Studie zum Arbeitsalltag Wie tickt die Polizei?
Die nach anhaltenden Rassismusvorwürfen veranlasste Studie zur Untersuchung des Polizeialltags liefert erste Zwischenergebnisse. Die Beamten klagen darin über Mängel, lassen aber auch fragwürdige Tendenzen vermuten.
Die Polizeibeamten der Bundesrepublik haben in ihrem Arbeitsalltag einige Mängel zu beklagen. Das geht aus einer vom Bundesinnenministerium beauftragten Studie zum Alltag und zu den Einstellungen bei der Polizei hervor. In einem ersten Zwischenbericht finden sich Informationen über Arbeitsbelastungen, Stressfaktoren und Zufriedenheit der Beamten.
Die Studie wurde noch unter dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei der Deutschen Hochschule der Polizei in Auftrag gegeben, nachdem sich Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden häuften. Ziel war es, den Polizeialltag und das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft zu analysieren. Dazu gehören auch Gewalt und Hass gegen Polizeibeamte. Eine reine Rassismus-Studie, die sich allein auf die Polizei bezieht, lehnte Seehofer vehement ab.
Die Online-Befragung fand in den verschiedenen Bundesländern sowie bei der Bundespolizei und beim Bundeskriminalamt in unterschiedlichen Zeiträumen statt. Sie begann im November 2021 und wurde im Oktober 2022 abgeschlossen. Die Aufforderung zur Teilnahme richtete sich an alle Beschäftigten. Die Teilnahme war aber freiwillig.
Beamte klagen über Mängel
Die Unplanbarkeit von Dienstzeiten und Mängel in der Ausstattung gehören zu den Belastungsfaktoren, über die Beamte der Bereitschaftspolizei besonders häufig klagen. Wer bei der Kriminal- oder Schutzpolizei arbeitet, erlebt als Stressfaktoren dagegen besonders häufig Personalmangel und den Umgang mit Opfern von Straftaten.
Als belastend wird der Kontakt mit Opfern insbesondere dann erlebt, wenn es sich dabei um Kinder handelt oder um Menschen, die den Angehörigen der Polizei zuvor bekannt waren. "Unzufriedenheit mit dem Justizsystem, insbesondere im Hinblick auf die Strafverfolgung" wurde in allen Einheiten der Polizei häufig als Problem benannt.
Jeder fünfte Studienteilnehmer berichtete davon, im zurückliegenden Jahr mindestens einmal erlebt zu haben, dass ein Kollege oder eine Kollegin die Erfüllung dienstlicher Pflichten verweigerte. 29 Prozent der Teilnehmer der Befragung ließen beobachtete Verletzungen von Dienstpflichten verlauten. Das Verhältnis zu den Kollegen wurde aber generell als mehrheitlich positiv beurteilt.
Rassismus in der Polizei?
Führungskräfte und Vollzugsbeamte wurden in der Studie auch mit den Rassismusvorwürfen konfrontiert. Eine häufige Reaktion der Befragten war dabei der Verweis auf "bedauernswerte Einzelfälle".
"Menschenfeindliche Positionen", so heißt es zusammenfassend, "lassen sich wie in der Gesamtbevölkerung auch in der Polizei feststellen". Allerdings sind bei fast 30 Prozent der Befragten Tendenzen sichtbar, Asylsuchende abzuwerten. Knapp zehn Prozent lassen in ihren Antworten Muslimfeindlichkeit erkennen. Fast jeder Fünfte unterstützt chauvinistische Einstellungen oder äußert sich nicht eindeutig ablehnend.
Bei jüngeren Mitarbeitern und Polizisten mit weniger Dienstjahren seien die Diskriminierungstendenzen geringer als bei Älteren, heißt es in dem Zwischenbericht. Inwiefern hier das Lebensalter oder die Erfahrungen im Berufsalltag als Faktoren ausschlaggebend sind, muss nach Einschätzung der Forscher jedoch noch genauer untersucht werden.
Immerhin 14 Prozent stimmten laut Studie der dem Bereich der Verschwörungserzählungen zuzuordnenden Aussage zu, es gebe "geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben". Etwa jeder fünfte Befragte stellte sich hinter die Aussage, Demonstrationen seien "oft nur ein Deckmantel für Menschen, die Krawall machen wollen".
Faeser verspricht Konsequenzen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht sich als Reaktion auf die veröffentlichten Zwischenergebnisse für eine Überprüfung der Aus- und Fortbildung der Beamten aus. "Es gibt null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus, Rassismus und anderen Formen von Menschenfeindlichkeit", betonte Faeser. Jeder derartige Vorfall müsse "deutliche Konsequenzen haben".
Die Innenministerin ergänzte, dies sei man Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten schuldig, die für die vielfältige Gesellschaft einstünden. "Wir wollen eine transparente Fehlerkultur stärken und der Entstehung und Verfestigung von Vorurteilen und Diskriminierungen konsequenter entgegentreten", sagte Faeser. Man wolle Handlungsempfehlungen formulieren, um etwa extremer Arbeitsbelastung entgegenzuwirken.