Gaza-Proteste an Unis "Versammlungsfreiheit ist das Recht auf Dissens"
Seit einigen Wochen gibt es Protestcamps gegen den Gazakrieg an deutschen Hochschulen. Einige Professoren verteidigten in einem Brief das Recht, zu protestieren. Warum?
"Die Studierenden haben das Recht zu protestieren", sagt Michael Barenboim in seinem Statement zum Auftakt. "Und sie haben Recht, zu protestieren." Damit stellt sich Barenboim, Professor für Ensemblespiel und Violine an der Barenboim-Said-Akademie, klar auf die Seite derjenigen, die in den vergangenen Wochen Proteste gegen den Gazakrieg an deutschen Universitäten veranstaltet haben.
Barenboim, Sohn des Dirigenten Daniel Barenboim, lässt keinen Zweifel daran, auf welcher Seite er steht. Die Militäroperation im Gaza-Streifen: "eines der größten Verbrechen unserer Zeit", wie er sagt. Er wolle den Grund für die Proteste aufzeigen: "die vernichtende Gewalt in Gaza", die "15.000 getötete Kinder" hervorgebracht habe. Die Zahl stammt von der Hilfsorganisation Roter Halbmond.
Umstrittene Zeltlager
Was in Barenboims Statement nicht vorkommt, ist der Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 mit etwa 1.200 Todesopfern. Damit deckt sich seine Argumentation mit der vieler Protestierender an deutschen Universitäten.
An Universitäten in Berlin, München, Frankfurt und weiteren Städten hatte es zuletzt pro-palästinensische Zeltlager gegeben - von den Veranstaltern als Demonstration bezeichnet. In Berlin hatte vor knapp zwei Wochen ein Brief für Aufregung gesorgt, in dem Angestellte von Berliner Hochschulen gefordert hatten, dass die Camps nicht polizeilich geräumt werden sollten.
Um ihre Sicht auf die Dinge vorzutragen, haben die Professoren den Hauptsaal in der Bundespressekonferenz gebucht - eine große Bühne also. Neben Barenboim sitzen vor der Presse: Miriam Rürup (Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums), Clemens Arzt (Professor und Experte für Polizei- und Versammlungsrecht, HWR Berlin) und Michael Wildt (emeritierter Professor für Deutsche Geschichte, HU Berlin).
Plädoyer, die Proteste gewähren zu lassen
Die Pressekonferenz ist ein Plädoyer dafür, die Protestcamps gewähren zu lassen - aus inhaltlichen, politischen, aber auch aus juristischen Gründen. Daher geht es viel um Details des deutschen Versammlungsrechts. Staatsrechtler Arzt warnt vor zu vielen Auflagen und Verboten. Die Versammlungsfreiheit sei gefährdet: "Überschießende Beschränkungen schränken diese Freiheit immer wieder ein."
Demonstrationen auf dem Gelände von Universitäten seien zudem prinzipiell nicht verboten. Auch Schilder und lautstarke Parolen gehörten dazu: "Das ist das Wesen einer Versammlung." Und dass die Proteste sich teils gegen Israel richteten - und damit auch gegen die deutsche Staatsräson - sei hinzunehmen. "Versammlungsfreiheit ist das Recht auf Dissens", so Arzt.
"Ein Zeichen für gelebte Debattenkultur"
Für den Historiker Michael Wildt ist es auch aus Sicht der deutschen Geschichte eine Pflicht, die Meinungsvielfalt zu schützen: "Wer vor allem repressive Maßnahmen fordert, ebnet einem autoritären Staatsverständnis den Weg."
Und Miriam Rürup vom Moses Mendelssohn Zentrum konstatiert: "Die Protestcamps sind ein Zeichen für gelebte Debattenkultur." Sie spricht aber auch an, dass es Antisemitismus in den Protestcamps gebe. Die Teilnehmer müssten im Blick haben, dass viele jüdische Studierende verunsichert seien.