Streit um Parteiveranstaltung Der AfD keinen Raum geben
Die AfD-Bundestagsfraktion will Ende März einen Bürgerdialog im südpfälzischen Annweiler veranstalten. Doch die Stadt will der Partei keinen Saal vermieten. Jetzt entscheidet ein Gericht.
Der Hohenstaufensaal ist so etwas wie die gute Stube der Stadt Annweiler. Der Altbau stammt aus den 1930er Jahren. Die Stadt kurz vor der französischen Grenze wirbt damit, dass sich das denkmalgeschützte Gebäude seit einer aufwändigen Renovierung und Neueröffnung für Veranstaltungen aller Art eignet - von Hochzeiten über Konzerte bis hin zu Kongressen und Seminaren. Herzstück ist der lichtdurchflutete historische Saal mit dunkler Holzdecke, Parkett und riesigen Fresken an der Wand.
Nahezu andächtig schreitet Hans-Erich Sobiesinsky durch den Raum. Der Rechtsanwalt und Vorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat hat eine Mission: den AfD-Bürgerdialog mit Parteichef Tino Chrupalla Ende März an diesem Ort zu verhindern. Sobiesinsky hat die Maxime: Nie wieder ist jetzt! Er findet, es sei allerhöchste Zeit, gegen rechtsextremes Gedankengut aufzustehen.
SPD-Politiker Hans-Erich Sobiesinsky will die AfD-Veranstaltung im Hohenstaufensaal verhindern.
Momentan denkt der Jurist viel über das Jahr 1933 nach, als die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen: "Heute fallen einem diese Parallelen wie Schuppen von den Augen, und ich sage, man braucht nicht mehr den Anfängen zu wehren." Die Anfänge seien schon vorbei. "Und es gilt hier mit allen geballten Mitteln, die uns der Rechtsstaat gibt, das Ziel, nämlich die Trockenlegung dieses braunen Sumpfes, zu erreichen."
Dazu gehört für Sobiesinsky auch, der AfD keinen Raum zu geben - im doppelten Wortsinn. Anders als bei und für Veranstaltungen der Partei in den vergangenen Jahren.
Rede im Stadtrat: "Das Maß ist voll"
Die AfD-Bundestagsfraktion hatte den städtischen Hohenstaufensaal in Annweiler für einen Bürgerdialog am 23. März reserviert. Hauptredner: Parteichef Tino Chrupalla. Von der Stadt kam Ende Januar die Reservierungsbestätigung.
Es ist nicht die erste AfD-Veranstaltung in diesem Raum. Aber diesmal gibt es Widerstand. Mitte Februar hält Sobiesinsky im Stadtrat eine flammende Rede. Unter dem Eindruck der Correctiv-Recherche zum Geheimtreffen in einer Villa bei Potsdam Ende November sagt er: "Das Maß ist voll." Bei der Veranstaltung, bei der unter anderem Vertreibungspläne thematisiert wurden, waren auch AfD-Vertreter dabei.
"Sternstunde der Stadtpolitik"
Der Stadtrat stimmt danach fast einstimmig für einen Antrag von SPD und Grünen: Die AfD soll den Hohenstaufensaal nicht bekommen. Der parteilose Bürgermeister Benjamin Seyfried nennt die Sitzung "eine Sternstunde" des Stadtrats von Annweiler. Auch er ist der Meinung, dass die AfD mittlerweile eine Linie überschritten hat, die Widerstand verlangt.
Seyfried ahnt sofort, dass die Partei diese Entscheidung wohl nicht einfach so auf sich beruhen lassen wird. Und er hat Recht: Die AfD wehrt sich. Auch nachdem die Stadt verkündet, dass es überhaupt keinen gültigen Mietvertrag mit der AfD für die Veranstaltung Ende März gebe. Die Partei habe es versäumt, die Reservierungsbestätigung unterschrieben zurückzuschicken.
AfD zieht vor Gericht
Die AfD will jetzt vor Gericht erzwingen, dass sie ihre Veranstaltung wie geplant in Annweiler durchführen kann. Sie hat beim zuständigen Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße einen entsprechenden Eilantrag eingereicht.
Andreas Bleck ist Sprecher der Landesgruppe Rheinland-Pfalz/Saarland der AfD-Bundestagsfraktion. Er hält der Stadt Annweiler vor, sie verstoße wissentlich und willentlich gegen das staatliche Neutralitätsgebot und die Chancengleichheit von Parteien. Die AfD-Bundestagsfraktion hat seiner Ansicht nach einen öffentlich-rechtlichen Nutzungsanspruch an die Räumlichkeit.
Bleck mutmaßt, die Fraktionen und die dahinterstehenden Parteien im Stadtrat glaubten offenbar, "sich den Staat zur Beute machen zu können". Sie redeten über Demokratie und verhielten sich seiner Meinung nach antidemokratisch.
Obgleich die AfD die Reservierungsbestätigung für den Hohenstaufensaal nicht unterschrieben hatte, ist für Bleck klar: "Das Mietverhältnis zwischen der Stadt und der AfD-Bundestagsfraktion kam rechtswirksam zustande - auf die gleiche Art und Weise wie bei anderen Mietverhältnissen zuvor auch."
Hier will die AfD ihren Bürgerdialog abhalten: Innenansicht des Hohenstaufensaals.
Kein Einzelfall
Die Stadt Annweiler sieht das weiterhin anders. Das steht auch in einer Stellungnahme, die sie für das Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße verfasst hat. Das Gericht hat nach eigenen Angaben erstmals mit einem solchen Fall zu tun.
Bundesweit kommt es jedoch immer wieder vor, dass Kommunen der AfD keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen möchten. In Thüringen etwa wollte unlängst die Stadt Nordhausen ihre Festhalle Sundhausen nicht an die AfD-Landtagsfraktion vermieten. Auch bei dieser Veranstaltung ging es um einen Bürgerdialog. Auch dieser Fall landete vor Gericht. Mit dem Ergebnis, dass die Veranstaltung stattfand.
Auch im aktuellen Fall in Annweiler stehen die Chancen der AfD nicht schlecht, sagt ARD-Rechtsexperte Kolja Schwartz. Gerichte hätten in vergleichbaren Fällen immer wieder entschieden, dass öffentliche Träger einer Stadthalle nicht nach Belieben einzelne Parteien ausschließen dürften, wenn sie ihren Veranstaltungssaal grundsätzlich auch Parteien zur Verfügung stellten.
Dann gebiete es das Recht auf Chancengleichheit der Parteien und der Gleichbehandlungsgrundsatz, dass das für alle nicht verbotenen Parteien gilt. Selbst wenn diese - wie die AfD - vom Verfassungsschutz beobachtet würden.
AfD plant weiter Bürgerdialog
Das wissen auch die Kommunalpolitiker in Annweiler. Ihnen geht es aber auch grundsätzlich darum, ein Zeichen gegen rechtsextremes Gedankengut zu setzen.
Die AfD jedenfalls ist nach eigenen Angaben überzeugt, vor Gericht Recht zu bekommen: Die Planungen für die Veranstaltung in Annweiler liefen weiter. Wenn dieser nicht wie geplant am 23. März stattfinden könne, dann an einem anderen Datum, heißt es aus der Partei.
Sollte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten der AfD ausfallen, hat der parteilose Bürgermeister Seyfried aus Annweiler wiederum bereits angekündigt, Widerspruch einlegen zu wollen. Der Kampf um den Hohenstaufensaal dürfte also weiter gehen.
Jetzt ist jedoch erst einmal das Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße am Zug. Von dort heißt es, es sei noch nicht absehbar, wann in der Sache eine Entscheidung falle.