Klage zu Bundestagsausschüssen Warum die AfD in Karlsruhe scheiterte
Die AfD hat laut Bundesverfassungsgericht keinen automatischen Anspruch darauf, die Stelle eines Vorsitzenden in Ausschüssen des Bundestages zu besetzen. Warum wurden die Klagen abgewiesen?
Zwei Klagen hatte die Bundestagsfraktion der AfD beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Mit der einen wollte sie durchsetzen, dass auch sie Vorsitzende in den Fachausschüssen des Bundestages stellen darf. Normalerweise ist es üblich, dass jede Fraktion einen solchen Posten besetzen darf. Doch die AfD-Fraktion kam bisher kaum zum Zug.
Eine der wenigen Ausnahmen war ihr Rechtspolitiker Stephan Brandner, der zwei Jahre lang Vorsitzender des Rechtsausschusses war. Nach mehreren umstrittenen Äußerungen wurde er von der Mehrheit der Ausschussmitglieder aber wieder abgewählt. Auch dagegen hatte die AfD-Fraktion geklagt.
Grundsatz der Gleichbehandlung
Beide Klagen wurden nun zurückgewiesen. In seinem Urteil stellt das Gericht fest: Grundsätzlich kann jede Bundestagsfraktion verlangen, dass sie genauso behandelt wird wie die anderen auch. Deshalb könne eine Fraktion verlangen, dass sie in allen Ausschüssen mit ihren Mitgliedern vertreten ist - und zwar gemessen an ihrer Stärke im Bundestag. Dabei gelte der Grundsatz der Gleichbehandlung.
Dieser strenge Grundsatz gelte aber nicht für Funktionen, bei denen es vor allem ums Organisieren geht, etwa die Vorbereitung einer Sitzung, um die sich ein Ausschussvorsitzender kümmern muss.
Wahlen verfassungsrechtlich nicht beanstandet
In ihrer Klage hatte die AfD-Fraktion auch kritisiert, dass die Ausschussvorsitzenden - anders als früher - seit ein paar Jahren gewählt werden. In der Geschäftsordnung des Bundestages sind solche Wahlen bisher nicht explizit geregelt. Paragraf 58 der Geschäftsordnung legt lediglich fest, dass die Ausschüsse ihre Vorsitzenden "bestimmen". Daraus leitete die AfD-Fraktion ab, dass ihr das Recht zustehe, Vorsitzende ohne Wahlen aus ihren Reihen benennen zu dürfen.
Es sei verfassungsrechtlich aber nicht zu beanstanden, wenn die Vorsitzenden von den Ausschussmitgliedern mehrheitlich gewählt werden, so Doris König, Vizepräsidentin des Gerichts und Vorsitzende des Zweiten Senats:
Bei einer solchen Wahl kann es sich nur um eine freie Wahl handeln. Denn der mit einer Wahl einhergehende legitimatorische Mehrwert könnte nicht erreicht werden, wenn es eine Pflicht zur Wahl einer bestimmten Person gäbe. Die Mitwirkung einer Fraktion bei der Besetzung der Ausschussvorsitze ist folglich darauf beschränkt, dass sie einen Kandidaten für die Wahl vorschlagen kann und dass die freie Wahl ordnungsgemäß durchgeführt wird.
Die AfD-Fraktion habe jedenfalls nicht das Recht, Vorsitzposten aus ihren Reihen ohne Wahlen einfach zu besetzen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist es also verfassungsrechtlich zulässig, wenn eine Fraktion bei der Besetzung dieser durchaus wichtigen Posten leer ausgeht - solange dies nicht evident sachwidrig ist und sie nicht willkürlich benachteiligt wird.
Abwahl Brandners zulässig
Auch die Abwahl des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses im Jahr 2019 sei zulässig gewesen. Nach dem Urteil gilt der Grundsatz: Wenn ein Vorsitzender gewählt werden darf, darf er auch wieder abgewählt werden - etwa, wenn er Vertrauen verspielt hat.
Anlass für die Abwahl waren mehrere Äußerungen des AfD-Politikers, die für Furore sorgten. So hatte Brandner das Bundesverdienstkreuz für den AfD-kritischen Sänger Udo Lindenberg als "Judaslohn" bezeichnet - ein Begriff, der als judenfeindliche Beschimpfung eine lange Tradition hat. Außerdem hatte Brandner umstrittene Aussagen im Netz nach dem Attentat von Halle weiterverbreitet - etwa die Frage, warum Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen "herumlungern".
Auch deshalb sei seine Abwahl gerechtfertigt gewesen, so die Senatsvorsitzende König: "Die Mehrheit der Ausschussmitglieder hatte erkennbar das Vertrauen in den Ausschussvorsitzenden und seine Fähigkeit zur amtsangemessenen Amtsführung verloren. Eine gedeihliche und effektive Zusammenarbeit im Ausschuss war damit aus ihrer Sicht nicht mehr möglich."
Stephan Brandner, der heute in Karlsruhe anwesend war, meinte, er sei nicht sonderlich überrascht vom Urteil. Aus seiner Sicht werden mit der Entscheidung die Rechte der Opposition im Bundestag deutlich geschwächt. "Der Ausschussvorsitz unterliegt jetzt immer der Gnade der Mehrheit, der Regierungsmehrheit. Und das stärkt die Parlamentsrechte weiß Gott nicht."
Politiker der Ampelkoalition begrüßten dagegen das Urteil. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Johannes Fechner meinte, im Deutschen Bundestag dürfe kein Platz für rechte Hetze sein. Brandner habe durch seine Äußerungen die Zusammenarbeit mit juristischen Verbänden massiv belastet. "Die Ausschussvorsitze sind zu wichtig, als dass wir sie mit unqualifizierten Personen besetzen können."