Akademie für Bevölkerungsschutz Nix los auf dem Dänholm
Eigentlich sollte die neue Akademie für Bevölkerungsschutz auf dem Dänholm längst fertig sein. Doch der Bau auf der Ostseeinsel hat noch nicht einmal begonnen. Was ist da los? Und warum eigentlich der Dänholm?
Das Grundstück für die Akademie steht immerhin schon fest. Geplant sind laut Stralsunder Stadtverwaltung die Hiddenseer Straße 7 und die westlich anschließenden Freiflächen. Das Gelände liegt nur 50 Meter von der Ostsee entfernt und wird in einem weiten Bogen von einem Wäldchen umgeben. Ein Sportplatz und ein großer Plattenbau der Bundespolizei begrenzen es im Süden.
In der Akademie sollten schon ab diesem Jahr bis zu 10.000 Teilnehmer jährlich in den Bereichen Krisenmanagement, Katastrophenschutz, Notfallplanung und Zivilschutz aus- und fortgebildet werden. Diesen Zeitplan verkündete zumindest 2021 der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU). Er hatte wenige Tage vor der Bundestagswahl die Entscheidung für den Dänholm gemeinsam mit Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) bekannt gegeben.
Große Pläne: Der 2021 beschlossene Standort auf Dänholm sollte bereits fertig sein.
Wer soll eigentlich bauen?
Doch anderthalb Jahre später ist vom neuen Schulungsstandort noch nichts zu sehen. Stralsund warte auf konkrete Angaben, wann genau es mit der Akademie weitergeht, sagt ein Sprecher der Hansestadt dem MDR. Offen ist auch, ob die Stadt selbst oder der Bund die Akademie baut. Im zweiten Fall würde dann die Bau- und Liegenschaftsverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern den Auftrag erhalten. Doch dort liegt bisher kein Planungsauftrag vor, so eine Sprecherin auf Anfrage.
Ähnliche Antworten gibt es von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Die wäre für die Vorgaben zum Bau der Akademie zuständig. Aktuell gibt es jedoch noch nicht einmal einen Erkundungsauftrag vom dafür zuständigen Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BBK). Dabei sei dieser Erkundungsauftrag überhaupt erst der "Startschuss für die Suche nach einem zusätzlichen Standort der Akademie für Bevölkerungsschutz", schrieb eine BImA-Sprecherin dem MDR.
Kein zügiger Baubeginn in Sicht
Laut BBK und Bundesinnenministerium gibt es noch keine Entscheidung über einen Baubeginn auf dem Dänholm. Aktuell werde noch geprüft, wie wirtschaftlich der Standort auf der kleinen Insel sei und wie die Akademie finanziert werden könne. Mit Ergebnissen sei im Laufe der kommenden Legislaturperiode zu rechnen. Die beginnt 2025.
Mit einem zügigen Baubeginn rechnet auch Ingo Schäfer nicht. Der SPD-Politiker und Berufsfeuerwehrmann ist Mitglied im Innenausschuss des Bundestages. "Da fehlen nach meiner Kenntnis mindestens 100 Millionen Euro, um das Bauprojekt umzusetzen. Die habe ich bisher noch nirgendwo im Haushalt ausgewiesen gesehen", sagte Schäfer. Der Haushalt des Bundes für 2024 wird voraussichtlich Anfang des Sommers beschlossen.
Bund sieht erheblichen Schulungsbedarf
Bis zu 225.000 Personen "bis zur untersten kommunalen Ebene" müssen aus Sicht der Bundesregierung für den Katastrophenfall aus- und weitergebildet werden. Das steht in einer Antwort vom Ende des vergangenen Jahres auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion. Laut Bundesregierung ist das ein "erheblicher Schulungsbedarf", der vor allem von der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ) zu tragen ist.
