Mord in Wien EGMR verurteilt Russland im Fall Israilow
2008 hatte der Tschetschene Umar Israilow bei den österreichischen Behörden Hilfe gesucht - später ist er tot. Bei der Aufklärung habe Russland nicht mit Österreich kooperiert, urteilte nun der EGMR und gab Israilows Vater Recht.
"Zwei Killer sind schon ganz hungrig, mich zu töten." Mit diesen Worten hatte Umar Israilow 2008 den österreichischen Verfassungsschutz um Hilfe gebeten. Diese Hilfe wurde ihm jedoch verwehrt. Sieben Monate später war Israilow tot, ermordet auf offener Straße in Wien. Joghurt und Gummibärchen für seine Kinder habe er kaufen wollen, im Supermarkt gleich um die Ecke, erzählt Israilows Ehefrau später. Als Israilow den Supermarkt verlässt, treffen die Kugeln seiner Mörder den 27-Jährigen in den Rücken.
Die österreichische Justiz verurteilte drei Täter. Außerdem ermittelte die Polizei Anhaltspunkte dafür, dass der Mord vom Präsidenten der tschetschenischen Republik Ramsan Kadyrow in Auftrag gegeben worden war. Kadyrow gilt als enger Verbündeter von Wladimir Putin. Seiner moskautreuen Regierung werden zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien vorgeworfen.
Monatelange Folter - auch durch Kadyrow selbst
Der 2009 ermordete Umar Israilow hatte ursprünglich gegen Russland und für ein unabhängiges Tschetschenien gekämpft. Für kurze Zeit war er aber Mitglied in Ramsan Kadyrows Miliz. Wie es dazu kam, schildert seine frühere Anwältin Nadja Lorenz 2010 bei Deutschlandradio Kultur. "2003 im Frühjahr ist er Kadyrow und seinen Schergen in die Hände gefallen", sagt sie. Er habe eine ungefähr dreimonatige Tortur von Folter, Elektroschocks, Schlägen erlebt - unter anderem durch Ramsan Kadyrow persönlich. "Alles, was man sich vorstellen kann oder besser nicht vorstellen will."
Das habe ihn gezwungenermaßen gebrochen und er habe sich den Schergen Kadyrows für eine kurze Zeit angeschlossen, erzählt Lorenz weiter. "Dann hat er sich entschieden zu flüchten aus seiner Heimat mit seiner damals noch kleineren Familie, Frau und zwei Kindern.“
Israilow flieht, berichtet und klagt
In Österreich bekommt Israilow 2007 Asyl. Dort berichtet er öffentlich von dem brutalen Folterregime von Ramsan Kadyrow in Tschetschenien. Wegen dessen Verbrechen strengt er sogar ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an.
Dort hat auch der Vater von Umar Israilow geklagt - gegen Russland. Weil Russland nicht mit der österreichischen Justiz zusammengearbeitet habe, als die die Hintergründe des Mordes an seinem Sohn aufklären und auch die Hintermänner ausfindig machen wollte. Außerdem sei er nach der Flucht seines Sohnes selbst den Schergen von Kadyrow in die Hände gefallen. Diese hätten ihn gefoltert, um an Informationen über seinen geflohenen Sohn zu kommen.
Welche Konsequenzen hat das Urteil?
Der EGMR hat dem Vater von Israilow heute Recht gegeben: Russland habe die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt, so Straßburg. Russische Behörden hätten mangelhaft mit der österreichischen Justiz zusammengearbeitet, beim Versuch, die Hintermänner des Mordes an Israilow zu ermitteln. Außerdem seien die Vorwürfe des Vaters überzeugend, dass er selbst gefoltert und willkürlich inhaftiert wurde. Ihm wurde deshalb eine Entschädigung von 104.000 Euro zugesprochen.
Das Urteil wird allerdings keine unmittelbaren Folgen haben. Russland ist 2022 aus dem Europarat und der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgetreten. Dennoch gibt es in Straßburg weiterhin Verfahren gegen Russland, wenn diese vor dem Ende der Austrittsfrist am 16. September 2022 eingeleitet wurden. Von Russland werden die Entscheidungen des EGMR ignoriert. Bereits kurz nach dem Angriff auf die Ukraine hatte das russische Parlament offiziell beschlossen, dass Russland nicht mehr an Entscheidungen des EGMR gebunden ist.
Der Fall Umar Israilow hat in Österreich einige Wellen geschlagen. 2015 hatte das Wiener Landesverwaltungsgericht geurteilt: Die Republik Österreich trage eine Mitschuld am Tod des tschetschenischen Dissidenten. Innenministerium und Verfassungsschutz hätten den Geflüchteten nicht geschützt, obwohl es Hinweise auf eine konkrete Bedrohung gegeben habe. "Gleichgültigkeit" und "Naivität" attestierte das Gericht den österreichischen Sicherheitsbehörden.