Neues Auswahlverfahren beim KSK "Keine toxischen Typen mehr"
Das Kommando Spezialkräfte sucht dringend Nachwuchs. Dafür hat es sein Auswahlverfahren grundlegend neu aufgestellt. Können in Zukunft auch Frauen zu den Kommandosoldaten zählen?
Im Video verdeckt eine karamellfarbene Sturmmaske das Gesicht: KSK-Soldaten sollen anonym bleiben. So auch der, der auf dem Instagram-Account des Kommandos Spezialkräfte erklärt, was es braucht, um Kommandosoldat werden zu können. Auf der Basis eines neuen Aufnahmetests, dem "Potenzialfeststellungsverfahren".
Wie viele andere Einheiten bei der Bundeswehr braucht auch das KSK dringend Nachwuchs. Junge Männer oder auch Frauen, die sich einem harten Auswahlverfahren stellen, das künftig stärker als bisher auf die kognitive Eignung setzen soll.
Bei Instagram erklärt der anonyme Soldat, was damit gemeint ist: "Der leistungsbestimmende Muskel, der, der zwischen den Ohren sitzt, der lässt sich zwar auch bedingt trainieren, aber da müsst ihr auch die richtige Einstellung mitbringen." Getreu des Mottos des KSK: "Der Wille entscheidet."
Schwerpunkt auf "nicht trainierbare Attribute"
Das Kommando Spezialkräfte will bewusst nicht nur die ansprechen, die das Klischee des muskelstrotzenden Elitesoldaten großartig finden. "Also man muss schon sehr, sehr fit sein, um eine Chance zu haben, überhaupt in das Verfahren hineinzukommen", erklärt der Befehlshaber des KSK, Brigadegeneral Ansgar Meyer, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.
Aber der neue Test setze einen Schwerpunkt auf die "nicht trainierbaren Attribute" wie die mentale Fitness: "Das sind kognitive Fähigkeiten, bei denen es nur bedingt möglich ist, diese weiterzuentwickeln." Das solle nicht bedeuten, dass man Abstriche bei körperlicher Fitness und Ausdauer mache, aber die Leistungsfähigkeit werde künftig anders getestet.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, begrüßt den neuen Auswahltest: "Ich halte das für sehr klug, dass Bewerber für das KSK künftig nicht nur in der Gruppe bestehen müssen, über ihre Körperlichkeit, sondern auch als Individuum, mit einer entsprechenden Gesinnung. Es sollen keine toxischen Typen mehr zum KSK kommen."
Soldaten, die solch harten Einsätzen ausgesetzt seien wie die Spezialkräfte, seien gefährdeter sich zu radikalisieren - auch ein Ergebnis einer Untersuchung des Militärischen Abschirmdienstes aus dem Jahr 2020. Gerade deshalb sei es wichtig, andere Fähigkeiten in den Vordergrund zu stellen, so Strack-Zimmermann.
Entwicklungspotenzial bei körperlicher Fitness
Ähnlich sieht das die Verteidigungsexpertin der Grünen, Sara Nanni. Ein zu starker Fokus auf das Physische schöpfe nicht das richtige Potential für das KSK ab. "Es geht darum, bei den Fähigkeiten, von denen man weiß, man kann sie trainieren, offener zu sein." Bei körperlicher Fitness gebe es oft Entwicklungspotenzial - anders als bei den mentalen Fähigkeiten. Das werde auch von Sportmedizinern und Psychologen, die die Ausbildung begleiten, unterstützt.
In Dienst gestellt wurde das KSK 1996, nachdem Deutschland zwei Jahre zuvor andere Länder hatte um Hilfe bitten müssen, um deutsche Staatsbürger während des Völkermordes in Ruanda zu evakuieren. Zu den Aufgaben der Spezialkräfte, die in Calw stationiert sind, gehört es, Geiseln zu befreien, Deutsche im Ausland zu retten, aber auch Schlüsselinformationen in Krisen- und Konfliktgebieten zu gewinnen bis hin zu Kampfeinsätzen im gegnerischen Gebiet.
