Bilanz der Berliner Polizei 67 Festnahmen bei Demos am 1. Mai
Aus Sicht der Berliner Polizei war es der friedlichste 1. Mai seit Langem. Rund um Demonstrationen wurden dennoch 67 Menschen festgenommen. Debatten löste das Vorgehen von Polizisten gegen Feiernde in Kreuzberg aus.
Die Polizei hat bei Versammlungen und Demonstrationen am 1. Mai in Berlin 58 Männer und neun Frauen vorläufig festgenommen. Insgesamt seien 99 Verfahren eingeleitet worden, teilte die Polizei mit. Die Vorwürfe reichen dabei von Landfriedensbruch über Widerstand gegen und tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, bis hin zu Sachbeschädigung und gefährlicher Körperverletzung. Den Behördenangaben zufolge wurden neun Polizisten verletzt.
Fast alle Vorfälle ereigneten sich demnach im Zusammenhang mit der sogenannten "Revolutionären 1. Mai-Demonstration". Polizeipräsidentin Barbara Slowik äußerte sich insgesamt zufrieden mit dem Verlauf. "Der diesjährige 1. Mai verlief nochmals friedlicher als der im Vorjahr", sagte sie und führte dies auf ein "kluges und besonnenes Vorgehen" der Einsatzkräfte zurück. "Auf diejenigen, die Gewalt ausgeübt haben bzw. ausüben wollten, waren wir sehr gut vorbereitet."
Die Polizei wurde - anders als in allen früheren Jahren seit 1987 - nicht angegriffen. Steinwürfe und Flaschenwürfe aus der Demonstration blieben aus, obwohl Teile der Demonstration durchaus aggressiv waren. Insgesamt waren etwa 7100 Polizistinnen und Polizisten am 1. Mai in Berlin im Einsatz, darunter etwa 2600 aus anderen Bundesländern. An den 19 Versammlungen und Demonstrationen in der Hauptstadt hätten etwa 28.000 Menschen teilgenommen.
Debatte über Polizeiaktion gegen Feiernde
Vor dem Hintergrund des weitgehend gewaltfreien Verlaufs der 1. Mai-Demonstration in Berlin gibt es Debatten über das aggressive Auftreten von Polizisten gegenüber feiernden Menschen in Kreuzberg. Eine zehn Sekunden lange Videosequenz zeigt, wie Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern am späten Abend Menschen von der Oranienstraße vertreiben wollen, um die Straße wieder für den Autoverkehr frei zu machen. Ohne weiteren Anlass sprühen sie dabei Pfefferspray auf friedlich am Straßenrand stehende Menschen, stoßen einen betrunkenen Mann brutal auf den Boden, schubsen andere Menschen weg.
Mehrfach lief die Polizeieinheit mit Schlagstöcken und Pfeffersprayflaschen in den Händen die Straße auf und ab. Polizisten besprühten Menschen und stießen sie von der Straße, der Polizeiführer schrie immer wieder: "Runter von der Straße, runter von der Straße." Erst durch dieses Auftreten wurde die Stimmung, die zuvor laut Beobachtern entspannt war, wieder aufgeheizt. Es kam zu Sprechchören gegen die Polizei, später warfen Menschen auch ein oder zwei Flaschen in Richtung von Polizisten.
"Wir nehmen die Hinweise sehr ernst"
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verteidigte den Einsatz: "Sich aber jetzt schon davon ein Bild machen zu können, ist anmaßend, weil niemand sieht, was vorher war und in welchem Kontext sich die Kollegen zu den Maßnahmen entschieden haben." Polizeipräsidentin Slowik sagte: "Wir nehmen die Hinweise sehr ernst. Wir werden den Vorfall sehr gründlich aufarbeiten, ganz sicher." Weiter könne sie aber so kurz nach dem Abend noch nichts zu dem Thema sagen.
Mit Blick auf eine zweite problematische Situation verteidigte Slowik das Vorgehen der Polizei. Gegen 20.00 Uhr stand die Demonstration mit 12.000 Teilnehmenden am Kottbusser Tor still. Nach vorne ging es nicht weiter, hinten warteten Tausende Menschen, rechts und links hatte die Polizei mit Mannschaftswagen alles abgesperrt. Über einen längeren Zeitraum konnte fast niemand den Bereich verlassen. Veranstalter und Unterstützer kritisierten, die Polizei habe einen "Kessel" gebildet.