Dieser Bedarf kann allerdings am bisher einzigen Standort der Akademie in Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz nicht annähernd gedeckt werden. Der Ort, der im Sommer 2021 schwer von der Hochwasserkatastrophe getroffen wurde, ist zudem vom Norden und Osten her schwer zu erreichen.
Der Verzug am zweiten geplanten Standort in Ostdeutschland ist daher aus Sicht von Leon Eckert ein echtes Problem. Er ist Berichterstatter für Bevölkerungsschutz für die Grünen-Fraktion im Bundestag. "Über die ganze Republik verteilt habe ich so natürlich weniger Leute, die vorbereitet sind. Damit ist die Wahrscheinlichkeit strukturell höher, dass es im Ernstfall jemanden erwischt, der nicht vorbereitet ist. Und das wird erstmal so bleiben", sagt er. Der Abgeordnete nennt das Beispiel des ehemaligen Landrates im Kreis Ahrweiler. Dem Mann wird vorgeworfen, in der Flutnacht falsch reagiert zu haben. Er hatte vorher noch keine Schulung an der BABZ gemacht.
"Auf dem letzten Platz der Vorschlagsliste"
Schon bei der Vergabe des weiteren Standortes gab es eine Menge Unmut. Der zusätzliche Akademiestandort sollte möglichst gut an Autobahnen und das ICE-Netz angebunden und von Berlin und den Landeshauptstädten im Norden und Osten innerhalb von drei Stunden erreichbar sein. In der Nähe sollten sich Innenstadt, Geschäfte und Gastronomie befinden. Zudem sollte die Akademie möglichst ohne Neu- und Umbauten innerhalb von zwei Jahren bezugsfähig sein.
Das waren vier der wichtigsten Auswahlkriterien, die das Innenministerium für die Standortsuche zusammengestellt hatte. Diese Anforderungen sollten einen schnellen Start der Akademie sicherstellen. Auf dem Dänholm trifft nichts davon zu - das ist nun sicher.
16 Bewerbungen aus Ostdeutschland gingen für den zusätzlichen Akademiestandort beim Innenministerium ein. Darunter war auch eine aus dem sächsischen Eilenburg. Die Stadt im Nordosten von Leipzig schlug das riesige Verwaltungsgebäude des ehemaligen Chemiewerkes als neuen Standort vor. Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg wiederum bewarb den nahen Standort Heyrothsberge, an dem bereits das Institut für Brand- und Katastrophenschutz steht.
Mit Blick auf die Anforderungsliste des Innenministeriums konnten sich die Bewerber aus Eilenburg und Magdeburg durchaus Hoffnungen machen. Doch am Ende fiel die Entscheidung auf die Insel vor Stralsund. "Der Dänholm wurde damals auf der Vorschlagsliste des Bundesinnenministeriums auf dem letzten Platz geführt", sagte Ingo Schäfer.
Ist das Projekt noch zeitgemäß?
Dennoch soll am Dänholm festgehalten werden. Das ist aktuell die einzige, halbwegs belastbare Aussage, die bei Nachfragen zum neuen Akademie-Standort von Beteiligten immer wieder zu hören ist. "Ich glaube nicht, dass die Standortfrage noch mal aufgemacht wird", sagte Schäfer.
Unklar ist, ob es zusätzlich doch noch weitere, kleine Akademiestandorte im Osten Deutschlands geben wird. Für so einen deutlich weniger zentralen Ansatz wirbt Leon Eckert. Viele Fortbildungsformate würden inzwischen digital abgehalten, sagt der Grünen-Politiker. Die Pläne für einen Neubau für 100 Mitarbeiter seien damit auch nicht mehr zeitgemäß. "Ich würde es begrüßen, zusätzlich zur Zentrale der BABZ in Bad Neuenahr und einem ausgeweiteten Onlineangebot kleinere Ausbildungszentren in Süd-, Nord- und Ostdeutschland zu eröffnen", sagt er. Damit wären möglicherweise auch einige der 16 Bewerber für den Standort im Osten wieder im Rennen.