Bundesverfassungsgericht Grundsatzurteil zur Schuldenbremse erwartet
2022 steckte die Ampelkoalition 60 Milliarden Euro, die in der Corona-Krise nicht gebraucht wurden, in einen Klimafonds. Damit sei die Schuldenbremse umgangen worden, befand die Union und klagte. Fragen und Antworten zur Ausgangsituation.
Um welche Haushaltsgelder geht es?
Konkret geht es jetzt um 60 Milliarden Euro. Die hatte der Bundestag 2021 in der Corona-Pandemie bereitgestellt, um die Krise besser zu bewältigen. Das Geld wurde dann aber nicht gebraucht. Deshalb hat die Ampelkoalition die Milliarden 2022 in den "Energie- und Klimafonds" gesteckt - ein sogenanntes Sondervermögen, das mittlerweile den Namen "Klima- und Transformationsfonds" trägt und inzwischen mit über 210 Milliarden Euro ausgestattet ist.
Diese Gelder sollen unter anderem in ökologische Gebäudesanierung, Elektromobilität und neue Wasserstoff-Technologien fließen. Ebenso sollen sie für Investitionen in Mikroelektronik und Chipindustrie bereitstehen. Die Frage ist: Geht das so einfach - Gelder von der Corona-Krisenbewältigung zum Klimaschutz zu verschieben? Eigentlich gelten nämlich die Grenzen der Schuldenbremse. Für die Corona-Milliarden musste davon eine Ausnahme gemacht werden.
Was regelt die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse gibt es seit 2009, und sie steht im Grundgesetz. Sie soll dafür sorgen, dass Bund und Länder bei normaler Wirtschaftslage keine neuen Schulden machen, um zukünftige Generationen vor zu vielen Schulden zu schützen. Beim Bund ist dementsprechend nur noch eine Neuverschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zulässig.
Für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, gilt allerdings eine Ausnahme. In Notsituationen kann der Bundestag beschließen, die Kreditobergrenze zu überschreiten. So ist es in Artikel 115 Grundgesetz geregelt.
Eine solche "außergewöhnliche Notsituation" stellte der Bundestag im Jahr 2021 wegen der Corona-Pandemie fest. Auf dieser Grundlage wurden die Kreditermächtigungen für die Bewältigung der Pandemie um die 60 Milliarden Euro aufgestockt, die dann später in den Klimaschutz-Fonds geflossen sind.
Warum haben CDU und CSU geklagt?
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat gegen das Verschieben der 60 Milliarden in den Klimafonds geklagt. Ihr Argument: Dieses Verschieben der Gelder von der Corona-Krisenbewältigung zum Klimaschutz sei unzulässig. Denn: Für die 60 Milliarden Corona-Krisengelder musste ja extra die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt werden.
Die Corona-Krise war sicher so eine Notsituation, bei der die Schuldenbremse ausgesetzt werden könne. Aber die Klimakrise, meint die Unionsfraktion, sei eine langfristige Krise. Und die Bewältigung der Klimakrise müsse aus dem normalen Bundeshaushalt finanziert werden.
Wenn man die Corona-Krisen-Gelder einfach so auf die Klimapolitik umbuchen könne, dann sei das eine Art "Vorratswirtschaft" im Bundeshaushalt, so Mathias Middelberg, Fraktionsvize der Union im Bundestag. Damit würde die Ampel die Schuldenbremse umgehen. Und das sei verfassungswidrig.
Was ist rechtlich umstritten?
Karlsruhe urteilt zum ersten Mal zur Schuldenbremse. Das Urteil könnte ganz grundsätzliche Aussagen zum Schuldenmachen enthalten. Die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter müssen zweierlei berücksichtigen: Einmal die Schuldenbremse, die das Schuldenmachen begrenzen soll. Und dann der Gestaltungsspielraum der Politik, die in schweren Krisensituationen - Corona oder Krieg in der Ukraine - schnell mit viel Geld reagieren können muss.
Wie viel Spielraum hat die Politik in Notsituationen? Wie streng ist die Schuldenbremse? Darf sie nur für unmittelbare oder auch für langfristige Krisenfolgen ausgesetzt werden? Und welche Rolle soll das Bundesverfassungsgericht spielen, wenn es einen Bereich der Politik kontrolliert, der eben sehr von politischen und ökonomischen Wertungen abhängt? Das sind die Fragen, die das Karlsruher Urteil beantworten wird.
Interessant wird auch sein, welche Folgen das Urteil für andere Sondervermögen haben könnte. Weil diese neben dem üblichen Bundeshaushalt stehen, gab es schon bisher Kritik an dem Instrument des Sondervermögens. Diese seien nicht transparent genug, so ein Kritikpunkt.
Welche Folgen kann das Urteil haben?
Wenn das Bundesverfassungsgericht der Unionsfraktion recht geben sollte, gibt es verschiedenen Szenarien. Karlsruhe könnte feststellen, dass die Schuldenbremse verletzt wurde. Gleichzeitig könnte das Gericht aber die Milliarden unangetastet lassen, die im Sondervermögen bereits verplant sind.
Oder das Verfassungsgericht urteilt, dass die Ausstattung des Klimafonds mit den 60 Milliarden von Anfang an unzulässig war. In diesem Fall könnte das Urteil aus Karlsruhe schwere politische Folgen haben und zu Konflikten innerhalb der Ampelkoalition führen. Der Regierung könnten dann nämlich viele Milliarden für die Klimapolitik fehlen.