten absurd an. Wie die ex-NVA-Soldaten die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands aktuell erhöhen, bleibt ein Geheimnis des Finanzministeriums, das diese Ausgaben für die Meldung an die NATO notiert.
Zweifelhafte Rechenmethoden auch in anderen Ländern
Auch sogenannte Ertüchtigungsleistungen für die Ukraine werden aus verschiedenen Ressorts in die NATO-Quote eingerechnet: Entwicklungsministerin Svenja Schulze etwa trägt etwa eine Milliarde Euro zur Rechnung bei, denn ihr Ministerium rechnet die Mittel unter anderem für den Wiederaufbau in Krisen- und Kriegsgebieten hinzu. Als verteidigungsrelevant gelten der deutschen Bundesregierung auch die Krisenpräventionsausgaben aus dem Auswärtigen Amt und die Mitgliedsbeiträge der Bundesrepublik an die UNO.
Dass andere NATO-Mitgliedsländer seit Jahren zu zweifelhaften Rechenmethoden greifen, ist hinlänglich bekannt. Spanien rechnete einmal die Kosten der Feuerwehr von Madrid ein, Griechenland führte vor Jahren Pensionskosten von Militärangehörigen aus der Zeit der Diktatur auf.
Der CDU-Politiker Ingo Gädechens, der sich seit Jahren mit dem Wehretat beschäftigt, sieht die aktuelle Bundesregierung nicht weit von solchen Praktiken entfernt: "Die Bundesregierung versucht aktuell, ihre verteidigungspolitischen Defizite schönzurechnen, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO hat sie sich mit Ach und Krach zurechtgebogen. Jetzt lässt man sich loben, substanziell ist da aber nicht viel."