Gespräche mit Freie-Wähler-Chef Jüdische Gemeinden zu Treffen mit Aiwanger uneins
Die Causa Aiwanger wird kontrovers diskutiert - auch in den jüdischen Gemeinden Bayerns. In Erlangen wurde er zu einem Gespräch eingeladen. Andere jüdische Gemeinden in Bayern sehen das anders.
Ein Zeitungsartikel Anfang der Woche in den "Erlanger Nachrichten" hat aufhorchen lassen: Darin bekannte die Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Erlangen, Ester Limburg-Klaus, Hubert Aiwanger könne kommen. Sie verwies darauf, dass schließlich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder seinem Stellvertreter geraten habe, den Kontakt zu jüdischen Gemeinden zu suchen.
Die Aufregung um das antisemitische Flugblatt in Aiwangers Jugend erscheine ihr wie eine Schmutzkampagne und eine Ablenkung vor der bayrischen Landtagswahl, sagte Limburg-Klaus. Aiwanger sei durch die Veröffentlichungen rund um seine Person vor den Kopf gestoßen und überrumpelt worden und seine Reaktionen unglückliche Krisenkommunikation. Auch dass Söder Aiwanger nicht aus dem Amt entlässt, könne sie gut nachvollziehen.
Gemeinden nicht zufrieden mit Entschuldigung
Andere jüdische Gemeinden sehen das anders. Solche Einladungen sollten im Zentralrat der Juden abgesprochen werden, findet etwa der Antisemitismusbeauftrage der jüdischen Gemeinde Schwaben-Augsburg, Hermann Bredl. Dort habe man nicht vor, Aiwanger einzuladen.
Auch der Rabbiner der Gemeinde im oberpfälzischen Amberg, Elias Dray, ist unzufrieden mit Aiwangers Reaktion. Die Entschuldigung sei zu spät gekommen und sehr unklar. Dennoch betonte Dray, dass in seiner Gemeinde alle Menschen herzlich willkommen seien, die das Judentum kennenlernen wollten. "Aber wir würden jetzt ungern am Ende des Wahlkampfs dafür dienen." Er forderte eine ehrlich gemeinte Entschuldigung.
Um diese anzunehmen, bräuchte es für den Rabbiner eine klare Aussage, was Aiwanger falsch gemacht habe, und dessen Bereitschaft, den Fehler zuzugeben. "Dann wären wir die ersten, die sagen würden: Man muss einem Menschen, der Reue zeigt, zu hundert Prozent vergeben", so Dray.
Jede jüdische Gemeinde selbstständig
Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in Bamberg, Martin Arieh Rudolph, betont: Jede jüdische Gemeinde sei autonom und könne einladen, wen auch immer sie wolle. So wie die Gemeinde in Erlangen habe man Aiwanger ebenfalls nach Bamberg eingeladen. Zur Begründung verweist auch Rudolph auf die Aufforderung Söders an Aiwanger, das Gespräch mit den jüdischen Gemeinden zu suchen.
Zwar hat Aiwanger sich öffentlich und auch persönlich bei der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München-Oberbayern, Charlotte Knobloch, entschuldigt. Für Knobloch ist die Affäre um das antisemitische Flugblatt aber noch nicht beendet, wie sie vor wenigen Tagen im Interview mit dem Deutschlandfunk sagte. Die Entschuldigung habe sie nicht angenommen.
Die Erklärung Aiwangers genügt auch dem Antisemitismusbeaufragten der Gemeinde Schwaben-Augsburg nicht. "Diese Entschuldigung war keine Entschuldigung, sondern ein Hin und Her, verbunden mit vielen Erinnerungsunklarheiten und Ausflüchten", so Bredl. Die jüdischen Gemeinden in Würzburg, Regensburg und Nürnberg wollten sich auf Anfrage nicht äußern.
Schuster plant Treffen
Der aus Würzburg stammende Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, ist ebenfalls nicht überzeugt von der Entschuldigung Aiwangers, wie er Anfang der Woche in den ARD-Tagesthemen sagte. Aiwanger habe sich nur für das entschuldigt, "was man mit Gewalt nicht mehr leugnen konnte". Er akzeptiere die Entschuldigung, jedoch wünsche er sich eine "umfassendere Erklärung".
Dennoch: Schuster möchte sich mit Aiwanger treffen. Ihre Büros seien bereits miteinander in Kontakt. Nur einen Termin gibt es offenbar noch nicht.
Ins Rollen gebracht hatte die Affäre rund um Aiwanger die Berichterstattung über ein antisemitisches Flugblatt, das zu Schulzeiten Aiwangers in dessen Büchertasche gefunden wurde. Nach ersten Berichten gab sich sein älterer Bruder als Verfasser aus.
In der Folge wurden weitere Vorwürfe gegen Aiwanger laut. Klassenkameraden gaben unter anderem an, er habe als Schüler den Hitlergruß gezeigt und "judenfeindliche Witze über Auschwitz" erzählt. Auch Hitlers "Mein Kampf" soll er in der Schultasche gehabt haben und für Hakenkreuz-Schmierereien auf der Toilette verantwortlich gewesen sein. Andere dagegen schildern den stellvertretenden Ministerpräsidenten Bayerns in der Rückschau als unauffälligen Schüler.
Söder verlangte Aufklärung
Aiwanger selbst hat sich mehrere Tage nach den ersten Berichten entschuldigt. Er bereue zutiefst, wenn er durch sein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehende Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen ihn aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe. "Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit", sagte Aiwanger. Zugleich beklagte er eine politische Kampagne gegen seine Person.
Bayerns Ministerpräsident Söder verlangte von seinem Vize Aufklärung und ließ ihn 25 Fragen beantworten. Darin gibt Aiwanger mehrfach an, sich an Vorgänge aus seiner Schulzeit nicht mehr erinnern zu können. Am vergangenen Sonntag gab Söder bekannt, an Aiwanger festhalten zu wollen. Eine Entlassung wäre nicht verhältnismäßig.