CDU-Generalsekretär Ziemiak Von der Tanzfläche ins Adenauer-Haus
Der neue CDU-Chef sollte bereits gewählt sein. Doch durch die Corona-Pandemie kommt der Parteitag später und wohl nur digital. Die Planung liegt bei Generalsekretär Ziemiak - der sich schon als "Krisenmanager" für die Partei bewährt hat.
Dezember 2018: CDU-Parteitag in Hamburg. Annegret Kramp-Karrenbauer ist gerade zur Parteivorsitzenden gewählt worden und auf Partnersuche. Am Parteiabend, am Rande der Tanzfläche, wird sie fündig. Da steht der Chef der Jungen Union (JU). Wenig später wird Paul Ziemiak der jüngste Generalsekretär der CDU.
Eine Geschichte, die er noch seinen Enkelkindern erzählen kann. Ungewöhnlich ist sie allemal. So zumindest hat es noch keiner ins Adenauer-Haus geschafft. Nicht alle sind anfangs begeistert, vor allem die Parteifreunde in der JU nicht. War Ziemiak doch bekennender Anhänger von Jens Spahn und Friedrich Merz - beide Kramp-Karrenbauers Konkurrenten im Kampf um den Parteivorsitz. Jetzt also ist er die rechte Hand von Kramp-Karrenbauer.
Corona lässt Parteitag platzen
Zwei Jahre später ist Ziemiak aber vor allem "Krisenmanager". Die Chefin ist seit zehn Monaten auf Abruf, die Frage nach ihrem Nachfolger zu einer Hängepartie geworden. Die Corona-Pandemie hat auch der CDU-Spitze mehrere Striche durch ihre Planung gemacht. Die Kandidaten waren zwischendurch heillos zerstritten, ob, wann und wie ein Parteitag stattfinden kann. Wenn der CDU-Generalsekretär nicht vermittelt hätte, würde man jetzt wohl immer noch nicht an einem digitalen Parteitagskonzept arbeiten.
Die CDU-Spitze will die Sache vom Tisch haben. Ziemiak will seiner Partei ein rechtssicheres Konzept vorschlagen: "Es wäre gut, wenn der Bundesvorstand in seiner Sitzung am 14. Dezember entscheidet, dass wir im Januar 2021 einen digitalen Parteitag durchführen werden und dann auch einen neuen Vorsitzenden wählen. Das bringt Klarheit für die Mitglieder der CDU und für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland."
Die CDU soll "digitale Kampagnenmaschine" werden
Beim Stichwort Digitalisierung gerät Ziemiak regelrecht ins Schwärmen: "Die CDU ist eine digitale Partei, die auch in Corona-Zeiten voll handlungsfähig ist, bis in den kleinsten Ortsverband hinein. Mein Anspruch ist es, dass unsere Parteizentrale und die gesamte CDU im Wahljahr eine moderne und digitale Kampagnenmaschine ist."
Dabei war Digitalisierung für die CDU vor zwei Jahren Niemandsland - angestaubt, Old School, im Netz nicht gut vernetzt. Die Partei wirkte alles andere, als dynamisch und digital. Das fällt Kramp-Karrenbauer und Ziemiak gleich zu Beginn auf die Füße, als der YouTuber Rezo im Netz über die Vernichtung der CDU spricht. Das Adenauer-Haus wirkt dabei hüftsteif und überfordert. Es wird klar: Der CDU fehlen die Influencer und die pfiffigen Ideen.
Kramp-Karrenbauer und ihr Generalsekretär machen da keine gute Figur, auch weil die Kommunikation nach außen völlig schief läuft. Da wurde eiligst ein Antwortvideo mit dem Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor produziert. Die Öffentlichkeit bekommt das jedoch nie zu sehen. Heute sagt Ziemiak, es sind Fehler passiert: "Aber, wir haben aus Fehlern gelernt und mancher Fauxpas wird uns so nicht wieder passieren. Deshalb haben wir uns mit einem neuen Kommunikationskonzept online und offline neu aufgestellt."
Jetzt gibt es im Adenauer-Haus einen Newsroom, wie bei der SPD. Zwölf Mitarbeiter durchkämmen hier die Medien und die sozialen Netzwerke. Den CDU-Newsroom zeigt Ziemiak gern und betont, dass das mit Journalismus nichts zu tun habe. Für ihn ist der Newsroom, wenn man so will, ein Krisenradar, das auch verhindern soll, dass die Rezos dieser Welt künftig unbeobachtet über die CDU herfallen können.
Thüringen als Bewährungsprobe
Und Ziemiak selbst hat sich auch verändert. Anfangs wirkte er fast ein bisschen verloren im Adenauer-Haus, auf der Suche nach seinem Stil, seinem Thema, etwas womit er politische Akzente setzen kann. In der Öffentlichkeit wird der junge Generalsekretär schnell als "Fehlbesetzung" abgestempelt.
Dann passiert Thüringen. Für Kramp-Karrenbauer wird es zum letzten Stolperstein als CDU-Chefin. Die schwierigen Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl werden zum Problem - erst in Thüringen, dann in Berlin und am Ende zwischen Erfurt und Berlin. Wie hält es die Partei mit der Linken und der AfD? Die CDU-Zentrale besteht auf ein Nein an beide Parteien und will das auch in Erfurt durchsetzen. Die Parteifreunde in Thüringen empfinden das als übergriffig. Das sei wie im Sozialismus, schimpfen Teile der Basis im Osten.
Es offenbart sich eine Diskrepanz zwischen der Parteispitze in Berlin und dem politisch Machbaren in den Ostverbänden. Die Frage, was passiert, wenn die Unregierbarkeit droht, bringt die Thüringer CDU in schweres Fahrwasser und die Bundesvorsitzende zu Fall. Ziemiak aber gewinnt genau in dieser Parteikrise mehr und mehr an Profil. Der Generalsekretär fordert klare Kante gegen Rechts, gegen die AfD und er ist einer, der sich den unangenehmen Fragen der Basis stellt. Das hat er zuvor auch im sächsischen Wahlkampf getan. Er besuchte die Kohleregionen und hörte sich die Sorgen der Parteifreunde im Osten an. Ziemiak erkennt, wie nur wenige in der Parteispitze, dass das Thema Aufmerksamkeit braucht.
Zuhören, was die Basis will, vermitteln zwischen den Fronten - das liegt ihm wohl. Ein hemdsärmeliger Scharfmacher war er ohnehin nie. Und er hat Glück, bei allem Trubel im Adenauer-Haus, die scheidende Parteivorsitzende lässt ihn gewähren. Manchmal hat man den Eindruck, der Ziemiak ist da allein zu Haus, bei den fast einsamen Corona-Pressekonferenzen. Eine persönliche Antwort auf seine politische Zukunft umschifft er gern. Da hilft in diesen Tagen im Adenauer-Haus nur Kurzsichtigkeit. Der neue Chef wird entscheiden, wer bleiben darf und wer nicht.