Kritik an Haushaltsentwurf "Lindner lebt die Schuldenbremse nicht"
Für seinen Haushaltsentwurf erntet Finanzminister Lindner reichlich Gegenwind: Während etwa der CDU-Politiker Braun versteckte Schulden kritisierte, sprach der Sozialverband AWO von einem "zappendusteren" Sozialstaat.
Bundesfinanzminister Christian Lindner, der heute den Haushaltsentwurf für 2024 in den Bundestag einbringt, hat den meisten Ministerien das Sparen verordnet. Damit will er die Schuldenbremse einhalten. Doch sein Etatvorschlag sorgt für heftige Kritik seitens der Opposition sowie politischer und sozialer Verbände - einigen geht er zu weit, anderen nicht weit genug.
So warf der CDU-Politiker Helge Braun, Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Bundestages, Lindner und der Ampelkoalition vor, mit einer Ausweitung von Schattenhaushalten vermeintlichen Sparwillen zu verschleiern. Braun sprach im Deutschlandfunk von 29 großen Schattenhaushalten wie Sondervermögen. Die wirkliche Neuverschuldung sei damit fünfmal höher als im Haushaltsentwurf angegeben. "Das ist einfach zu viel", kritisierte Braun. "Christian Lindner sagt immer die richtigen Worte zur Schuldenbremse, aber lebt sie nicht", hielt der frühere Kanzleramtschef dem Bundesfinanzminister und FDP-Chef vor.
Kritik vom Bund der Steuerzahler
Ähnlich argumentierte auch der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. Auch wenn laut dem Etat die Neuverschuldung bei 16,6 Milliarden Euro und damit etwa 30 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr liegen soll, werde die Netto-Kreditaufnahme des Bundes 2024 deutlich darüber hinausgehen, kritisierte Holznagel. In Sondervermögen seien etwa weitere Schulden und milliardenschwere Ausgabenprogramme versteckt. So etwa im Sondervermögen Bundeswehr.
"Statt immer neue Subventionen zu beschließen, muss die Ampel ein umfangreiches Aktionsprogramm bieten, das solide Perspektiven für den Staatshaushalt sowie Betriebe und Bürger aufzeigt", mahnte Holznagel. Die Schuldenbremse müsse dauerhaft eingehalten werden, forderte er. "Deshalb ist es falsch, ständig neue Wege zu suchen, die Schuldenbremse zu umgehen."
Bundesrechnungshof warnt vor "Rechtsbruch"
Mit Blick auf das Sondervermögen Bundeswehr und die damit verbundenen Pläne, den Verwendungszweck auszuweiten, warnte der Bundesrechnungshof die Ampelkoalition vor Rechtsbruch. "Die vorgesehene Ausweitung läuft dem vom Verfassungsgesetzgeber mit dem Sondervermögen verfolgten Zweck zuwider", heißt es in einem vertraulichen Bericht der Rechnungsprüfer an den Haushaltsausschuss des Bundestags, aus dem die Agentur AFP zitiert.
Hintergrund ist, dass die Bundesregierung aus dem 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögen nicht mehr nur besonders große Rüstungsprojekte finanzieren will, sondern die Mittel auch zur Finanzierung laufender Ausgaben einsetzen möchte. Sie strebe einen "flexibleren Einsatz der Mittel des Sondervermögens" an, schreibt der Bundesrechnungshof. Damit wären die ursprünglichen Ziele des Sondervermögens "gefährdet". Über den Bericht des Rechnungshofs hatte zunächst der "Spiegel" berichtet.
Kürzungen im Sozialbereich
Kritik an den Einschnitten etwa im Sozialbereich, der Jugendhilfe oder der politischen Bildungsarbeit kam von entsprechenden Verbänden. So verlangte der Sozialverband Arbeiterwohlfahrt (AWO), den Etatentwurf grundlegend zu verändern. Wenn die Haushaltspläne nicht geändert würden, werde es im Sozialstaat wortwörtlich "zappenduster", warnte AWO-Präsident Michael Groß. Konkret kritisiert die AWO Kürzungen bei Freiwilligendiensten, wodurch 35.000 Plätze gefährdet seien. Zudem stehe wegen der Einschnitte "jede dritte Migrationsberatungsstelle vor dem Aus".
"Auch bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, der psychosozialen Betreuung von Geflüchteten und der Demokratieförderung an Schulen bedrohen die Kürzungen zahlreiche Angebote und Einrichtungen", kritisierte der Sozialverband.
"Verheerendes Zeichen" für Kinder- und Jugendhilfe
Das Deutsche Kinderhilfswerk nannte die geplanten Kürzungen im Familienministerium ein "verheerendes Zeichen". "Der geplante Haushalt des Familienministeriums wird zu harten Einschnitten vor allem in der Kinder- und Jugendhilfe führen", erklärte Verbandspräsident Thomas Krüger. Er verwies konkret auf geplante Kürzungen beispielsweise bei den Maßnahmen der Integrations- und Migrationsforschung sowie beim Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit, beim Bundesfreiwilligendienst oder den "Kahlschlag bei den Zuschüssen für Familienferienstätten". All dies dürfe "nicht realisiert werden", forderte Krüger.
Als "Wortbruch" bezeichnete der Deutsche Gewerkschaftsbund die Kürzungen bei der politischen Bildungsarbeit. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack wies darauf hin, dass die Koalition in ihrem Vertrag eine "bedarfsdeckende Ausstattung des Kinder- und Jugendplans und eine Stärkung von politischer Bildung und Demokratiebildung" vorgesehen habe. Hannack kritisierte insbesondere die Kürzung im Etat des Bundesfamilienministeriums für den Kinder- und Jugendplan um 18,6 Prozent und die Kürzung im Budget der Bundeszentrale für politische Bildung um 21 Prozent. Es wäre ein "verheerendes Signal, wenn die Bundesregierung ausgerechnet jetzt an der Zukunft der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung sparen will", sagte Hannack der Agentur AFP.
Etat von 445,7 Milliarden Euro
Der Bund will im kommenden Jahr 445,7 Milliarden Euro ausgeben - das sind rund 30 Milliarden weniger als in diesem Jahr vorgesehen. In den Vorjahren gab es viele krisenbedingte Ausgaben vor allem wegen der Corona-Pandemie und der Energiekrise. Nun soll auf einen Einsparkurs umgeschwenkt werden. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die in Teilen von SPD und Grünen umstritten ist, soll unbedingt eingehalten werden. Sie erlaubt eine Nettokreditaufnahme in einem nur sehr begrenzten Umfang.