Affenpocken-Hotspot Berlin Verstolperter Impfstart
Berlin gilt als Hotspot der Affenpocken-Infektionen. Doch ausgerechnet in der Hauptstadt beginnen die Impfungen mit Verspätung. Wie kann das sein?
Michael Rausch hatte stark gehofft, dass auch seine Praxis den Impfstoff gegen Affenpocken geliefert bekommt. Er ist Hausarzt mit Schwerpunkt Infektionskrankheiten. Seine Praxis liegt direkt am Nollendorfplatz in Berlin-Schöneberg, dem schwulen Kiez der Hauptstadt. Dass Berlin Affenpocken-Hotspot ist, hat Rausch in seiner Praxis natürlich bemerkt.
Er hat sich in den vergangenen Wochen nicht nur um die vielen Infizierten gekümmert, sondern auch um die vielen Besorgten: "Es gab eine große Nachfrage nach der Impfung. Viele Anrufe, viele E-Mails. Aber wir konnten die Menschen immer nur vertrösten."
Berlin startet
Denn wann es genau losgehen würde und ob seine Praxis überhaupt Impfstoff bekommt - das war bis zuletzt unklar. Erst vorgestern kam die Nachricht: Die Senatsverwaltung für Gesundheit wird den Impfstoff auch an den Nollendorfplatz zu Rausch liefern. Heute soll es endlich losgehen.
Schon vor fast einer Woche hat das benachbarte Brandenburg mit dem Impfen begonnen. Dort gibt es gerade mal 28 bestätigte Fälle. Auch Hamburg (74 Fälle) und Bayern (92 Fälle) impfen schon. In Berlin mit seinen mehr als 900 Fällen wurde bisher nicht geimpft. "Dass es gerade hier im Hotspot so spät losgeht, ist suboptimal. Wir hätten gerne früher gegengesteuert. Gerade jetzt in der Prideweek", sagt Rausch. "Es dauert ja immerhin auch noch zehn bis 14 Tage bis der Impfstoff überhaupt wirkt."
Impfdosen liegen schon lange bereit
Dabei liegen in Berlin schon seit einer Weile 8000 Impfstoffdosen bereit. An der Beschaffung haperte es also nicht. Es waren bürokratische Hindernisse, die den Start der Kampagne hinauszögerten. So berichtete der Berliner "Tagesspiegel" vergangene Woche, dass der Vertrag zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und der Gesundheitsverwaltung nicht unterschrieben sei. Das ist mittlerweile geschehen, doch wertvolle Zeit ist verstrichen.
Der schleppende Start der Berliner Impfkampagne erntete Kritik, unter anderem von der Deutschen Aidshilfe: "Der Impfstoff ist bereits seit einiger Zeit verfügbar. Es geht hier immerhin darum, Menschen vor einer ernst zu nehmenden Infektion mit teils sehr schmerzhaften Folgen zu bewahren", erklärte Pressesprecher Holger Wicht.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit verwies auf rechtliche und logistische Herausforderungen, die bewältigt werden mussten.
Insgesamt 22 Praxen bieten die Impfung jetzt in Berlin an, dazu mehrere Krankenhäuser. Beim Impfstoff handelt es sich um den allgemeinen Pockenimpfstoff Imvanex. Nach derzeitigem Kenntnisstand schützt dieser auch vor einer Infektion mit Affenpocken.
Erfahrungen sammeln
"Wir müssen erst Erfahrung damit sammeln", sagt Rausch vom Nollendorfplatz. "Doch es ist wichtig, dass wir ihn haben. In meiner Praxis gibt es viele Patienten mit einer HIV-Infektion. Die fürchten, dass eine Infektion mit Affenpocken für sie schwere Folgen haben könnte. Diese Patienten können wir nun besser schützen."
Dass der Impfstoff kühl gelagert werden muss, hat Rausch vergangene Woche selbst recherchiert. Noch bevor klar war, ob er den Impfstoff bekommt, hat er auf eigene Kosten eine Tiefkühltruhe für seine Praxis bestellt. Die ist jetzt schon da.
Das Impfen kann beginnen. Hätte er gewartet, bis offizielle Stellen der Stadt ihn informieren, hätte er erst Montag die Kühltruhe bestellt und warten müssen, bis sie geliefert wird. Und die Berliner Impfkampagne hätte sich noch weiter verlangsamt.