Verkehrsplanung Wenn der Radweg im Nichts endet
Wer mit dem Rad unterwegs ist, kennt das: Radwege enden im Nichts oder an einer Bundesstraße, Pendlerrouten gleichen einem Flickenteppich - von wegen Fahrradland Deutschland. Woran hakt es?
Es führt ein Weg nach Nirgendwo - oder zumindest endet er abrupt an einer stark befahrenen Landstraße. Dabei ist der Radweg zwischen Lambsheim und Gerolsheim in der Pfalz kein Jahr alt, aber eben nicht vollständig. Es fehlen 200 Meter bis zum Ortseingang über einen Wirtschaftsweg. An der Stelle steht eine Warnbake: Weiterfahren nicht gestattet.
Radwege, die im Nichts enden, Radwegenetze, die einem Flickenteppich gleichen, Pendlerradrouten, die nur zu einem Bruchteil ausgebaut sind - Alltag für Radfahrer, nicht nur in Rheinland-Pfalz. Dabei gewinnt das Fahrrad als Verkehrsmittel zunehmend an Bedeutung. Mehr als 80 Prozent der Deutschen fahren Rad, und zwar nicht nur in der Freizeit. Laut Fahrrad-Monitor 2021 nutzten 21 Prozent der Berufstätigen das Rad auf dem Weg zur Arbeit, bei Auszubildenden sogar 27 Prozent.
12.000 Kilometer Radwege
Der neue Nationale Radverkehrsplan der Bundesregierung will das Fahrradfahren weiter fördern - also mehr Menschen zum Umsteigen aufs Rad bewegen, mehr Sicherheit für Radfahrende, bessere Infrastruktur schaffen. Dazu sieht er unter anderem Finanzhilfen für Radschnellwege und Zuschüsse für den Ausbau des Radnetzes Deutschland vor, das bislang rund 12.000 Kilometer umfasst. Radwege entlang von Bundesstraßen werden vom Bund finanziert, für die Infrastruktur vor Ort sind aber Länder und Kommunen zuständig. Besonders viele Kilometer Radstrecken gibt es in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Auch die rheinland-pfälzische Landesregierung setzt aufs Rad - zumindest rhetorisch. "In einem guten und klugen Verkehrsmix ist das Fahrrad nicht mehr wegzudenken", sagte FDP-Verkehrsministerin Daniela Schmitt im Mai im Landtag. Der Radverkehr sei längst ein bedeutender Faktor für Wirtschaft und Tourismus. Reine Theorie, konterte die Opposition, tatsächlich komme der Ausbau der Infrastruktur kaum voran.
Signal an Pendler
Verkehrsexperte Roland Trapp von der Uni Trier sieht durchaus das Bemühungen der Landesregierung und vieler Kommunen, den Radverkehr zu fördern. "Das Land räumt dem Thema über seinen Landesbetrieb Mobilität durch eigene Radplanerteams eine höhere Priorität ein", sagt Trapp. "Zuvor war Radwegeplanung oft nur Anhängsel der Kfz-Straßenplanung. Angesichts des Fachplanermangels ist das schon bemerkenswert."
Die Planung sogenannter Radpendlerrouten als ein Signal an Pendler, die gesundheits- und umweltfreundliche Alternative auszuprobieren, gehöre dazu. "Allerdings werden hier kaum neue Kilometer Radwege geschaffen, sondern lediglich vorhandene Strecken mit hohem Pendlerpotenzial beschildert, markiert und die gröbsten Defizite entlang der Strecke verbessert", so Trapp.
Alles andere als rasant
Radpendlerrouten sind in einem Radentwicklungsplan der rheinland-pfälzischen Ampelregierung vorgesehen. Sieben dieser Radschnellwege soll es geben, das Pilotprojekt ist die Strecke Mainz-Bingen. Noch ist erst ein kleines Teilstück der 31-Kilometer-Route fertig gestellt, gerade mal 1,8 Kilometer. Für den Rest laufen Planungen und Genehmigungen.
Es ist ein kompliziertes Unterfangen, schließlich handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt von Land und Kommunen. Die Machbarkeitsstudie hat das Land finanziert, es fördert auch kommunale Bauabschnitte mit bis zu 90 Prozent. Hier liegt die Planung bei den Kommunen, die sich dazu mit dem Landesbetrieb Mobilität abstimmen. Beispiel Bingen: Hier gilt es, einen neuralgischen Punkt zu entschärfen - eine stark frequentierte Kreuzung, an der Autofahrer und Radfahrer aufeinander treffen.
"Es werden bessere Ein- und Ausfädelungen für den Radverkehr im Bereich des Knotenpunkts geschaffen", erklärt Michael Kloos von den Stadtwerken Bingen. Bessere Sicht, bessere Beschilderung, bessere Kennzeichnung der Pendlerradroute - viele kleine Maßnahmen, die von der Stadt durchgeführt werden müssen. Noch liege man im Zeitplan, ob die zugesagten 340.000 Euro als Zuschuss ausreichten, könne man noch nicht sagen.
Angesprochen auf potenzielle Konflikte zwischen Autofahrern und Radfahrern antwortet Kloos: "Unabhängig von der Funktion als Pendlerradroute kann es auf einer Verkehrsanlage immer zu Konflikten kommen - durch die hier sehr verschiedenen Nutzer sind sie durch gegenseitige Rücksichtnahme und Einhaltung der für jeden geltenden Verkehrsregeln vermeidbar."
Mut zur Veränderung, wenn auch nur schrittweise
Künftige Konflikte, die auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) sieht. Grundsätzlich begrüßt er den Ausbau der Radschnellverbindungen. "Das Problem ist, dass die Pendlerradrouten im Gegensatz zu den Radschnellverbindungen nur mit einem Mindeststandard hergestellt werden, etwa mit Blick auf die Breite der Fahrbahnen", bemängelt Rolf Pinckert, Vorsitzender des ADFC Mainz-Bingen.
Der Hintergrund: Für die Pendlerrouten können bestehende Wege genutzt werden, das ist kostengünstiger und einfacher in der Genehmigung als Planung und Bau komplett neuer Strecken, so das Verkehrsministerium.
Ein Punkt, den der Trierer Verkehrsexperte Trapp unterstreicht: "Verkehrsplanung ist wegen der hohen Baukosten und -zeiten ein eher träges Geschäft. Etwas neu Gebautes wird frühestens nach zwei, drei Jahrzehnten revidiert und geändert. Als Planer schafft man also Fakten für lange Zeit."
Vor allem in ländlichen Regionen sei die vorhandene Infrastruktur jedoch von jahrzehntelanger Kfz-konformer Verkehrsplanung geprägt. "Insofern stehen wir seit ein paar Jahren vor der Aufgabe, den wachsenden Willen zur Veränderung in viele kleine Schritten umzusetzen. Das kommt erst in Schwung", sagt Trapp.
Vom Nirgendwo ins Nachbardorf?
Schwung kommt demnächst wahrscheinlich auch in die Sache mit dem Radweg ins Nirgendwo kurz vor Lambsheim. Der Landesbetrieb Mobilität teilt auf Nachfrage mit: "Die derzeitige Situation ist leider unbefriedigend, da die Radfahrer von Lambsheim kommend gezwungen sind, vor der L 520 auf die Fahrbahn zu wechseln, um auf den Wirtschaftsweg in Richtung Gerolsheim zu gelangen. Wunsch der Gemeinde ist es, den Weg anzuheben. Die Planung hierfür liegt in Zuständigkeit der Verbandsgemeinde Leiningerland."
Und dort, so hört man, werde das Projekt vorangetrieben. Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein - vielleicht.