Bundesanwaltschaft prüft Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen
Der Krieg in der Ukraine beschäftigt auch die Justiz in Deutschland. Wegen möglicher Kriegsverbrechen durch Russland ermittelt jetzt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.
Nach Informationen der ARD-Rechtsredaktion hat der Generalbundesanwalt ein so genanntes Strukturermittlungsverfahren eingeleitet. Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte dies bereits in einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse" erklärt.
Zunächst Beweissicherung
Bei einem Strukturermittlungsverfahren geht es darum, die Geschehnisse vor Ort zu dokumentieren, Informationen zusammenzuführen und möglichst umfangreich Beweise zu sichern. Konkrete Beschuldigte gibt es dabei zunächst nicht. Ziel des Verfahrens ist es, später einzelne Personen strafrechtlich verantwortlich machen zu können. Dabei kann die Behörde auch Zeugen befragen, etwa Geflüchtete, die jetzt in großer Zahl nach Deutschland kommen.
Nach Informationen der ARD-Rechtsredaktion arbeiten die Karlsruher Ermittler mit den Behörden in anderen Ländern zusammen, die ebenfalls Untersuchungen aufgenommen hätten.
Bereits Anhaltspunkte für Kriegsverbrechen
Schon jetzt lägen der Bundesanwaltschaft konkrete Anhaltspunkte für mögliche Kriegsverbrechen der russischen Seite im Ukraine-Krieg vor. Unter anderem gehe es dabei um verbotene Methoden der Kriegsführung, wie etwa den Einsatz von Streubomben mit vielen Toten und Verletzten. Auch Angriffe auf Wohngebiete und Krankenhäuser seien beobachtet worden. Darüber hinaus hätten die Ermittler weitere Kriegsverbrechen im Blick, die möglicherweise noch begangen werden.
Nach dem völkerstrafrechtlichen Weltrechtsprinzip können Kriegsverbrechen auch dann hier in Deutschland verfolgt werden, wenn es keinen Bezug zu Deutschland gibt - wenn also weder Täter noch Opfer Deutsche sind und auch der Tatort im Ausland liegt. So ergibt sich die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft im aktuellen Konflikt.
Kriegsverbrechen im Völkerrecht definiert
Was die Staatengemeinschaft unter Kriegsverbrechen versteht, hat sie in den Genfer Abkommen von 1949 und dem Römischen Statut festgehalten. Darunter fallen "schwere Verletzungen der Genfer Abkommen" - unter anderem die vorsätzliche Tötung und Folter von Zivilisten sowie Kriegsgefangenen, aber auch schwere Körperverletzungen. Weiter aufgelistet werden die willkürliche Zerstörung und Aneignung von Eigentum in großem Ausmaß, Vertreibung und Geiselnahmen.
Daneben werden auch "andere schwere Verstöße gegen die (…) im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Gesetze und Gebräuche" als Kriegsverbrechen definiert.
Ermittlungen gegen Putin gefordert
Auf Grundlage des Weltrechtsprinzips solle die Bundesanwaltschaft auch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ermitteln, fordert etwa die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger. Schon in der vergangenen Woche hatte sie angekündigt, "beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe Strafanzeige wegen der Verletzung des Völkerstrafrechts zu stellen".
Allerdings gilt für amtierende ausländische Staatsoberhäupter der völkerrechtliche Grundsatz der Immunität. Sie können während ihrer Amtszeit nicht in fremden Staaten strafrechtlich verfolgt werden - danach aber schon. Während Putin im Amt ist, könnte er hier also nicht vor Gericht gestellt werden, selbst wenn er nach Deutschland käme.
Aggression kann in Deutschland nicht verfolgt werden
Generell gehe derzeit wegen der Ukraine-Krise eine große Zahl von Strafanzeigen bei der Bundesanwaltschaft ein, erfuhr die ARD-Rechtsredaktion. Die meisten richten sich allerdings gegen den Angriffskrieg als solchen, ein so genanntes Verbrechen der Aggression. Dieser Straftatbestand fällt jedoch nicht unter das Weltrechtsprinzip und könnte ohne deutsche Beteiligung nicht in Deutschland verfolgt werden.