Zwischenzeitlich war das Kommando Spezialkräfte immer wieder wegen einzelner rechtsextremer Vorfälle in Verruf geraten. Die frühere Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer stieß daher eine umfassende Reform des KSK an. Dabei ging es unter anderem darum, das Eigenleben des Kommandos, das es nach Einschätzung vieler in Calw führte, aufzubrechen - auch im Austausch mit anderen Spezialkräften, zum Beispiel den Kampfschwimmern der Marine. Damals fragten sich manche, ob man das KSK überhaupt brauche.
Wesentlicher Unterschied zu den USA
Strack-Zimmermann beantwortet diese Frage heute mit einem klaren Ja. "Wir können froh sein, sie zu haben", erklärt Strack-Zimmermann und verweist auf die erfolgreiche Evakuierung von Deutschen aus dem Sudan durch das KSK.
Allerdings ist aus Sicht der FDP-Verteidigungsexpertin die Befehlskette verbesserungsbedürftig. Die Spezialkräfte sollten in Gänze direkt dem Minister unterstellt sein und nicht wie bisher den unterschiedlichen Teilstreitkräften - dem Heer, der Marine und der Luftwaffe. "Sie gehören ihrer Bedeutung nach organisatorisch in eine Hand, vergleichbar mit den United States Navy Seals." So lasse sich direkte Information garantieren und es gebe keinen Berichtsverlust nach oben.
Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zu den USA: in Deutschland kann sich niemand direkt bei den Spezialkräften bewerben. Voraussetzung ist, dass man bereits bei der Bundeswehr ist und dort eine erste Ausbildung durchlaufen hat. Darunter können auch Frauen sein. Immer wieder bewerben sich Soldatinnen, aber bisher hat keine den Test für sogenannte Kommandosoldaten, also die kämpfenden Spezialkräfte, bestanden.
Die Frauen, die beim KSK im Dienst sind, finden sich unter den Fernspähkräften oder beim Sanitätsdienst. Befehlshaber Mayer betont gegenüber der dpa, dass es auch in Zukunft kein zweierlei Maß für Frauen und Männer geben werde. Die hohen physischen Anforderungen gelten für beide Geschlechter gleichermaßen.
Nanni: Orientierung aus dem Ministerium fehlt
Für die Grünen-Politikerin Nanni ist eine verbesserte Auswahl der Spezialkräfte ein wichtiger Schritt, aber sie sieht auch die Politik gefordert. "Wir müssen uns fragen, was künftig die Aufgabe des KSK ist." Statt Auslandseinsätzen rücke Bündnis- und Landesverteidigung angesichts des Kriegs in der Ukraine wieder in den Vordergrund. Daher stelle sich die Frage, welche Grenzen man der Aufgabe des Ausspähens auf feindlichem Gebiet setze.
Bisher scheine eine klare Orientierung aus dem Ministerium zu fehlen. Nanni sieht Diskussionsbedarf, auch weil es beim Einsatz der KSK in der Landesverteidigung wohl kaum die Transparenz geben könne wie bei früheren Auslandseinsätzen.
"World champion of training"
Militärhistoriker Sönke Neitzel hält diese Debatte ebenso für notwendig. Die große Frage werde sein, ob die Bundesregierung bereit sei, das ganze Fähigkeitsspektrum des Verbandes einzusetzen. "Das Kommando kann hinter feindlichen Linien aufklären. Es kann aber auch Sabotageakte vollführen, Brücken sprengen, und dergleichen mehr", so Neitzel. "Und die Bundeswehr muss sich ja jetzt auch auf einen möglichen - hoffen wir, dass er nie kommt - zwischenstaatlichen Krieg der NATO mit Russland vorbereiten. Und in einem solchen Szenario haben auch die Spezialkräfte ganz neue Aufgaben."
Intern gebe es den "humoresken Satz" vom KSK als "World champion of training", so Neitzel. Die Spezialkräfte hätten auf einem sehr, sehr hohen Niveau trainiert, aber diese Fähigkeiten eigentlich noch nie eingesetzt. All das mache nur dann Sinn, wenn es den politischen Willen gebe, sie einzusetzen. "Sonst müsste man konsequent sein und diesen Verband auflösen", so Neitzel.