Einreise nach Deutschland Zahl der Kriegsflüchtlinge steigt
Mehr als 200.000 Menschen sind bisher aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Noch immer gibt es offene Fragen bei Verteilung und Versorgung. Die Hilfslieferungen ins Kriegsgebiet - vor allem mit Lebensmitteln - laufen weiter.
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sind in Deutschland mehr als 200.000 Kriegsflüchtlinge angekommen. Laut Bundespolizei wurden bisher 207.742 Menschen registriert. Da keine festen Kontrollen an den Binnengrenzen stattfinden und Ukrainer ohne Visum einreisen können, dürfte die tatsächliche Zahl wesentlich höher sein.
Nicht erfasst wird außerdem, wie viele der Geflüchteten womöglich von Deutschland aus zu Freunden oder Verwandten in anderen Staaten weiterreisen.
Mehr Sozialleistungen gefordert
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe, dringt auf eine Ausweitung der Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine. "Wir fordern für die Menschen einen Zugang zum Sozialleistungssystem des Sozialgesetzbuchs II, das für Arbeitslose gilt", sagte Lewe den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Perspektivisch müssten die Flüchtlinge auch ins Krankenversicherungssystem, derzeit hätten sie nur einen rudimentären Gesundheitsschutz. "Das liegt daran, dass sie Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten", sagte der CDU-Politiker. Die Länder sollten so schnell wie möglich Rahmenverträge mit den Kassenärztlichen Vereinigungen abschließen, erklärte Lewe.
Krankenhäuser nicht ausreichend gerüstet
Bereits zuvor hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Bund und Länder aufgefordert klarzustellen, wie die Aufnahme kranker und verletzter Menschen aus der Ukraine geregelt werden soll. "Wir sind für die Verlegung von ukrainischen Patienten und Kriegsverletzten derzeit nicht so aufgestellt, wie wir es sein müssten", sagte Verbandschef Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Freitag.
Er kritisierte fehlende Beschlüsse der Bund-Länder-Runde. Es gebe noch offene Fragen, erklärte Gaß, unter anderem, wie die Kliniken die ukrainischen Patienten ohne viel Bürokratie, aber rechtssicher behandeln und die Leistungen abrechnen könnten.
Auch die Verteilung der geflüchteten Menschen sorgt weiter für Diskussion. Städtetagspräsident Lewe forderte erneut, die Verteilung der Flüchtlinge zu verbessern. Die Städte seien weiter bereit, Menschen aufzunehmen, die vor diesem schrecklichen Krieg Zuflucht suchten. "Die Verteilung der Menschen auf die Städte und Regionen muss allerdings besser werden", sagte Lewe. "Außerdem muss eine kluge Verteilung in der Europäischen Union gelingen."
Uneinigkeit über Verteilung in der EU
In der EU bahnt sich genau darüber wohl neuer Streit an. Nach einem Bericht des "Spiegel" sind sich die Mitgliedsstaaten über die Flüchtlingsverteilung uneinig. In einem internen Bericht der deutschen EU-Vertretung heißt es demnach, Ungarn habe sich bei einem Krisentreffen in Brüssel in der vergangenen Woche gegen einen Vorschlag Italiens, Griechenlands und Luxemburgs gestellt. Die drei Länder hätten gemeinsame Anstrengungen "zur nachhaltigen Unterbringung Hunderttausender Flüchtlinge" gefordert.
Griechenland habe zudem eine "verpflichtende Solidarität" ins Spiel gebracht, da früher oder später Umsiedlungen von Geflüchteten notwendig würden. Ungarns Vertreter habe den Vorstoß sogleich als zu kontrovers und "kontraproduktiv" abgelehnt.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat am 24. Februar begonnen. Nach UN-Angaben sind seitdem mehr als 3,1 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflohen. Allein in Polen kamen bisher rund zwei Millionen Menschen an.
Lebensmittellieferungen in die Ukraine
Neben der Versorgung der Geflüchteten gehen auch die Hilfslieferungen für die Menschen weiter, die sich noch in der Ukraine befinden. Die deutsche Ernährungswirtschaft hat nach Angaben von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) bereits mehr als 3000 Tonnen Lebensmittel in die Ukraine geliefert. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hatte Anfang März eine Koordinierungsstelle für Lebensmittelhilfen der deutschen Ernährungswirtschaft für die Ukraine eingerichtet.
Das Gesamtvolumen der zugesagten Lieferungen der deutschen Lebensmittelunternehmen beläuft sich Özdemir zufolge einschließlich der bereits gelieferten Waren auf derzeit insgesamt 130 Lkw-Ladungen mit über 4100 Paletten. Es würden vor allem Grundnahrungsmittel, Getränke wie Wasser und Saft, Babynahrung sowie Fisch-, Fleisch und Dosenkonserven geliefert. Deutsche Hilfsgüter seien unter anderem in Richtung Charkiw, Kiew und Saporischschja verteilt worden.
Özdemir betonte: "Solidarität mit der Ukraine und ihren Menschen ist eine Frage der Menschlichkeit." Er danke allen Unternehmen in Deutschland, die schnell und unbürokratisch Hilfe leisteten. "Wir tun alles, um den Menschen in den Kriegsgebieten zu helfen", erklärte der Minister.