Haftpflicht für Hebammen soll weiter steigen Geburtshilfe wird für viele zu teuer
Hebammen schlagen Alarm: Erneut soll ihre Haftpflichtversicherung steigen - ab Juli 2014 um 20 Prozent. Besonders betroffen sind freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe leisten. Ihre Situation wird sich weiter verschärfen.
Steigende Haftpflichtversicherungen - dieses Problem kennen Hebammen schon lange. In den vergangenen zehn Jahren stieg der Beitrag für jene, die Geburtshilfe anbieten, nach Angaben des Hebammenverbandes von rund 450 Euro jährlich auf aktuell 4240 Euro. Diese hohen Versicherungsbeiträge treffen selbstständige Hebammen, die nicht nur die Betreuung vor und nach der Geburt übernehmen, sondern auch die Geburt selbst betreuen - als Beleghebammen im Krankenhaus, in Geburtshäusern oder bei der Hausgeburt.
Füße eines Neugeborenen: Nicht alle Schwangeren, die eine Hebamme suchen, finden eine.
Nun soll der Beitrag für die Haftpflichtversicherung bis zum Juli 2014 um weitere 20 Prozent steigen. Damit müssten in der Geburtshilfe tätige, selbstständige Hebammen im kommenden Jahr über 5000 Euro für ihre Haftpflicht bezahlen. Der Versicherungsmakler Securon habe eine weitere Steigerung für das Jahr 2015 angekündigt, teilte der Hebammenverband mit. Da nur noch ein Versicherungskonsortium diese Gruppenhaftpflichtprämie anbiete, seien die Hebammen von diesem Angebot abhängig.
Für viele Hebammen werde die Geburtshilfe damit unbezahlbar, fürchtet der Hebammenverband. Schon jetzt leisten die meisten freiberuflichen Hebammen keine Geburtshilfe mehr, sondern übernehmen lediglich die Betreuung der Schwangeren vor und nach der Geburt. Laut einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit aus dem Jahr 2012 sank die Zahl der freiberuflichen Hebammen, die Geburtshilfe leisten, von 2008 bis 2010 von 25 auf 21 Prozent.
Aber auch selbständige Hebammen, die keine Geburtshilfe anbieten, sind von der Beitragserhöhung betroffen. Laut Hebammenverband liegt die Prämie derzeit bei 362 Euro pro Jahr. Ab Juli 2014 müssen sie 435 Euro zahlen.
Nicht alle Schwangeren, die eine Hebamme suchten, fänden auch eine. Sie müssten "viele Schwangere abweisen", schreibt Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes. "Diese Situation wird sich mit der Haftpflichterhöhung im nächsten Jahr nochmals verschärfen."
In Deutschland gibt es schätzungsweise rund 18.000 Hebammen. Nur ein Teil davon ist fest angestellt, etwa in Kliniken. 60 Prozent arbeiten freiberuflich, wobei das Gros gar keine Geburten mehr betreut. Viele bieten nur noch Schwangerschaftsvorsorge und Wochenbett-Betreuung für Frauen an.
Hebammen verdienen ohnehin schon wenig. Die Studie des Bundesgesundheitsministeriums ermittelte einen durchschnittlichen Gewinn vor Steuern von jährlich etwa 24.000 Euro für freiberufliche Hebammen, die Vollzeit arbeiten. Kommt die Erhöhung, müssen die Hebammen, die Geburtshilfe leisten, in Zukunft etwa ein Fünftel ihres Gewinns vor Steuern alleine für die Haftpflichtversicherung ausgeben.
Und die Aussichten, dass die höheren Prämien durch eine höhere Vergütung ausgeglichen werden, sind gering. Zwar verhandeln Hebammenverbände und der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) derzeit wieder miteinander. Doch der Verband lehnt es ab, allein wegen der gestiegenen Versicherungsprämien die Vergütung zu erhöhen. Anna Marini, stellvertretende Pressesprecherin des GKV-Spitzenverbandes, sagt, es könne "keinesfalls" sein, dass die gesetzlichen Krankenkassen automatisch die Mehrforderungen eines gewinnorientierten Versicherungsunternehmens übernähmen. "Dann wäre beliebigen Prämiensteigerungen Tür und Tor geöffnet."
Warum die Haftpflichtversicherung steigt
Als Ursache für die steigende Versicherung nennt "Securon"-Geschäftsführer Bernd Hendges mehrere Gründe. Erstens seien die Kosten für sogenannte Personenschäden in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Kommt ein Kind durch einen Fehler der Hebamme bei der Geburt zu Schaden, muss die Versicherung Schadensersatz zahlen. Diese Summe setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen - zum Beispiel aus den Kosten für die Therapie des Kindes und seine Pflege. Und die, sagt Hendges, würden immer teurer: "Sie steigen jedes Jahr um neun Prozent." Das geschädigte Kind wird vielleicht niemals Geld verdienen, es zahlt nicht in die Rentenversicherung ein und muss Schmerzensgeld für sein Leiden bekommen. Auch das wird ausgerechnet. Da gehe es schnell um Millionenbeträge.
Die Folge sei, dass die meisten Versicherer sich aus diesem unsicheren Geschäft zurückzögen. Es gebe aktuell in Deutschland nur zwei Haftpflichtversicherungsangebote für Hebammen, so Hendges. Eine Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums aus dem Jahr 2012 kommt hingegen zu einem anderen Schluss. Die Versicherungsbeiträge stiegen, weil es einfach mehr Unfälle bei Hausgeburten gebe, "die von dem vergleichsweise kleinen Versichertenkollektiv der Hebammen getragen werden müssen". Martina Klenk vom Hebammenverband fordert darum einen Staatsfond, der die Versicherer bei sehr teuren Versicherungsfällen unterstützt.
Petition für die Wahlfreiheit von Frauen bei der Geburt
Werden Schwangere in Zukunft noch die Wahl zwischen verschiedenen Formen der Geburt haben? Dafür setzt sich Anke Bastrup ein. Die zweifache Mutter und Schriftstellerin fordert, dass die Politik eingreift. In ihrer Online-Petition für eine bessere Vergütung der Hebammen fordert sie Rahmenbedingungen, die es jeder Frau ermöglichen, sich weiterhin frei zu entscheiden.
"Es gibt Hebammen, die erzählen, sie würden ihrem Beruf nur noch aus Hingabe nachgehen, leben könnten sie davon nicht. Einige gehen nach Feierabend putzen, andere, die voll im Beruf stehen, bekommen Hartz IV. Ich habe dafür keine Worte", sagt sie in einem Interview. Über 80.000 Menschen haben ihre Petition unterschrieben, die sie Anfang des Monats in Berlin dem SPD- Gesundheitsexperten Karl Lauterbach überreichte. Der versprach sich in den Koalitionsgesprächen persönlich dafür einzusetzen.
Auch der Gesundheitspolitiker der Union, Jens Spahn, schrieb auf Facebook: "Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig. Wir werden daher die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen im Speziellen beobachten und für eine angemessene Vergütung sorgen - ist so, bleibt so und kommt auch in den Koalitionsvertrag." Eine Absichtserklärung. Bernd Hendges glaubt ihr nicht. Ähnliches, sagt er, habe er schon oft gehört.