Nach Verbot des Compact-Magazins Der Verfassungsschutz liest auch Näncy
Ein aus dem "Querdenker"-Milieu bekannter Verlag bietet neuerdings das Magazin Näncy an. Es sieht dem kürzlich verbotenen Compact-Magazin erstaunlich ähnlich. Ist das rechtlich zulässig?
Das Unternehmen hinter dem Magazin Compact ist verboten und darf aktuell nicht mehr tätig sein. Trotzdem erschien vor wenigen Tagen ein Magazin, das den früheren Compact-Ausgaben sehr ähnlich scheint. Der Titel der Zeitschrift: Näncy. Es liegt nahe, dass sich der Name auf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezieht. Sie ist auch auf dem Cover der neuen Näncy abgedruckt.
Der Verlag, der Näncy nun vertreibt, ist aus dem sogenannten Querdenker-Milieu bekannt. Auf seiner Vertriebs-Webseite wirbt er mit den Namen der zwei Verleger. Und: mit Jürgen Elsässer. Elsässer gilt als in rechten und rechtsextremen Kreisen beliebter Publizist. Er war Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der Compact-Magazin GmbH - das Unternehmen, das Mitte Juli von Faeser als rechtsextremistische Vereinigung verboten wurde.
Compact-Verbot mithilfe des Vereinsrechts
Nochmal zur Erinnerung: Die Ministerin nutzte dazu Mitte Juli das Vereinsrecht. Damit kann sie unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen Unternehmen vorgehen. Nötig ist, dass das Unternehmen gegen die Grundlagen der Verfassung arbeitet. Im Fokus des Verbots von Compact: Die Publikationen des Unternehmens, insbesondere das gleichnamige Magazin sowie der Videokanal im Internet. Dort würden zum Beispiel antisemitische, rassistische und verschwörungstheoretische Inhalte verbreitet. In der rund 80 Seiten dicken Verfügung, die der ARD-Rechtsredaktion vorliegt, listet das Bundesinnenministerium eine ganze Reihe von Belegen auf - etwa einige Magazincover und Zitate des Geschäftsführers Elsässer.
Gegen das Verbot wehrt sich Compact juristisch. Es hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Bundesverwaltungsgericht gestellt. Mit so einem Eilantrag könnte es erreichen, dass Compact vorerst weiterarbeiten darf, etwa das Magazin veröffentlichen kann. Diese vorläufige Möglichkeit würde gelten, bis final über eine ebenfalls eingereichte Klage entschieden wird. Für beides, Eilverfahren und Klage, ist das Bundesverwaltungsgericht als erste und letzte Instanz zuständig.
Vorerst gilt: Jede Compact-Aktivität ist verboten
Über den Eilantrag entscheiden die Richter wohl in einigen Wochen. Eine Frist zur Stellungnahme für das Bundesinnenministerium lief nach Informationen der ARD-Rechtsredaktion Anfang dieser Woche ab. Bis zu einer Entscheidung der Richter in Leipzig gilt: Durch das Verbot wurde jede Aktivität von Compact untersagt. Gelder sind beschlagnahmt, die Webseiten offline gestellt. Und wer gegen das Verbot verstößt, macht sich strafbar.
Mitglieder - beziehungsweise bei einem Unternehmen die Mitarbeiter - dürfen also nicht einfach so weitermachen, wie zuvor. Auch Dritte, die bisher nicht direkt etwas mit Compact zu tun hatten, nun aber deren Arbeit noch unterstützen, können sich strafbar machen.
Behörden haben Näncy wahrgenommen
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2005 müssen für die Strafbarkeit die Ziele der verbotenen Organisation auf Dauer gefördert werden. Nötig ist aber, dass man die Ziele mit einer "messbaren organisatorischen Bedeutung" verfolgt, so der Bundesgerichtshof damals. Für den BGH reichte es in dem zu beurteilenden Fall aus, dass ein Angeklagter die Zeitschrift eines verbotenen Vereins verteilt hatte.
Die Aktivitäten rund um das neue Magazin Näncy haben die Behörden jedenfalls bereits wahrgenommen. Für einen Verstoß gegen das Verbot von Compact wären die Staatsanwaltschaften zuständig. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft aktuell, ob es gegen Compact-Geschäftsführer Elsässer einen Anfangsverdacht für eine Straftat sieht. Elsässer soll sich bei einer AfD-Veranstaltung in Brandenburg zu der Näncy-Erstausgabe als Compact-Magazin unter neuem Namen geäußert haben. Wenn ein Anfangsverdacht vorliegt, leitet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein.
Was könnte für die neuen Verleger von Näncy gelten?
Es ist auch verboten, in einem neuen Zusammenschluss die verbotenen Aktivitäten fortzuführen und den Zweck weiterzuverfolgen. Dann handelt es sich um eine sogenannte Ersatzorganisation. Ob so eine besteht, müssen die Behörden entscheiden, hier erneut das Innenministerium von Faeser.
Die Behörden machen die Prüfung an verschiedenen Kriterien fest, etwa an den agierenden Personen, der zeitlichen Abfolge und der Übernahme von Publikationsorganen wie Zeitschriften. Dazu könnte im konkreten Fall beispielsweise auch zählen, das Magazin als Näncy weiter zu veröffentlichen. Denn das Magazin war ein zentraler Bestandteil der verbotenen Compact GmbH. Ob Näncy tatsächlich Compact mit neuem Namen ist, ist unklar und wäre vom Innenministerium ganz genau zu prüfen.
Innenministerium müsste Ersatzorganisation feststellen
Nötig wäre dann, dass das Ministerium eine neue Verfügung erlässt. Damit müsste es ausdrücklich feststellen, dass es sich bei dem Näncy-Verlag um eine Ersatzorganisation handelt. Die Anforderungen daran sind niedriger als ein Erstverbot. Doch erst nach dieser weiteren Verfügung würden sich die Akteure der Ersatzorganisation strafbar machen. Dafür ist es egal, ob es sich um eine ganz neue oder schon zuvor bestehende Organisation handelt, die sich erst jetzt dem verbotenen Zweck widmet und die Tätigkeit quasi fortführt.
Das Bundesinnenministerium will sich derweil zu möglichen Umgehungen des Compact-Verbots durch und mit Näncy nicht äußern. Der Verfassungsschutz beobachte mögliche Folgeaktivitäten, so ein Sprecher. Ob auch ein Verbot des Herausgeber-Verlages von Näncy geprüft wird, lässt das Ministerium offen. Dazu äußere man sich "grundsätzlich nicht, um etwaige Maßnahmen nicht zu gefährden", so der Sprecher.