Deutschland und Syrien Kein Neustart mit Assad
Die Arabische Liga hat Syriens Machthaber Assad die Rückkehr auf die Weltbühne geebnet. Ein Schritt, mit dem nicht nur die deutsche Außenministerin hadert. Ein Neustart mit Assad? Eher nicht.
Syriens Machthaber Bashar al-Assad werden schwerste Kriegsverbrechen vorgeworfen: Giftgaseinsätze gegen die eigene Bevölkerung, Bombardierungen von Schulen und Krankenhäusern. Trotzdem ist er nun zurück auf der diplomatischen Bühne.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warnte bei ihrem Besuch in Saudi-Arabien vergangene Woche vor einer "bedingungslosen Normalisierung" im Umgang mit Assad. Ihr war anzumerken, wie sie damit hadert, dass die Arabische Liga den syrischen Diktator offiziell wieder in die Runde aufnimmt. Wenn Assad für täglich schwerste Menschenrechtsverletzungen auch noch belohnt werden würde, wäre das kontraproduktiv, drückte die Grünen-Politikerin es diplomatisch aus.
Kampf gegen Drogenschmuggel
Offiziell ist nicht bekannt ist, ob Syriens Rückkehr in die Liga an Bedingungen geknüpft ist. Gegenleistungen dürften aber erwartet werden.
Eine Bedingung könnte zum Beispiel die Eindämmung des Drogenschmuggels aus Syrien sein. Das Land ist zur Drehscheibe für die Produktion und den Export der synthetischen Droge Captagon geworden. In den Drogenhandel ist dem Auswärtigen Amt zufolge das syrische Regime verstrickt - und profitiert davon. Gerade hat die EU deshalb ein neues Sanktionspaket zu Syrien beschlossen.
Das stark abhängig machende Amphetamin wird in den arabischen Nachbarländern häufig konsumiert. Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, glaubt aber nicht, dass Syriens Wiederaufnahme in die Arabische Liga am Captagonhandel etwas ändert. "Assad ist ein Drogenhändler erster Güte. Das ist für die jungen Leute in der arabischen Welt ein Riesenproblem", so Hardt.
Was heißt das für Syrien-Flüchtlinge?
Ein weiterer Knackpunkt: Die arabischen Nachbarn Syriens, besonders der Libanon, wollen, dass die Geflüchteten nach Syrien zurückkehren. Das könnte auch für Deutschland von Interesse sein. Hunderttausende Menschen sind seit Beginn des Bürgerkriegs 2011 nach Deutschland geflohen. Immer noch stellen sie hierzulande die größten Gruppe der Asylbewerber.
Aber diplomatische Beziehungen mit Assad aufnehmen, um Geflüchtete zurückzuschicken? Hardt lehnt das ab: "Das wäre ein ganz fauler Deal auf dem Rücken der Menschen." Wenn Assad nicht einen kompletten Kurswechsel seiner Politik vornehme, sei nicht zu erwarten, dass die Menschen in Syrien sicherer wären als hier. Mit anderen Worten: Eine baldige Rückkehr der nach Deutschland geflüchteten Syrer und Syrerinnen sieht der CDU-Politiker nicht.
Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, kann sich momentan ebenfalls keine diplomatischen Beziehungen mit Syrien oder Aufbauhilfe für das Land vorstellen. Solange Hunderte Menschen verschwunden blieben, die Opposition unterdrückt werde und Assad keine Anstalten mache, einen politischen Prozess zur Versöhnung der Gesellschaft herbeizuführen, sei der Wiederaufbau Syriens mit westlicher finanzieller Unterstützung undenkbar, so der SPD-Politiker.
Linkspartei gegen Syrien-Sanktionen
Etwas anders sieht das die Linksfraktion. Deren Vorsitzende Amira Mohammed Ali fordert, die EU-Sanktionen gegen Syrien müssten beenden werden: "Sie schaden vor allem der Bevölkerung und sorgen für große Armut im Land." Außerdem hätten die Sanktionen nicht dazu geführt, dass Syriens Machthaber gestürzt worden sei, meint Ali. Zum Wohl der Bevölkerung müsse die Bundesregierung wohl oder übel einen diplomatischen Weg mit Assad finden.
Um das Wohl der syrischen Bevölkerung geht es auch Lamya Kaddor. Sie sitzt für die Grünen im Bundestag, ihre Eltern stammen aus Syrien. Assad hat die Leben vieler Menschen zerstört, sagt Kaddor: "Wenn ich auf meine Verwandtschaft blicke, die sind in den letzten zwölf Jahren des Krieges dreißig, vierzig Jahre gealtert, und zwar nicht nur äußerlich." Der Krieg habe sehr, sehr deutliche Spuren hinterlassen.
Die Grünen-Politikerin kann sich nicht vorstellen, dass der syrische Machthaber je ganz rehabilitiert wird. Die Hälfte der syrischen Bevölkerung sei vor dem Diktator aus dem Land geflohen. Aus Angst vor Assad wollen sie laut Kaddor auch nicht zurückkehren. Die arabischen Nachbarländer mögen ein berechtigtes Interesse haben, ihn wieder zurückzuholen. "Sie sagen sich: Wir wissen ja nicht, wer nach Assad käme", so Kaddor. Dann sei es einfacher, mit jemanden in der Nachbarschaft zu verhandeln, den man schon kennt.
Ein Neustart der deutschen Beziehungen mit Syrien unter Assad ist gegenwärtig nicht absehbar, eine Verbesserung der Lage der Syrer und Syrerinnen auch nicht. Und darum müsse es vor allen Dingen gehen, findet die Deutsch-Syrerin.