Frauenfußball in Deutschland Warten auf den großen Kick
Das Interesse an Frauenfußball in Deutschland steigt - vor allem seit der EM im vergangenen Jahr. Es bleibt aber Luft nach oben, auch beim Geld. Viele hoffen jetzt auf den großen Kick zur WM.
Zur Perfektion hätte nur der noch Titel gefehlt. Am Ende wurden sie nicht selten die "Europameisterinnen der Herzen" genannt. Die Nationalspielerinnen rund um Alexandra Popp, Lena Oberdorf oder Giulia Gwinn haben im vergangenen Jahr eine euphorisierende Europameisterschaft gespielt. Das Finale - Deutschland gegen England - war das meist gesehene TV-Event des Jahres mit knapp 18 Millionen Zuschauenden. Mehr als jedes Männerspiel.
Für den Frauenfußball war diese Europameisterschaft ein Boost, der bis heute wirkt. Auch die Nachwuchskickerinnen von Fortuna Köln träumen seitdem erst recht von einer eigenen, großen Fußball-Karriere.
"Die EM hat den Kick gegeben"
"Das hat mich einfach mega motiviert", erzählt Arnisa Yildirir. Sie ist 15 und hat früher vor allem mit Jungs gespielt. "Im Sportunterricht oder auch auf dem Schulhof." Ihr großes Idol ist Stürmerin Alexandra Popp. "Die EM hat mir einen Kick gegeben, dass wir Frauen auch eine Zukunft haben, wenn wir das mit Fußball richtig machen wollen."
Sie trainiert mit ihren Mitspielerinnen mehrmals die Woche. Gerade sind Sommerferien, da kommen sie seltener zusammen. Dann haben sie aber mehr Zeit die Weltmeisterschaft zu schauen, die jetzt los geht.
Die EM habe sie motiviert, sagt Arnisa Yildirir.
Lange war nicht klar, ob die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland im Free-TV überhaupt zu sehen ist. Nach langen Debatten übertragen nun aber doch ARD und ZDF. "Das ist immens wichtig", sagt Jana Wiske. Sie ist Medienwissenschaftlerin an der Hochschule in Ansbach in Bayern und beschäftigt sich mit Frauenfußball seit mehreren Jahren.
"Vor allem hätte es dem Frauenfußball geschadet, wenn die WM nicht übertragen worden wäre." Schließlich könne nur das, was medial stattfindet, bei den Menschen ankommen.
Zahl der Fußballerinnen steigt
Schon seit mehreren Tagen trainiert die deutsche Nationalmannschaft in Australien für den großen Traum: den dritten WM-Titel. Die Erwartungen an das Team sind hoch: Denn läuft es bei einer WM, oder einer EM wie im vergangenen Jahr gut, dann schwappt die Euphorie auch auf die Bundesliga über.
Zu Beginn des Jahres waren knapp 845.000 Fußballerinnen beim DFB registriert. Das sind laut Verbandszahlen gut 20.000 Mitglieder mehr als im Vergleich zu 2022. In den Jahren zuvor sind die Mitgliedszahlen nicht oder nur in geringem Ausmaß gestiegen.
"Umdenkprozess ist eingeleitet"
Das haben auch die Spielerinnen des Bundesligisten Bayer Leverkusen erlebt. Auch sie profitierten von mehr Zuschauenden und Fans, die in die Stadien kommen. In der vergangenen Saison waren es in der Bundesliga drei Mal mehr Zuschauende als in der Vorsaison.
Elisa Senß, Spielerin bei Bayer Leverkusen, freut das sehr: "Wir merken das in Leverkusen auch, dass mehr Zuschauer kommen, aber dennoch würden wir uns wünschen, das noch mehr kommen. Es gibt auf jeden Fall noch Potenzial nach oben." Denn die Stadien in der Bundesliga der Frauen sind selten ausverkauft.
Das wachsende Interesse sei spürbar, meint Elisa Senß.
Torhüterin Frederike Repohl nimmt hingegen schon wahr, "dass wir mehr gefragt werden. Es ist schon so, dass man erkannt wird, man wird mehr und mehr angesprochen. Meiner Wahrnehmung nach, ist schon ein Umdenkprozess eingeleitet."
