Plenarsitzung im Deutschen Bundesrat
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analyse

Abstimmung für Finanzpaket Einmütige Debatte im Bundesrat

Stand: 21.03.2025 16:31 Uhr

Auch wenn im Bundesrat nur befürwortende Stimmen zu hören waren, ließen die Appelle der Länderchefs tief blicken. Etwas muss zwischen Bund und Ländern schon länger ziemlich schiefgelaufen sein.

Eine Analyse von Corinna Emundts, tagesschau.de

Selten hatte der Bundesrat so viel Aufmerksamkeit für eine Debatte wie für die anstehende Grundgesetzänderung zur politisch umstrittenen Schuldenbremse. Doch verglichen mit der Bundestagsdebatte zum gleichen Gesetzesvorhaben verlief die Debatte im Bundesrat kurz und knapp - und kaum kontrovers.

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Bundesrat stimmt Grundgesetzänderung zur Lockerung der Schuldenbremse zu

Dominic Hebestreit, ARD Berlin, tagesschau, 21.03.2025 20:00 Uhr

Die Zweidrittelmehrheit hatte sich im Vorfeld abgezeichnet. Das lag auch daran, dass einige Länderchefs von Union und SPD in den Sondierungsgesprächen von Unions-Verhandlungsführer Friedrich Merz beteiligt waren.

Dort wurde die Grundgesetzänderung schließlich nach der Bundestagswahl ausgeheckt, um deutlich mehr finanziellen Spielraum für Sicherheit und Infrastruktur zu haben. Zudem enthielt die Rednerliste nur jene Parteien, die auch auf Bundesebene für einen Kompromiss gesorgt hatten - nämlich CDU, CSU, SPD und Grüne.

So ergab die Abstimmung am Ende statt der für eine Grundgesetzänderung notwendigen Zweidrittelmehrheit sogar eine satte Dreiviertelmehrheit mit rund 77 Prozent der Stimmen. Da blieb für die derzeitige Bundesratsvorsitzende Anke Rehlinger nur, auf die "Einmütigkeit" nicht nur im Abstimmungsverhalten, sondern auch der Redebeiträge hinzuweisen - unabhängig von der Parteifarbe.

Zusammensetzung des Bundesrats

"Handeln statt Verzetteln"

Etwa, dass es eine Staatsreform brauche, Verfahrensbeschleunigung und deswegen Geld allein nicht reiche: Es gehe jetzt um zügige Umsetzung, um "Handeln statt Verzetteln".

"Wir brauchen jetzt eine übergreifende Machermentalität und keine Miesmacherlaune", so Rehlinger, die als SPD-Ministerpräsidentin im Saarland ohne Koalitionspartner regiert.

Die Zeit der "sich verselbständigenden Streiterei" müsse vorbei sein, forderte sie und war damit an dem Tag nach Manuela Schwesig schon die zweite SPD-Ministerpräsidentin, die das betonte. Nachträglich wird hier nebenbei deutlich, wie sehr die Länder während der SPD-geführten Ampelkoalition im Bund unter den zunehmenden inhaltlichen Blockaden gelitten haben müssen.

Vernichtende Urteile

Es fiel auf, wie deutlich und oft wortgleich die Bundesratsmitglieder Appelle an eine künftige Bundesregierung richteten, egal welches Parteibuch sie hatten. Besonders bemerkenswert aber waren die einmütig vernichtenden Urteile über den Zustand der Republik.

Das darf seitens der Länder auch als Fundamentalkritik an den jüngeren Bundesregierungen verstanden werden. Und als Appell: Kommt endlich aus der Berliner Blase raus, schaut auf unsere Nöte! Man könne es den Bürgerinnen und Bürgern auch nicht erklären, weshalb Geld für Waffen an die Ukraine da sei, aber nicht für Brücken, Straßen, Kitas und Krankenhäuser, so die vielfach geäußerte Botschaft.

Es läuft schon lange etwas schief

Kritische Töne kamen allenfalls von den Grünen - am Verfahren. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann äußerte dazu ein "erhebliches Störgefühl", weil es unter anderem die Unabhängigkeit der Länder-Haushaltsführung antaste. Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur bemängelte unter anderem, dass die Länder "keine abgesicherte Möglichkeit der Einflussnahme" hätten, wofür die Sondervermögen konkret ausgegeben würden.

Ein paar Schlüsselbegriffe wie der Investitionsstau im Land, die marode Infrastruktur oder fehlende Planungsbeschleunigung fielen so häufig, dass man sich unwillkürlich fragt, wer eigentlich in den vergangenen Jahrzehnten im Bund regiert hat. Es waren stets CDU oder SPD, die hier im Bundesrat nun auch die Mehrheit der Rednerinnen und Redner stellen. So zeigte diese Debatte auch deutlich, dass schon lange etwas zwischen Bund und Ländern schiefgelaufen sein muss.

Am Marktplatz vor dem Rathaus in Schönebeck sind Absperrungen für Bauarbeiten aufgebaut.

CDU-Politiker forderten Reform der Schuldenbremse

Auffallend war auch, wie deutlich gerade CDU-Politiker wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein für das zweite Finanzpaket warben, das zusätzlichen Investitionen in Infrastruktur von Straßenbau bis Klimaschutz gewidmet ist. "Es war unser gemeinsames Drängen", sagte Kretschmer im Bundesrat.

Ihm dankte später CSU-Ministerpräsident Markus Söder für die Verhandlungen. Das Paket sei ja nicht von Anfang an selbstverständlich gewesen. Eine Anspielung auf CDU-Kanzlerkandidat Merz, der dem Vernehmen nach anfangs davon weniger überzeugt war als von einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Zugleich hatten CDU-Länderchefs wie Kretschmer und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner bereits im November 2023 öffentlich eine Reform der Schuldenbremse angemahnt.

Einblicke in das politische Gefüge

Wer im Bundesrat nicht sprach, waren die vier Länder, die sich bei der Grundgesetzänderung enthielten: Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Der Grund liegt auf der Hand: Auch diese Regierungschefs gehören zwar den federführenden Parteien CDU und SPD an, die die Finanzpakete und Grundgesetzänderungen vorangetrieben hatten. Sie mussten sich aus Rücksicht auf ihre Koalitionspartner FDP oder BSW für ihr Bundesland aber enthalten. In Worte kleiden wollten sie die Minderheitenmeinung, die nicht die ihre war, wohl jedoch nicht.

Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt behalf sich als CDU-Mitglied, indem er noch am Morgen der Abstimmung im Deutschlandfunk öffentlich für die Grundgesetzänderung plädierte: Das sei bei Sicherheit, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit eine "Art Unabhängigkeitserklärung für Deutschland". Man sei in der Koalition unterschiedlicher Meinung, arbeite aber im Land gut zusammen.

Anders verhielten sich die Regierungsmitglieder bei der Linkspartei im Vorfeld der Abstimmung: Als Koalitionspartnerin der SPD in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gehören sie zu den Befürwortern des schuldenfinanzierten Finanzpakets, obwohl ihre Partei im Bundestag dagegen gestimmt hatte.

So bot die rund anderthalbstündige Bundesratsdebatte Einblicke in das politische Gefüge der Republik. Behalten die Bundesländer diese Einmütigkeit bei, wird die Länderkammer wohl ein erheblicher Machtfaktor für eine mögliche schwarz-rote Bundesregierung und einen möglichen Bundeskanzler Merz sein.

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Silas Schwab, ARD Berlin, tagesschau, 21.03.2025 16:53 Uhr