Slowik erklärte allerdings: "Zu allen Zeiten konnten die Teilnehmenden den Demonstrationszug rückwärts gerichtet verlassen. Und auch nach Westen. Das war, so mein Stand, möglich. Teilweise wurden auch die, Absperrungen auf der Mittelinsel geöffnet. Das mag nach und nach passiert sein." Es sei zudem Aufgabe des Veranstalters, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über das Ende der Demonstration zu informieren.
Antiisraelische Rufe in Berlin
Die sogenannte "Revolutionäre 1. Mai"-Demonstration in Berlin war am frühen Abend mit mehreren Tausend Menschen gestartet. Der Zug lief von Neukölln vorbei an einer neuen Polizeiwache am Kottbusser Tor in Kreuzberg, endete aber schon vorzeitig. Der Veranstalter habe dies mit der Polizeipräsenz begründet, hieß es. Die Polizei sprach von etwa 12.000 Teilnehmenden, die Veranstalter von 20.000.
Verschiedene Blöcke, darunter viele schwarz gekleidete Teilnehmende, formierten sich. Vereinzelt wurden Bengalos oder Böller gezündet. Auch Palästinenserflaggen waren zu sehen und antiisraelische Rufe zu hören. Das Jüdische Forum wertete bei Twitter einige Ausrufe als antisemitisch.
Ein Schwerverletzter in Hamburg
Am Rande der Veranstaltungen zum 1. Mai in Hamburg wurde ein Mann schwer verletzt. Videoaufnahmen zeigen, wie zahlreiche Demonstranteninnen und Demonstranten die U-Bahnstation Schlump verlassen und offenbar versuchen, vor der Polizei wegzurennen. Dabei rempelt ein Polizist einen der Demonstranten mit Wucht um. Der Mann musste vom Rettungsdienst versorgt werden. Die Polizei bestätigte, dass er schwere Verletzungen erlitt. Jetzt untersucht das Dezernat Interne Ermittlungen den Fall.
Bei einer von Anarchisten organisierten Demonstration in Hamburg kesselten die Beamtinnen und Beamten eine Gruppe von mehreren Dutzend Vermummten ein. Zuvor hatte ein aus etwa 150 Menschen bestehender schwarzer Block den Abmarsch des Demonstrationszuges durch seine Weigerung verzögert, die Vermummung abzulegen.
Nach Angaben der Polizei nahmen an der Demonstration des Bündnisses "Schwarz-Roter 1. Mai" insgesamt etwa 1000 Menschen teil. Nach dem Eingreifen der Polizei löste der Versammlungsleiter die Kundgebung auf. Zusammen mit ähnlichen Demos lag die Teilnehmerzahl in der Hansestadt bei rund 5000.
Gegendemos in Leipzig und Dresden
Auch in Leipzig war zum Tag der Arbeit ein Großaufgebot der Polizei im Einsatz. In der Messestadt kam es rund um den 1. Mai oft zu Vorfällen, die von linken Gruppen ausgingen. In diesem Jahr blieb es den vorliegenden Informationen zufolge aber ebenfalls ruhig. In der Stadt waren unter anderem Demos angemeldet, die sich gegen eine Veranstaltung von Rechtsextremen in der Stadt richteten.
In Dresden fanden sich ebenfalls Gegendemonstranten zusammen, sie formierten sich gegen eine AfD-Versammlung. Die Partei rief in der Innenstadt zu einer Veranstaltung auf. Es sprach der AfD-Bundessprecher und Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla.
Pyrotechnik und Rauchbomben in Stuttgart
Bei einer ähnlichen Demonstration "Revolutionärer 1. Mai" in Stuttgart musste die Polizei nach eigenen Angaben mehrfach einschreiten. Aktivistinnen und Aktivisten aus dem linksextremen Spektrum hätten sich vermummt, Auflagen nicht weitergegeben und Durchsagen der Beamten mit lauter Musik übertönt, sagte ein Polizeisprecher. Nach dem Wurf einer roten Rauchbombe setzten die Beamten Pfefferspray ein. Mehrere Menschen mussten laut Polizei wegen Augenreizungen behandelt werden.
Der Veranstalter beendete die Kundgebung, dabei sollen Demonstrierende nochmals Pyrotechnik gezündet haben. Zuvor hätten einige Demonstranten aus dem linksextremen Spektrum bei regulären Kundgebungen zum Tag der Arbeit Rauchbomben geschmissen, sagte ein Polizeisprecher. Die Beamten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein.