Bericht des Europarats Deutschland tut zu wenig gegen Armut und Wohnungsnot
In Deutschland wächst nach Ansicht des Europarats die soziale Ungleichheit: In einem Bericht wird die Bundesregierung aufgefordert, mehr dagegen zu unternehmen. Der Europarat rückt dabei drei Tätigkeitsfelder in den Fokus.
Ein Bericht des Europarats zu Deutschlands Sozialpolitik stellt der Bundesrepublik kein gutes Zeugnis aus: Darin fordert der Europarat mehr Anstrengung bei der Bekämpfung von Armut, Wohnungslosigkeit und Ausgrenzung. Das hohe Maß an Armut und sozialer Benachteiligung stehe in keinem Verhältnis zum Reichtum des Landes, heißt es in dem Bericht.
Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, begrüßte zwar die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen, etwa das Sozialsystem zu reformieren, um es zugänglicher zu machen, die Sozialversicherungsleistungen zu erhöhen und mehr Ausbildungsmöglichkeiten für Arbeitslose anzubieten. Es seien jedoch weitere Anstrengungen nötig, um die "wachsende Ungleichheit" zu bekämpfen.
Kampf gegen Rassismus gefordert
Armut sei vor allem für Kinder, Senioren und Menschen mit Behinderungen ein großes Problem. Es brauche entschlossene Schritte, um den Kreislauf der Kinderarmut zu durchbrechen, heißt es in dem Bericht. Auch müssten die Kinderrechte gestärkt und etwa mit einer zentralen Behörde koordiniert werden, weil sonst die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen bei politischen Entscheidungen übersehen würden - wie beispielsweise während der Corona-Pandemie. Außerdem müsse gegen die hohe Armutsquote bei Seniorinnen und Senioren vorgegangen werden.
Besondere Aufmerksamkeit sollte demnach auch dem wachsenden Rassismus gewidmet werden, der das Potenzial habe, den sozialen Zusammenhalt zu untergraben und demokratische Institutionen zu destabilisieren, heißt es in dem Bericht. Aus Berlin hieß es dazu, die Bundesregierung arbeite "derzeit an einer neuen Strategie" mit einem "umfassenden Ansatz", der "repressive" und "präventive" Ansätze" umfassen soll.
"Wohnungslosigkeit mit allen Mitteln bekämpfen"
Über die zunehmende Zahl wohnungsloser Menschen zeigte sich Mijatovic besorgt. Das Recht auf Wohnen als Menschenrecht für alle werde leider nur begrenzt anerkannt. Um Obdachlosigkeit zu verhindern und zu beseitigen, seien umfassende und langfristige Maßnahmen nötig. Deutschland müsse alle zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen, einschließlich Eingriffen in den Wohnungsmarkt und Änderungen des Mietrechts.
In der Stellungnahme der Bundesregierung hieß es, man teile "die Sorgen der Kommissarin hinsichtlich der steigenden Zahl wohnungsloser Menschen in Deutschland". Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass erstmals beschlossen worden sei, einen Nationalen Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungslosigkeit zu verabschieden. Dieser soll dabei helfen, die Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden.
Der Europarat wurde 1949 zum Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet. Er ist von der Europäischen Union unabhängig. Ihm gehören 46 europäische Staaten an. Der nun veröffentlichte Bericht folgt auf einen Besuch von Mijatovic Ende des vergangenen Jahres in Deutschland. Dabei traf sie Bundesminister und Vertreter auf kommunaler Ebene sowie aus der Zivilgesellschaft.