Antisemitisches Flugblatt Aiwanger hat Söders 25 Fragen beantwortet
25 Fragen hatte Bayerns Ministerpräsident Söder seinem Vize geschickt, um die Vorwürfe um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten aufzuklären. Am Abend lieferte Aiwanger die Antworten - jetzt ist Söder am Zug.
In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt hat Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger Fragen von Ministerpräsident Markus Söder zu den Vorwürfen schriftlich beantwortet. Seine Antworten wurden am Abend übermittelt. Die Staatskanzlei bestätigte den Eingang. Über den Inhalt ist noch nichts bekannt.
Aus CSU-Kreisen hieß es laut Nachrichtenagentur dpa, Aiwangers Antworten würden nun "in Ruhe" ausgewertet. Söder hatte auf eine schnelle Beantwortung der 25 Fragen gedrängt und gesagt, es dürften keine Restzweifel bleiben. Er muss nun entscheiden, wie weiter verfahren werden soll und ob er Aiwanger entlässt. Denn schon am 8. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.
Aiwanger spricht von "Hexenjagd"
Aiwanger geht derweil in die Offensive. Der "Bild am Sonntag" sagte er, bei seinen Wählern sei "die Empörung über diese Kampagne" groß. "Ich habe mich für Fehler von mir entschuldigt. Wir müssen uns jetzt wieder der Tagesarbeit für unser Land widmen können", erklärte er. Wenn diese "Hexenjagd" nicht aufhöre, werde niemand mehr in die Politik oder in andere Führungspositionen gehen, "aus Angst, dass seine Vergangenheit auf jeden schlechten Witz hin durchleuchtet wird".
Söder fordert "umfassende und glaubwürdige" Beantwortung
Am Freitagmorgen hatte der Ministerpräsident den Druck noch einmal erhöht. "Für mich ist wichtig, dass die 25 Fragen jetzt umfassend und glaubwürdig beantwortet werden - und zwar zeitnah", sagte er. "Zeitnah heißt, am besten noch heute." Dem kam Aiwanger am Freitagabend nach.
Am Donnerstag hatte sich Aiwanger erstmals für mögliche Fehler in seiner Jugendzeit entschuldigt. Seine Entschuldigung gelte "zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit". Zugleich sprach er angesichts der Vorwürfe erneut von einer politischen Kampagne gegen ihn und seine Partei.
"Selten fliegen Dinge von ganz allein in einen Rucksack"
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kritisierte Aiwangers Umgang mit den Vorwürfen. Er finde es problematisch, "dass direkt in einem Atemzug mit dieser Entschuldigung wieder das Thema kommt, dass er das Ganze als eine Kampagne gegen sich sieht", sagte Schuster am Freitagabend im ZDF "heute journal". Aiwanger scheine eine Verbindung zu dem Pamphlet zu haben - "denn selten fliegen Dinge von ganz allein in einen Rucksack".
Das Problem sei für ihn nicht das Flugblatt, erklärte Schuster, das im Raum stehe - auch wenn Aiwanger offensichtlich in einem seltsamen Umfeld aufgewachsen sei. "Aber es geht doch vielmehr darum, dass ich erwartet hätte, dass er sich sofort umfassend davon distanziert. Und es hat schon recht lange gedauert, bis er sich gestern Abend zu dieser Entschuldigung durchgerungen hat."
Gabriel stellt sich hinter Aiwanger
Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel stellte sich dagegen hinter Aiwanger. "Warum sollen junge Neonazis aus der rechtsextremistischen Szene aussteigen, wenn sie am Beispiel Hubert Aiwanger erleben, dass man auch 35 Jahre später noch für den Wahnsinn der eigenen Jugend öffentlich gebrandmarkt wird?", schrieb Gabriel auf der Online-Plattform X, bislang als Twitter bekannt. Dann könnte man sich "die ganzen Aussteigerprogramme sparen".
FDP-Fraktion fordert Transparenz
Was Aiwanger auf die Fragen Söders geantwortet hat, ist noch nicht bekannt. Auch die Fragen, die die Staatskanzlei an den Chef der Freien Wähler geschickt hatte, waren nicht veröffentlicht worden. Das müsse sich jetzt schnell ändern, fordert die oppositionelle FDP im Landtag. Es dürfe kein exklusiver Briefwechsel zwischen CSU und Freien Wählern sein, sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Martin Hagen. "Transparenz ist hier ganz wichtig, damit das Vertrauen in die Staatsregierung keinen nachhaltigen Schaden nimmt. Deshalb erwarte ich, dass Ministerpräsident Söder die Fragen und Antworten zeitnah öffentlich zugänglich macht."
Freie Wähler halten an Aiwanger fest
Ungeachtet der nicht ausgeräumten Vorwürfe hält seine Partei an Aiwanger fest. "Die Freien Wähler und Hubert Aiwanger lassen sich nicht voneinander trennen", sagte Generalsekretärin Enders der "Welt am Sonntag". Sie fügte hinzu: "Den Freie-Wähler-Landtagswahlkampf ohne Hubert Aiwanger an der Spitze wird es nicht geben, auch wenn das der CSU vielleicht besser gefallen würde."
Die Stimmung unter Wählern und an der Basis gebe diesem Kurs recht, sagte Enders. Seit vergangenem Montag seien bei der Partei jeden Tag Mitgliedsanträge "im zweistelligen Bereich" eingegangen.