Steinmeiers Weihnachtsansprache "Vertrauen wir auf uns"
Bundespräsident Steinmeier ruft in seiner Weihnachtsansprache zu mehr Mut und Miteinander auf. "Weiter kommen wir nur gemeinsam. Und nicht, wenn sich jeder in seine Lebenswelt zurückzieht", so das Staatsoberhaupt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußert in seiner Weihnachtsansprache Verständnis dafür, dass sich viele Menschen von Nachrichten abwenden. Er verstehe, wenn einige am liebsten vor der Wirklichkeit in Deckung gehen wollen. "In diesem Jahr hat sich die Welt in der Tat von ihrer dunklen Seite gezeigt. Wir haben Bilder von Leid und Zerstörung gesehen. Bilder von Hass und Gewalt."
Sehnsucht nach einer friedlicheren Welt
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine gehe in den zweiten Winter. Dazu komme seit Herbst der Krieg im Nahen Osten. "Wir alle haben Sehnsucht nach einer friedlicheren Welt. Ich habe sie auch. Und ich finde, wir dürfen sie nie aufgeben." Weihnachten sei eine Zeit, in der man zur Ruhe kommen und die anstrengende Welt ein wenig von sich fernhalten könne.
"Das wünsche ich Ihnen heute und in diesen Tagen. Dass sie die Tür hinter sich zu machen und die Zeit mit ihren Liebsten genießen können. Dass Ihnen die Zeit der Ruhe über Weihnachten guttut, sie tief durchatmen und Kraft tanken können."
Gegen Wut, Verachtung und einfache Antworten
2023 habe in Deutschland viele offene Fragen hinterlassen. Manch einer schaue skeptisch auf Staat und Politik. Mit Blick auf das nächste Jahr ruft der Bundespräsident zu mehr Einsatz für die Demokratie auf. "Sie als Bürgerinnen und Bürger dürfen erwarten, dass Demokraten zusammenarbeiten, wo es um das Gemeinsame geht. Viele haben das vermisst. Manche wenden sich ab. Andere schimpfen auf alles und jeden."
Aber wenn es anstrengend in der Demokratie werde, gebe es bessere Ratgeber als Wut und Verachtung. "Auch bessere als diejenigen, die so tun, als gebe es immer die eine einfache Antwort auf die Fragen der Zukunft."
Dank an alle, die an den Feiertagen arbeiten
Steinmeier wünscht sich mehr Gemeinsinn, mehr Miteinander, mehr Mitgefühl in der Gesellschaft. Er dankt denjenigen, die an den Feiertagen arbeiten - auf der Polizeiwache, bei der Feuer- und Bundeswehr, in der Seelsorge, in den Kliniken und sozialen Einrichtungen. "Es gibt Millionen Menschen wie Sie, die sich entschieden und beherzt für andere einsetzen. (…) Und diese Menschen sind es, die mir Mut machen. Sie bringen Wärme in unser Land. Sie alle stärken, was uns verbindet. Deshalb ist mir um die Zukunft nicht bange."
Der Bundespräsident erinnert in seiner Rede auch an die bevorstehenden Feierlichkeiten im kommenden Jahr: 75 Jahre Grundgesetz und Demokratie. Auf die Verfassung könne dieses Land stolz sein. "Sie schützt und würdigt jeden einzelnen Menschen. Das ist viel, aber noch nicht alles. Sie bietet das stabile Gerüst, in dem sich Politik entfalten kann, und wenn nicht nötig, sich auch korrigieren kann." Das sei etwas, dass nur die Demokratie könne. "Machen wir uns doch öfter bewusst. Deutschland ist ein gutes Land."
"Ziehen wir uns nicht die Decke über den Kopf"
Steinmeier will auch Mut machen, sich nicht zurückzuziehen, sondern sich den Herausforderungen gemeinsam zu stellen. "In diesem Sinne verschließen wir uns nicht voreinander. Ziehen wir uns nicht die Decke über den Kopf, verschwenden wir nicht unsere Kraft im täglichen Gegeneinander, sondern vertrauen wir der Stärke und der Erfahrung, die in uns steckt. Vertrauen wir auf uns."
Die Weihnachtsansprache von Bundespräsident Steinmeier wird heute Abend im Ersten um 20.10 Uhr ausgestrahlt.