Drei Monate Deutschlandticket Volle Züge für 49 Euro
Bahn, Politik und Fahrgastverbände sind sich einig: Das Deutschlandticket ist ein Erfolg. Mehr Fahrgäste bedeuten aber auch vollere Züge. Und die Infrastruktur der Bahn lässt kaum weiteres Wachstum zu.
Für die Deutsche Bahn sind Pressetermine zum Thema "Deutschlandticket" derzeit eine willkommene Abwechslung. Endlich geht es einmal nicht um verspätete und ausgefallene Züge oder gesperrte Strecken durch Baustellen.
Stattdessen macht die Bahn Positiv-Schlagzeilen, dank des von der Politik verordneten Deutschlandtickets. Damit können Abonnenten seit Mai für 49 Euro den Regionalverkehr in ganz Deutschland nutzen. Und die Zahl derer, die das auch tun, wächst. Ein Bahnsprecher sagt: "Das Deutschlandticket ist ein echter Erfolg. Im Juni sind ein Viertel mehr Reisende mit den Zügen der DB gefahren als noch im April. Sie haben auch längere Strecken mit der DB zurückgelegt."
Das bestätigt auch eine Untersuchung des Mobilfunkanbieters O2 Telefónica. Das Ergebnis einer Analyse von anonymisierten Bewegungsdaten zeigt: Zuletzt fuhren mehr Menschen mit dem Zug. Im Raum Berlin-Brandenburg etwa gab es im Mai und Juni ein sattes Plus von 22,1 Prozent mehr Zugfahrten an Arbeitstagen als noch im April - als es das Deutschlandticket noch nicht gab. Demzufolge nutzen mittlerweile viele Menschen die Bahn vor allem im täglichen Pendlerverkehr.
Kaum Zugkraft bei Autofahrern
Die Idee hinter dem Ticket ist einfach: Bahnfahren so günstig zu machen, dass der Preis auch überzeugte Autofahrer in die Züge lockt. Das scheint nur bedingt gelungen zu sein, wie diverse Statistiken zeigen. Wie intensiv Abonnenten ihr Ticket nutzen lässt sich nur schwer erfassen - im Gegensatz zu Kunden, die Einzelfahrscheine kaufen. Und so gibt es von zahlreichen Nah- und Regionalverkehrsunternehmen unterschiedliche Zahlen. Sie alle aber deuten auf eines hin: Auf das Autofahren verzichten durch das Deutschlandticket nur relativ wenige Menschen.
Detlef Neuss, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, sagt: "Die Kunden, die wirklich vom Auto auf den Nahverkehr umgestiegen sind, machen zwischen drei und acht Prozent der Neukunden aus. Das ist nicht so viel, das muss man ganz klar sagen. Die Leute strömen nicht massenweise vom Auto in die Züge."
Mehr Ausflugsfahrten, mehr Pendelverkehr
Doch auch bei Privatreisen gibt es offenbar ein Wachstum. "Besonders der Ausflugsverkehr an den Wochenenden hat zugenommen. Auf klassischen Ausflugsverbindungen spüren wir einen deutlichen Anstieg", sagt ein Bahnsprecher.
Bei allen Unwägbarkeiten zeigen die Zahlen also, dass das Deutschlandticket durchaus gut angenommen wird. Auch wenn der Pro-Bahn-Vorsitzende Neuss vermutet, dass sich vor allem Menschen über das 49-Euro-Abo freuen, die bislang auch schon mit dem Zug gefahren sind: "Den größten Vorteil haben die Bestandskunden. Für die ist es deutlich billiger geworden."
Mehr Fahrgäste, aber nicht mehr Züge
Die Zunahme der Fahrgäste durch das Deutschlandticket verstärkt gleichzeitig aber auch die Probleme der Bahn. Seit Jahren schon geben Bahnmanager offen zu, dass das Unternehmen am Limit operiert. Mehr Züge könnten einfach nicht in das quasi voll ausgelastete Schienennetz geschickt werden. Und die Infrastruktur sei so marode, dass viele Strecken bis 2030 erst einmal durchsaniert werden müssten.
Die volleren Züge und daraus resultierenden Forderungen nach Taktverkürzungen, mehr Zügen und verlässlicheren Fahrplänen treffen die Bahn also zur Unzeit. Bis zum Ende des Jahrzehnts ist der Konzern eigentlich mit sich selbst beschäftigt.
"Deutschland-Angebot" für Deutschlandticket?
Dass das Deutschlandticket zwar erfolgreich ist, aber nicht so, dass die Massen in die Züge strömen, passt ganz gut zur schwierigen Situation der Bahn. "Wenn sich die Fahrgastzahlen verdoppelt hätten, wäre das ein echtes Problem", sagt der Pro-Bahn-Vorsitzende Neuss. "Das bekommt die Bahn momentan nicht geschultert."
Die Bahn erklärt, dass die drei Monate seit Einführung für ein genaues Bild noch nicht ausreichen. Man wisse noch nicht, auf welchen Strecken dauerhaft Entlastung geschaffen werden müsste. "Wir fahren das von den Bundesländern bestellte Angebot", sagt ein Bahnsprecher. "Zusammen mit den Ländern beobachten wir, wie sich die Fahrgastzahlen entwickeln, um bei Bedarf gemeinsame Lösungen zu entwickeln. An besonders beliebten Strecken müssen wir im Angebot nachsteuern, also für das Deutschlandticket ein Deutschland-Angebot schaffen."
Bald 59-Euro-Ticket?
Zudem ist die langfristige Finanzierung des Angebots nicht gesichert. Bislang gibt es Zusagen nur bis Jahresende. Der Pro-Bahn-Vorsitzende Neuss sagt, die drei Milliarden Euro von Bund und Ländern seien gut angelegtes Geld. Schließlich verbesserten sie die Attraktivität des Schienenverkehrs spürbar.
Er sagt aber auch: "Wir fordern eine Sicherung der Finanzierung über das Jahr 2024 hinaus. Wir sind uns aber auch im Klaren darüber, dass man irgendwann auf 59 oder 69 Euro anheben müssen wird."