Vor Landtagswahlen in Ostdeutschland Unternehmer fürchten sich vor Wahlerfolg der AfD
Unternehmer in Sachsen und Thüringen rechnen mit einem Imageverlust und der Abwanderung von Fachkräften, sollte die AfD die Landtagswahlen gewinnen. Dennoch positionieren sich nur wenige explizit gegen die AfD.
Silvio Wenzel ist einer der wenigen Unternehmer im Saale-Orla-Kreis, der sich offen gegen die AfD ausspricht. Ein Geschäftsrisiko, denn er schätzt, dass jeder zweite seiner Kunden mit der Partei sympathisiere. "Ich kann es mir gar nicht leisten, den einen oder anderen zu verlieren. Das ist ja das Kuriose, also dürfte ich das in dem Sinne gar nicht machen."
In Bad Lobenstein verkauft und repariert er seit zwanzig Jahren Elektrogeräte. Das Risiko, Kunden zu verlieren, geht er ein. "Ich kann nicht anders, wenn menschenverachtende Parolen mehr wiegen als Vernunft", erklärt er. Die Stimmung in seiner Heimat in Thüringen sei angespannt. Bei der vergangenen Europawahl war die AfD hier mit knapp 38 Prozent die stärkste Kraft.
Der 46-Jährige scheut es aber nicht, mit seinen Kunden auch über Politik zu sprechen. Ohne erhobenen Zeigefinger, wie er betont. Während er im Keller die Waschmaschine eines Kunden repariert, lobt dieser den Mut von Silvio Wenzel. "Viele sprechen sicherlich darüber im Familienkreis, aber das öffentlich zu machen und sich auch so zu positionieren, das braucht wahre Größe."
Silvio Wenzel spricht sich als Unternehmer offen gegen die AfD aus.
"Made in Germany" in Gefahr
Report Mainz hat mit vielen Unternehmern aus Sachsen und Thüringen gesprochen. Wie blickt die regionale Wirtschaft auf die anstehenden Wahlen am 1. September? Viele Unternehmen halten sich parteipolitisch gerne zurück. Das Unternehmen Nomos in Sachsen ist eine Ausnahme.
Rund 40 Autominuten von Dresden entfernt liegt Glashütte. Hier werden Luxusuhren in aufwendiger Handarbeit produziert. Co-Geschäftsführerin Judith Borowski bangt um den guten Ruf der Region: "Wenn die AfD an die Macht kommt oder auch einfach zu mehr Macht gelangt, dann befürchten wir einen massiven Standortschaden für die Region hier." Die internationalen Kunden würden nicht zwischen Sachsen und Niedersachsen unterscheiden, das Erfolgslabel 'Made in Germany' sei deshalb in Gefahr.
Judith Borowski sorgt sich um den guten Ruf der Region.
Plakataktion gegen Rechtspopulismus
Neben einzelnen Unternehmen positionieren sich jetzt auch Verbände. Etwa mit leuchtend pinken Plakaten am Flughafen Leipzig mit der Aufschrift "Keine Reise ins Blaue". Mit blau ist die AfD gemeint. Eine Aktion vom Verband der Familienunternehmer in Sachsen.
Erstmals in der Geschichte mische man sich in einen Wahlkampf ein, schildert der Landesvorsitzende des Verbands, Christian Haase. Denn in Sachsen und Thüringen stuft der Verfassungsschutz die AfD als "gesichert" beziehungsweise "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" ein.
"Wenn ich jetzt nicht in Sachsen wäre - ich würde es eigentlich gar nicht glauben, dass in einem Land wie Deutschland, mit unserer Historie, dass eine gesichert rechtsextreme Partei wie die AfD überhaupt in Größenordnungen kommt, die signifikant sind", so Haase.
Der Verband der Familienunternehmer in Sachsen bezieht mit einer Plakataktion Stellung.
Sorge vor Imageverlust und Fachkräfteabwanderung
Unternehmer Silvio Wenzel hört von seinen Kunden immer wieder beunruhigende Geschichten. Etwa die von einer schwarzen Frau, einer Pflegekraft, die aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert worden sei. Der Busfahrer habe sie nicht mitgenommen, auch das Kind sei schikaniert worden. Die Familie sei deshalb aus der Region weggezogen. Wenzel macht sich Sorgen, dass in Zukunft weniger Fachkräfte kommen.
Ein Gefühl, das etliche Betriebe teilen. Report Mainz hat rund 200 große Unternehmen aus Sachsen und Thüringen angefragt. 30 haben geantwortet. Eine nicht-repräsentative, kleine Stichprobe. Demnach erwarten durch das Erstarken der AfD 67 Prozent negative Auswirkungen auf den eigenen Betrieb und die regionale Wirtschaft. 20 Prozent gehen bei einer AfD-geführten Landesregierung von einem Stellenabbau aus. 77 Prozent befürchten in dem Fall eine Fachkräfteabwanderung und 90 Prozent einen Imageverlust.
AfD hält Imageschaden für die Region für abwegig
Auch Carsten Schneider, der Ostbeauftragte der Bundesregierung, betont, wie wichtig Fachkräfte aus dem Ausland für die heimische Wirtschaft seien. "Und wenn bei den Landtagswahlen jetzt ein Ergebnis kommt, das das ablehnt, zurück zum Nationalstaat will, nationalistisch agiert, dann ist das für alle Menschen auf der Welt ein Signal, da nicht hinzugehen", so Schneider.
Was sagt die AfD in Sachsen und Thüringen selbst dazu? Der thüringische Landesverband der Partei antwortet schriftlich: Nicht die AfD schrecke Fachkräfte ab, sondern die "exorbitante Steuerlast und der Bürokratiedschungel". Fachkräfte würden Deutschland meiden, "weil die Politik der Altparteien unser Land gerade für sie unattraktiv macht". Die Partei hält es "für abwegig, dass die Wahlerfolge der AfD irgendeinen Schaden für die Reputation Thüringens nach sich ziehen".
Rechtspopulismus schadet der Wirtschaft
Das Gegenteil legen wirtschaftswissenschaftliche Studien nahe, die Tommy Krieger vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim kennt. Der bisherige Stand der Forschung zeige, dass Regionen oder Städte, in denen rechtspopulistische Parteien die Macht hätten, es wirtschaftlich mittelfristig schwerer hätten als andere Regionen.
"Es gibt Studien aus Italien oder Österreich, die sich damit beschäftigen, was passiert, wenn rechtspopulistische Bürgermeister an die Macht kommen", so Krieger. "Da sehen wir auch, dass weniger internationale Personen in diese Städte und Gemeinden ziehen."
Gegen das Image des vermeintlich "braunen Ostens" wollen viele Unternehmen gerade jetzt vor den Landtagswahlen in der Region ankämpfen.
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