So waren Fußballerinnen im vergangenen Jahr häufiger Gast in Talk- und Unterhaltungsshows. Nationalspielerin Alexandra Popp, die beim Bundesligisten VFL Wolfsburg unter Vertrag steht, erzählt in der Doku "Born for this" von ihrem Auftritt in der ZDF-Show "Wetten, dass..?". Dies sei eine "mega Ehre" gewesen, auch wenn Moderator Thomas Gottschalk Popps Kollegin Giulia Gwinn mit einem falschen Vornamen angesprochen hat.
Prämien der Frauen immer noch niedriger
Es geht aber auch weiterhin um finanzielle Anerkennung, darum ähnliche Prämien zu erhalten, wie sie die Männer auch bekommen. Die FIFA schüttet bei der WM in Australien und Neuseeland 110 Millionen US-Dollar an Prämien aus - das ist dreimal mehr als vor vier Jahren in Frankreich. Und trotzdem noch vier Mal weniger als bei den Männern.
Zum Vergleich: Bei der Männer-WM im vergangenen Jahr in Katar hat die FIFA insgesamt 440 Millionen Dollar ausgeschüttet. Bis zur WM der Frauen 2027 sollen die Prämien aber angeglichen werden.
Bei einer Pressekonferenz im neuseeländischen Auckland sagte FIFA-Präsident Gianni Infantino, dass jeder Spielerin mindestens 30.000 US-Dollar garantiert seien. Für die Auszahlungen seien aber die Verbände verantwortlich. Die direkte Weiterleitung der Prämien sei die klare Empfehlung, es bestünde jedoch kein Automatismus dafür.
Forderung nach Grundgehalt
In der Bundesliga geht es den Spielerinnen neben Prämien aber auch um das Thema Grundgehalt. Denn die Mehrheit der Spielerinnen kann es sich nicht leisten, "nur" Fußballerin zu sein. Wer in Deutschland als Frau Profifußball betreibe, hat am Ende des Monats häufig zu wenig Geld. Nicht alle Profifußballerinnen können auch vom Profidasein leben.
"Wir wollen einfach die gleiche Bedingungen haben wie Männer, fordert Repohl von Bayer 04 Leverkusen und steht damit nicht alleine da. "Fußball als Hauptberuf - und nicht noch nebenher arbeiten oder am Ende des Monats draufzahlen müssen. Das ist für mich der erste Punkt, der da ganz wichtig ist, dass wir weiter diese Entwicklung machen können."
Einen wichtigen Faktor spielt dabei auch die Entwicklung von Sponsorengelder. Dass die Liga nun ab der kommenden Saison durch den Weltkonzern Google mit seiner Smartphonemarke Pixel gesponsert wird, gilt für viele als Zeichen, auf dem richtigen Weg zu sein. Für Medienwissenschaftlerin Jana Wiske eine konsequente Entscheidung: "Der Frauenfußball ist positiv besetzt: Nahbarkeit, Bodenhaftung, eine Konzentration auf das Wesentliche. Eben nicht auf Geld und Gewinnsummen. Für Sponsoren heutzutage ein wichtiges Argument zu investieren."
Die Sichtbarkeit von Frauenfußball spielt eine große Rolle, meint Medienwissenschaftlerin Wiske.
Auch Vereine und DFB gefordert
Es sind nicht nur Sponsorengelder, auch die Vereine und der DFB müssten mehr investieren, umstrukturieren und an einem Strang ziehen, betont Wiske, um den strukturellen finanziellen Nachteil auszugleichen: "Man hat sich verbessert, im Nachwuchsbereich, viele Männerclubs sind draufgesprungen, haben Frauenfußballclubs entwickelt, das ist eine wichtige Basis für Sponsoren, reinzugehen in gewachsene Strukturen, in professionelle Strukturen."
"Generell gesehen sind wir auf einem guten Weg", betont Bundestrainerin Martina Voß-Tecklenburg gegenüber der ARD vor ihrer Abreise nach Australien und Neuseeland. "Wir brauchen aber mehr Sichtbarkeit und mehr Finanzen, um etwas strukturell zu verändern. Die Prämienentwicklung ist stark verbessert zum Beispiel. Die Liga muss aber so entwickelt werden, dass alle wirklich davon leben können. Wir als Nationalmannschaft können Vorbilder sein."
Im September geht die Bundesliga der Frauen in die nächste Saison. Ob die positiven Entwicklungen weiter vorangehen, dürfte auch von der Weltmeisterschaft abhängen - und wie weit die DFB-Elf kommt. Sie gelten für viele zumindest als eine der Favoriten.