Bundeswehreinsatz in Mali Das Auslaufmandat
Das Bundeskabinett hat das Mandat für den Bundeswehreinsatz in Mali zum letzten Mal verlängert. Ende Mai 2024 soll dann Schluss sein. Was macht den Einsatz so schwierig?
Wenn einer Afghanistan-Vergleiche ziehen darf, dann Stabsfeldwebel Matze. Insgesamt vier Mal war der Soldat am Hindukusch im Einsatz, nun ist er für die Bundeswehr in Mali. Und er ist einer derjenigen, die regelmäßig für Patrouillen das geschützte Camp in Gao verlassen. "Komplett anders" seien die Ausfahrten hier, erzählt Matze. Das "mulmige Gefühl", mit dem er in Afghanistan regelmäßig hinausgefahren sei, habe er hier in Mali nicht.
In vielen Ortschaften werde er als Kommandant des Spitzenfahrzeugs freudig von Kindern begrüßt: "Wenn kleine Kinder um einen herum sind, ist für mich so ein Gefühl der Sicherheit da. Und dass die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, geringer ist." Szenen aus Mali, die eher an die noch hoffnungsfrohen Anfangsjahre des später so gefährlichen Afghanistan-Einsatzes erinnern.
Was nicht bedeutet, dass Mali komplett gefahrenfrei wäre: Erst im März war eine deutsche Patrouille beschossen worden. Im Juni 2021 wurden zwölf Bundeswehrsoldaten verletzt, als eine Autobombe in der Nähe eines Konvois der UN-Truppen explodierte.
Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Mission
Die Folgen erklärt der Kommandeur des Bundeswehr-Kontingents in Gao, Heiko Bohnsack, im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio: "Wir fahren so raus, dass wir immer so groß und unappetitlich sind, dass wir diese Gefährdungslage beherrschen können." Die Gefährdungslage nur schwer beherrschen kann hingegen die malische Zivilbevölkerung, die den sich ausbreitenden beiden Haupt-Terrorgruppen vom sogenannten "Islamischen Staat" und "Al Kaida" oft schutzlos ausgeliefert ist.
Verbessern wird sich die Sicherheitslage für die Einheimischen ganz sicher nicht, wenn die Deutschen nun im Juni offiziell mit dem Abzug beginnen und bis Ende Mai 2024 das Land endgültig verlassen haben. Die Hauptgründe für das Auslaufen des Einsatzes liegen ganz sicher nicht in der Gefährdung der Deutschen, sondern unter anderem in Zweifeln an der Sinnhaftigkeit der Mission.
Die Behörden in Mali verhindern etwa seit Monaten eine Flugerlaubnis für die deutschen Aufklärungsdrohnen. "Ich habe deutlich gemacht, dass die Möglichkeiten der Mission durch Entscheidungen, was das Fliegen von Drohnen und anderem angeht, nicht mehr in dem Maße möglich war, als dass ein Einsatz noch wirklich Sinn gemacht hätte", unterstrich Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seinem Mali-Besuch Mitte April.
"Ein völlig sinnloser Einsatz"
Hinzu kam: Nicht weit vom deutschen Camp in Gao, direkt am militärischen Flughafen, haben sich russische Wagner-Söldner eingenistet. Auf die setzt Malis Militärregierung nun beim Anti-Terror-Kampf. Ganz offensichtlich sind die russischen Kräfte auf Einladung Malis hier, bestätigt Kommandeur Bohnsack: "Wenn wir denen begegnen, dann winkt man sich freundlich zu", erzählt der Oberst. Eine Zusammenarbeit gebe es aus naheliegenden Gründen aber nicht.
Nun stellt man sich bei der Opposition im Bundestag die Frage: Wenn denn die Bedingungen so widrig sind - warum zieht man dann nicht gleich ab, sondern verlängert noch um ein Jahr? "Ein völlig sinnloser Einsatz" sei das - und ein gefährlicher noch dazu, kritisiert der CSU-Verteidigungspolitiker Florian Hahn im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Um geordnet aus Mali abzuziehen, brauche die Truppe ohnehin fast ein Jahr, entgegnet dem mittlerweile Verteidigungsminister Pistorius, der anfangs auch mit einem schnelleren Ende liebäugelte. Dass man von Seiten des Auswärtigen Amts gerne noch länger geblieben wäre, weil man sich um die Vertrauenswürdigkeit Deutschlands in der Welt sorgt, ist bei alldem kein Geheimnis.
Zivile statt militärische Hilfe
Was aber bedeutet der nun in Stein gemeißelte Terminplan mit dem Abzug bis Ende Mai 2024 der noch rund 1100 Bundeswehrsoldaten - so der Bundestag dem sogenannten "Auslaufmandat" zustimmt - für den Krisenstaat Mali? "Wir schließen ein Kapitel ab", versucht SPD-Politiker Pistorius zu beruhigen. Auf anderen Ebenen gehe die Zusammenarbeit aber weiter.
Genau das versucht Entwicklungsministerin Svenja Schulze, die kürzlich im Doppelpack mit Pistorius die Region besuchte, jetzt mit der sogenannten "Sahel-Plus-Initiative" zu untermauern, die sie heute auf den Weg bringt. Das bedeutet: In die zivile Hilfe sollen neben den Sahel-Staaten wie Mali und Niger künftig auch Küstenländer wie etwa der Senegal oder die Elfenbeinküste mit einbezogen werden.
Vor allem soll es darum gehen, jungen Leuten in der Landwirtschaft Jobs zu verschaffen und damit dem Gedeihen des Terrorismus in den Wüstenstaaten entgegenzuwirken. "Sollten sich staatsfreie Räume auf unserem afrikanischen Nachbarkontinent weiter ausbreiten, hätte das gravierende humanitäre Auswirkungen in der Region und könnte Europa mehr und mehr vor sicherheitspolitische Herausforderungen stellen", heißt es aus dem Ministerium von Svenja Schulze.
Trotz "Sahel Plus": Dass die Entwicklungszusammenarbeit im Krisenstaat Mali selbst parallel zum Bundeswehrabzug verringert wird, ist kein Geheimnis. Ob es also mit einem deutlich kleineren militärischen Fußabdruck als bisher gelingen kann, das Zusteuern der Schlüsselregion Sahel auf den Abgrund aufzuhalten, ist fraglich.