Internationaler Frauentag Ein Kampftag, kein Feiertag
Der internationale Frauentag ist in Berlin ein Feiertag. Tausende Menschen sind zu diesem Anlass auf die Straße gegangen. Feiern wollten sie angesichts der vielen Probleme, mit denen Frauen im Alltag zu kämpfen haben, allerdings nicht.
Die Sonne in Berlin ist noch gar nicht richtig aufgegangen, da telefoniert sich Familienministerin Lisa Paus bereits durch die Republik. In zahlreichen Interviews anlässlich des Internationalen Frauentags wirbt sie für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zugleich mahnt die Grünen-Politikerin, die Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen abzubauen und warnt vor einem Rückfall in traditionelle Geschlechterrollen.
Ihre grüne Parteifreundin und Außenministerin Annalena Baerbock veröffentlicht zur gleichen Zeit eine Videobotschaft. Darin sagt sie, Frauenrechte seien Gradmesser für den Zustand von Gesellschaften weltweit. "Je mehr Frauen repräsentiert sind, über gleiche Teilhabe und Ressourcen verfügen, desto stärker ist das Land - sozial und ökonomisch."
Das Video endet mit Baerbocks Frage: "Warum kämpfen Sie für Frauenrechte?" Hätte Baerbock diese Frage den Berlinerinnen und Berlinern gestellt, sie hätte viele und sehr unterschiedliche Antworten bekommen.
Protest in vielen Formen
Der Protest, das wird an diesem Tag deutlich, ist facettenreich. Es gibt zahlreiche Demos und Aktionen in der gesamten Stadt - eine queerfeministische Fahrraddemo für FLINTA (Frauen, Lesben, Inter-, nichtbinäre und Transpersonen) zum Beispiel. Oder das "Power of Female Art Festival". Oder die Demonstration für "universelle feministische Solidarität".
Eine einzelne große Demonstration gibt es nicht. Zu einer der größeren Kundgebungen haben die Gewerkschaften geladen, zusammen mit dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung. Das Motto lautet "Feministisch, Solidarisch, Gewerkschaftlich".
"Schnauze voll von rosa"
Bevor sich der Demonstrationszug in Kreuzberg in Gang setzt, betritt Suli Puschban eine kleine Bühne auf einem Lastwagen. Die Berliner Liedermacherin singt einen ihrer bekanntesten Songs: "Ich hab die Schnauze voll von rosa" - passend zum Frauentag. Sie blickt in ein buntes Publikum. Frauengruppen, Pärchen, Mädchencliquen, Familien mit kleinen Kindern.
Viele halten selbst gemalte Plakate in den Händen. Auf denen steht zum Beispiel: "Ich menstruiere auf das Patriachat", "Als wir nach mehr Rechten verlangten, haben wir nicht die Nazis gemeint" oder "Nein heißt nein". Immer wieder rufen die Demonstrierenden am Oranienplatz laut im Chor "Gleiches Geld für gleiche Arbeit". Eine der Hauptforderungen hier.
Der Demonstrationszug bewegt sich langsam zum Brandenburger Tor. Eher am Rand läuft Julian, zusammen mit seinen beiden Kindern. Seine von ihm getrennt lebende Frau, so erzählt er, ist mit Freunden verreist. Sie nutzt das lange Wochenende. "Frauen verdienen im Schnitt noch immer deutlich weniger als Männer. Darauf will ich aufmerksam machen. Deshalb bin ich hier", erzählt der 47-Jährige. "Ich möchte außerdem meine Kinder für Politik begeistern."
Mehr Schutz vor Übergriffen
"Only yes means yes" steht auf dem Plakat von Marie Derstroff. Die 25-Jährige hat es selbst gemalt. Neben gleichen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen fordern viele der Demonstrierenden an diesem Tag besseren Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und sexueller Gewalt. "Gerade haben wir in Deutschland eine Nein-heißt-Nein-Regelung. Die nimmt vielen Betroffenen von sexueller Gewalt die Chance, gegen die Gewalt, die ihnen angetan wurde, vor Gericht zu ziehen", meint Derstroff.
Ein Problem, das auch Stefanie Knaab vom Verein "Gewaltfrei in die Zukunft" auf die Straßen Berlins getrieben hat. Sie fordert, mehr in den Ausbau von Schutzwohnungen, Beratung und Prävention zu investieren. "Dafür muss genug Geld in die Hand genommen werden. Spanien hat den Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt gesetzlich verankert und investiert seit Jahren mehrere Milliarden in den Schutz von Betroffenen. Das wünsche ich mir auch von unserer Bundesregierung."
"Das ist für mich kein Feiertag"
Nach Angaben der Polizei haben an der Demonstration in Berlins Mitte etwa 6.000 Menschen teilgenommen. Unter ihnen war auch Laura Flug. Die 23-Jährige erzählt, dass sie in den vergangenen Jahren in Frankfurt gelebt hat und immer Urlaub nehmen musste, um am Frauentag auf die Straße gehen zu können. Das sie in Berlin keinen Urlaub mehr nehmen muss, findet sie gut. "Ich würde es aber trotzdem nicht als Feiertag betiteln. Das ist für mich nichts zum Feiern. Wir müssen noch immer kämpfen für Gerechtigkeit."