Aktuelle Stunde im Bundestag Ampel und Union attackieren AfD scharf
Vertreter von Ampel und Union gehen mit der AfD hart ins Gericht. Deren Beteiligung an einem Geheimtreffen Rechtsextremer in Potsdam zeige das wahre Gesicht der Partei, so der Tenor der aktuellen Stunde im Bundestag.
Das vom Recherchenetzwerk Correctiv enthüllte Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam, an dem auch AfD-Vertreter teilgenommen hatten, schlägt weiter hohe Wellen: Bei einer aktuellen Stunde im Bundestag riefen Politiker von Ampel und Union dazu auf, jetzt die Demokratie in Deutschland gegen Rechtsextreme zu verteidigen.
Die in Potsdam debattierten Pläne zur massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zeigten deutlich, dass die AfD "Millionen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft aus diesem Land vertreiben will", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil - eben weil diese Menschen "nicht dem völkischen Weltbild der AfD" entsprächen. Es mache aber Mut, dass derzeit Zehntausende gegen diese Pläne auf die Straße gingen. Diese Menschen seien "stärker als die AfD", so Klingbeil weiter.
"Sie nennen sich Patrioten, aber sie verachten unsere Demokratie"
Auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann wandte sich scharf gegen die AfD: "Mit dem Geheimtreffen in Potsdam werden die barbarischen Pläne einer massenhaften Deportation klar und offensichtlich für alle", sagte Haßelmann. Den AfD-Abgeordneten warf sie vor, genauso zu denken wie die Teilnehmenden dieses Treffens: "Sie nennen sich Patrioten, aber sie verachten unsere Demokratie und ihr vielfältiges Gesicht", sagte die Grünen-Politikerin. Sie rief dazu auf, überall die Demokratie vor deren Feinden zu schützen, ob am Arbeitsplatz oder im Supermarkt.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, forderte ein konsequentes Vorgehen gegen "Angriffe auf die Grundlage des Staates", machte aber zugleich die Ampel-Regierung mitverantwortlich für die Schwächung demokratischer Institutionen: "Ich finde es richtig, mit aller Klarheit, aller Konsequenz diese schlimmen Umtriebe als das zu brandmarken, was sie sind", sagte der CDU-Politiker mit Blick auf das Potsdamer Treffen. Weiter sagte er jedoch, die hohen Umfragewerte für die AfD hingen "entscheidend damit zusammen, dass 80 Prozent der Menschen nicht glauben, dass diese Regierung eine Politik macht, die gut für unser Land ist".
Die AfD selbst nannte die Kritik eine "Diffamierung unserer Partei". Das Land verlassen sollten Migrantinnen und Migranten, "die keinen Schutzanspruch haben", sagte deren Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann. Er sprach von "Millionen kulturfremder Asylanten", die nach Deutschland strömen würden.
Faeser verspricht harte Maßnahmen
Innenministerin Nancy Faeser versprach im Bundestag heute ein hartes Vorgehen des Staates gegen Rechtsextreme und ihre Ideologie. "Was wir hier sehen, ist nicht geschichtsvergessen, sondern verfolgt bewusst NS-Ideologien", sagte Faeser.
Dass AfD-Politiker an dem Treffen beteiligt waren, zeige, "wie sehr diese Partei damit verbunden ist und diese Ideologie billigt." Politik und Rechtsstaat müssten dem "hart entgegentreten", forderte die Innenministerin. Auch sie begrüßte, "dass dieser Tage Menschen auf die Straßen gehen, um unsere Demokratie auch aktiv zu verteidigen und für die Werte unserer Verfassung einzustehen".
Tausende im ganzen Land auf der Straße
Seit dem Wochenende hatten nach den Enthüllungen über das Geheimtreffen Zehntausende in verschiedenen Städten für Demokratie und gegen die AfD demonstriert. Auch in den kommenden Tagen sind bundesweit zahlreiche Demonstrationen geplant, etwa in Stuttgart, Halle, Erfurt, Dortmund und Karlsruhe.
Eine für morgen in Hamburg geplante Kundgebung kann allerdings nicht wie geplant auf dem Platz vor dem Rathaus stattfinden, weil dort die AfD kurzfristig eine Fraktionssitzung anberaumt hat. Dadurch komme das Hamburger Bannkreisgesetz zum Tragen, das Versammlungen und Demonstrationen in einem Umkreis von 350 Metern um das Rathaus verbietet, sagte eine Sprecherin der Hamburgischen Bürgerschaft.
Die Organisatoren der Kundgebung "Hamburg steht auf - Gemeinsam gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke", der Verein "Unternehmer ohne Grenzen", die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland und der DGB Hamburg, verlegten die Demonstration daraufhin auf den nahegelegenen Jungfernstieg. Sie erwarten rund 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Man gehe davon aus, dass das Vorgehen der AfD die Entschlossenheit der Zivilgesellschaft nur stärken werde, hieß es in einer Stellungnahme. Die Beteiligung der AfD an dem Geheimtreffen zeige einmal mehr, dass sie die Demokratie verachtet."
Correctiv mit neuen Enthüllungen
Das Medienhaus Correctiv enthüllte unterdessen weitere Details über das Treffen in Potsdam. Laut Correctiv soll dort der früher in der rechtsextremistischen "Identitären Bewegung" aktive Mario Müller über seinen "Kampf gegen die Linke" gesprochen haben. Müller ist Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt.
Müller bestätigte der Nachrichtenagentur dpa, dass er bei dem Potsdamer Treffen am 25. November 2023 anwesend war und dort "über journalistische Recherchen zum Thema Linksextremismus gesprochen" habe. Mehrere konkrete Vorwürfe aus der Correctiv-Recherche wies Müller allerdings zurück - so lehne er etwa Gewalt als politisches Mittel ab. AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla sieht dennoch Klärungsbedarf. "Ich werde das Gespräch mit Jan Wenzel Schmidt suchen", teilte Chrupalla auf Anfrage mit.
An dem Treffen am 25. November in einer Potsdamer Villa hatten mehrere AfD-Politiker teilgenommen sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion. Der frühere Kopf der rechtsextremen "Identitären Bewegung" in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen.
Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. In der Folge trennte sich die AfD von Parteichefin Weidels Referent Roland Hartwig, der an dem Treffen teilgenommen hatte.