Hebamme hört Herztöne ab.

Spahn kündigt Reform an Ein Bachelor für Hebammen

Stand: 17.10.2018 16:37 Uhr

Wer in Deutschland künftig Hebamme werden will, muss studieren. Dies will Gesundheitsminister Spahn jetzt durchsetzen und damit eine EU-Richtlinie umsetzen. Die Hebammen haben das schon länger gefordert.

Die Geburtshilfe soll nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ein akademischer Beruf werden. Statt in Hebammenschulen sollten Hebammen und Entbindungspfleger künftig in einem dualen Studium auf den Beruf vorbereitet werden. Duale Studiengänge sollen Vorlesungen und Seminare an einer Hochschule mit praktischer Arbeit verknüpfen. Die Studierenden erwerben am Ende des Studiums einen Bachelor-Abschluss.

"Hebammen helfen vielen Menschen ins Leben, jeden Tag, dafür braucht es eine gute Ausbildung, theoretisch und praktisch", sagte Spahn. Die Anforderungen an Geburtshilfe stiegen ständig, weil auch die Lebensbedingungen insgesamt komplexer geworden seien. "Wir haben die Situation, dass immer mehr Geburten sehr früh stattfinden, das braucht eine besondere Aufmerksamkeit", sagte der Bundesgesundheitsminister. Frauen gebären heute häufig mit größeren Risiken, weil sie beispielsweise älter sind als früher oder weil bestimmte Vorerkrankungen heute kein Grund mehr sind, auf Kinder zu verzichten.

Reform bis 2020 laut EU-Richtlinie

Spahn setzt damit eine EU-Richtlinie um, nach der die Ausbildung für das Berufsfeld bis zum Januar 2020 reformiert sein muss. Die Umsetzung ist auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Vorgegeben von der EU sind zwölf Jahre Schulbildung mit dem Abschluss mindestens eines Fachabiturs und die Vermittlung von genauen wissenschaftlichen Inhalten aus den Bereichen Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Allgemeinmedizin und Pharmakologie. Deutschland ist das letzte EU-Land, in dem diese Kriterien bislang nicht erfüllt werden. Derzeit gibt es lediglich in einigen deutschen Städten solche Studiengänge als Pilotprojekte.

Der Deutsche Hebammenverband begrüßte die Äußerungen Spahns. Er plädiert schon länger für eine akademische Ausbildung. "Der Hebammenberuf hat sich in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt und Hebammen arbeiten sehr eigenständig", erklärte der Verband weiter. "Eine bestmögliche Ausbildung durch ein Studium ist deshalb notwendig und gewährleistet auch zukünftig eine hohe Qualität in der Geburtshilfe." Es müsse einen raschen Start der Neuregelungen und eine gut gestaltete Übergangszeit geben. Bisher dauert die Ausbildung drei Jahre, Voraussetzung ist ebenfalls ein Abitur. Sie umfasst theoretischen und praktischen Unterricht in staatlich anerkannten Hebammenschulen und an Krankenhäusern.

Hebammenfachschule

In Deutschland werden Hebammen und Entbindungshelfer in Fachschulen ausgebildet.

"Bessere Bezahlung, mehr Hebammen"

Auch Mechthild Groß, Professorin des bislang einzigen Masterstudiengangs Hebammenwissenschaft in Deutschland, ist "hoch erfreut", dass jetzt die Vollakademisierung für diese vergleichsweise kleine Berufsgruppe von etwa 24.000 Hebammen in Deutschland kommt. "Das war längst überfällig, denn schon jetzt führen Hebammen Tätigkeiten aus, die berufsrechtlich mindestens einen Bachelor erfordern."

Sie erwartet eine Aufwertung des Hebammenberufs, der künftig auch mit einer besseren Bezahlung einhergehen dürfte. Zumindest überall dort, wo Hebammen in einem Angestelltenverhältnis sind. "Die wenigen bestehenden Studiengänge in Deutschland haben schon jetzt einen großen Zuspruch und es ist zu erwarten, dass durch die Vollakademisierung die Zahl der neuen Hebammen künftig wächst", sagt Groß im Gespräch mit tagesschau.de. Denn vermutlich wird es mehr Studienplätze geben als bislang Plätze an Hebammenschulen vorhanden sind.

"Längst überfällig"

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, erklärte: "Es ist gut, dass sich Gesundheitsminister Spahn endlich um die Hebammenausbildung kümmern will." Es bleibe nicht mehr viel Zeit, da die Vorgaben für die akademische Ausbildung dann auch noch in jeweiliges Landesrecht umgesetzt werden müssten.

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Kirsten Kappert-Gonther bezeichnete die Akademisierung der Hebammenausbildung als "überfällig". Die Bundesregierung habe die Reform "jahrelang vertrödelt", jetzt dürfe es kein halbherziger Schnellschuss werden. Die Expertise erfahrener Hebammen müsse in die akademische Ausbildung einfließen. Spahn müsse für bessere Arbeitsbedingungen in den Kreißsälen sorgen. "Zudem muss dringend die Vergütung für natürliche Geburten angehoben werden", forderte sie.

In Deutschland mangelt es seit vielen Jahren an Hebammen. Viele gaben ihren Job auf, da sie die hohen Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung mit ihrem niedrigen Gehalt nicht mehr zahlen konnten. Für Schwangere ist es deshalb immer schwieriger geworden, eine Hebamme zu finden. Die Versicherungsproblematik wird durch den Spahn-Vorstoß allerdings nicht berührt. Hierfür gibt es seit 2016 einen Sicherstellungszuschlag, der die Prämiensteigerungen zumindest ein wenig auffangen soll.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 17. Oktober 2018 um 07:30 Uhr.