Sexualisierte Gewalt in Freiburg "Die Verantwortlichen klar benennen"
Das Erzbistum Freiburg will mit einem Bericht Strukturen offenlegen, die sexualisierte Gewalt und deren Vertuschung begünstigt haben. Besondere Aufmerksamkeit dürfte der frühere Erzbischof Zollitsch erfahren.
Der Freiburger Bericht ist die neunte umfassende und eigenständige Untersuchung deutscher Bistümer zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Die Studie, die ursprünglich bereits im Oktober veröffentlicht werden sollte, will anhand von Fallbeispielen aufzeigen, wie und warum es zu sexualisierter Gewalt sowie ihrer Vertuschung durch Kleriker gekommen ist.
Im Fokus der Untersuchung stehe, so heißt es aus dem erzbischöflichen Ordinariat, dass "die Verantwortlichen klar benannt" würden - konkret seien dies die Bischöfe, die Generalvikare als Verwaltungschefs sowie die Offiziale als Leiter des Kirchengerichts.
Unbeschränkter Einblick in die Personalakten
Erstellt hat den Bericht, der rund 600 Seiten umfassen soll, die "Arbeitsgemeinschaft Aktenanalyse". Hinter diesem bürokratisch klingenden Begriff verbirgt sich eine Gruppe von vier externen Fachleuten aus Justiz und Kriminalpolizei, die seit 2019 unbeschränkten Einblick in die Personalakten des Erzbistums seit 1945 hatten. Zudem werteten sie etwa 1000 Protokolle der diözesanen Leitungsrunde aus und befragten 180 Personen.
Die bereits im Herbst 2018 erstellte bundesweite MHG-Studie erwähnte in diesem Zusammenhang 190 Beschuldigte - meist Priester - sowie mindestens 442 Betroffene.
Besonderes Augenmerk auf Zollitsch
Im Mittelpunkt der Untersuchung dürfte neben den beiden verstorbenen Erzbischöfen Hermann Schäufele (1958 - 1977) und Oskar Saier (1978 - 2002) der noch lebende emeritierte Erzbischof Robert Zollitsch (2003 - 2013) stehen, der von 2008 bis 2014 auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war.
Gegen Zollitsch hatte die Staatsanwaltschaft Konstanz 2010 wegen des Vorwurfs der Mitwisserschaft in einem Missbrauchsfall im Erzbistum ermittelt. Er veröffentlichte im vergangenen Herbst eine persönliche Erklärung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt. Sie trägt den Titel: "Ich bekenne mich ausdrücklich zu meiner Schuld."
Zollitsch ist vor wenigen Wochen von Freiburg nach Mannheim gezogen. Gestern teilte er in einer Presseerklärung mit, er werde sich zu dem heutigen Bericht nicht äußern.
Eindeutige Messlatte
In Zusammenhang mit Zollitsch dürfte auch auf den amtierenden Erzbischof Stephan Burger geschaut werden. Er war unter seinem Vorgänger erzbischöflicher Offizial und hat nach eigenen Angaben momentan keinen Kontakt zu ihm.
Burger ist seit vergangenem September auch stellvertretender Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Er erklärte Anfang des Jahres unmissverständlich, ihm sei die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals persönlich wichtig: "Wer Schuld auf sich geladen hat, muss Verantwortung übernehmen - unabhängig von Posten und Positionen."
Bislang haben bereits die Bistümer Köln, Aachen, Limburg, München, Münster, Essen, Berlin und Mainz abschließende Untersuchungen zu sexualisierter Gewalt vorgelegt.