Urteil in München Mordauftrag aus Kadyrows Machtapparat
Das Münchner Oberlandesgericht hat einen russischen Staatsbürger zu zehn Jahren Haft wegen der Planung eines Mordes an einem tschetschenischen Regimegegner verurteilt. Der Auftrag kam demnach aus dem Umfeld von Machthaber Kadyrow.
Wegen der Vorbereitung eines politischen Mordes im Auftrag aus dem tschetschenischen Sicherheitsrat von Machthaber Ramsan Kadyrow hat das Oberlandesgericht München den russischen Staatsbürger Walid D. zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Der Verurteilte plante und organisierte demnach einen Mord am tschetschenischen Oppositionellen Mochmad Abdurachmanow, der in Bayern lebte. Den Auftrag erhielt er nach Erkenntnissen der Ermittler von einem Cousin des tschtschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow.
Der Mord sei "mit Wissen, Billigung und Interesse" Kadyrows vorbereitet worden, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Wiesner. Ziel sei Blutrache gewesen, denn nicht nur Mochmad, sondern auch dessen Bruder Tumso habe zum Schweigen gebracht werden sollen. Auf den in Schweden lebenden Tumso Abdurachmanow war im Februar 2020 ein Anschlag verübt worden. Die Täter, zwei russische Staatsbürger, waren deswegen zu langen Haftstrafen verurteilt worden.
Nachdem Walid D. zwischen März und Juni 2020 den Mordauftrag erhalten hatte, beschaffte er eine Schusswaffe und Munition. Mit einem Komplizen kundschaftete er im Dezember 2020 den Wohnort von Mochmad in Bayern aus. Der Komplize sollte die Tat schließlich ausführen, offenbarte sich jedoch dem Opfer und der Polizei.
Die Bundesanwaltschaft hatte Ende Juni elf Jahre Haft gefordert, unter anderem wegen "Sichbereiterklärens zur Begehung eines Mordes" und "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat". Die Verteidigung hatte einen weitgehenden Freispruch gefordert.
Kritik am Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern
Mochmad Abdurachmanow war im Prozess als Nebenkläger aufgetreten. "Ich sollte ermordet werden, weil ich und mein Bruder Tumso Abdurachmanow das russische Regime in Tschetschenien öffentlich kritisieren", ließ er durch seine Anwältin Johanna Künne erklären. Es habe sich um ein politisches Motiv gehandelt, hieß es in dem Schreiben, das tagesschau.de vorliegt.
Abdurachmanow dankt darin der Bundesanwaltschaft und dem Bundeskriminalamt für die professionelle Ermittlung, "aber ich bin geschockt über die Rolle des Landesamts für Verfassungsschutz Mecklenburg Vorpommern". Er dürfe sich dazu nicht äußern, da die Beweisaufnahme dazu ohne Öffentlichkeit und unter Geheimhaltungspflicht durchgeführt wurde. An den Verhandlungstagen zu diesem Themenbereich durften keine Journalisten und Besucher im Gerichtssaal anwesend sein.
Bekannt geworden war aber so viel, dass ein Ansprechpartner von Walid D. beim Landesverfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommerns die Adresse Abdurachmanows in Bayern besorgt haben soll. Walid D. selbst soll auch für den deutschen Verfassungsschutz tätig gewesen sein, wie ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes vor Gericht bestätigte.
Hohe Sicherheitsvorkehrungen
Auch mehrere tschetschenische Zeugen sprachen vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Bei ihnen gab es Sicherheitsbedenken, wie der gesamte Prozess ohnehin unter hohen Sicherheitsvorkehrungen stattfand.
Tumso Abdurachmanow allerdings reiste aus Schweden an. Er sagte im November 2022, zwar begleitet von schwer bewaffneten Polizisten, aber vor Publikum aus. Er glaube, dass sein Bruder Mochmad zum Ziel auserkoren worden sei, weil der Anschlag gegen ihn vereitelt und er in Schweden unter Schutz gestellt worden sei.
Kurz darauf tauchte er in Schweden unter. Mehrere Medien berichteten, er sei dort erschossen worden. Allerdings gab es keine Bestätigung der schwedischen Behörden. Auch die Anwälte von Tumso und Mochmad in Schweden und Deutschland äußerten sich damals auf Anfrage nicht. Später meldete sich Tumso wieder zu Wort. Er habe untertauchen müssen, weil er um sein Leben gefürchtet habe.
Mochmad Abdurachmanow will sich von alldem nicht einschüchtern lassen: "Ich werde meine politischen Tätigkeiten fortsetzen", endet das Schreiben seiner Anwältin Künne.