Friedrich Merz

Staatsangehörigkeitsrecht Merz' Problem mit dem Doppelpass

Stand: 08.01.2025 01:28 Uhr

Eigentlich wollte CDU-Kanzlerkandidat Merz Migration nicht zum Hauptthema des Wahlkampfs machen. Doch seine Äußerungen der vergangenen Tage klingen anders - besonders in Sachen Staatsangehörigkeit.

Von Iris Sayram, ARD-Hauptstadtstudio

Beim CSU-Parteitag im Oktober in Augsburg sagte Friedrich Merz noch, er wolle "eigentlich keinen Migrations- und Einwanderungswahlkampf führen". Inzwischen klingt das beim Kanzlerkandidat der Union ganz anders. Im Interview mit der "Welt am Sonntag" sagte er zuletzt, es müsse eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, "wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben".

"Wir sehen immer deutlicher, dass wir mit der großen Zahl der zu uns kommenden, oftmals gar nicht schutzbedürftigen Menschen in Deutschland einfach nicht mehr zurechtkommen", meint der CDU-Politiker.

Die Äußerungen passen zum Wahlprogramm der Union. Darin verspricht sie unter anderem ein "Gesetz zur Bekämpfung des Extremismus". Darin will die Union "eine zwingende Regelausweisung, das Versagen eines Aufenthaltstitels und bei Doppelstaatlern den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit" einführen.

Laut Grundgesetz möglich

Kritik folgte prompt auf Merz' Äußerungen. Vor allem der Verlust des deutschen Passes sorgt für Debatten.

Wie sieht das rechtlich aus? Im Grundgesetz ist in Artikel 16 Satz 1 festgelegt, dass der Staat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entziehen darf. Doch bereits der nächste Satz eröffnet die Möglichkeit, dass Bürger die Staatsangehörigkeit verlieren könnten:

Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.
Artikel 16 Absatz 1 Grundgesetz

Bereits 2019 ist im Staatsangehörigkeitsrecht für terroristische Kämpfer im Ausland geregelt worden, dass sie die Staatsangehörigkeit verlieren. Die Änderung sollte wenige Einzelfälle betreffen.

Im Gesetzgebungsverfahren warnte der Jurist Daniel Thym bereits: "Es dürfte das Staatsangehörigkeitsrecht strukturell und rechtlich überfordern, wenn ein Passverlust zum bevorzugten Instrument würde, um Fehlentwicklungen zu bekämpfen", wie etwa bei Straftaten im Bereich der Clankriminalität.

"Antisemitische Straftat" als Anknüpfungspunkt

Die Union möchte eine Verurteilung wegen einer antisemitischen Straftat ausreichen lassen, um einen Doppelstaatler auszubürgern. Einen Straftatbestand Antisemitismus gibt es im deutschen Strafrecht aber nicht.

"Hier dürfte es für Betroffene schwer vorhersehbar sein, mit welchem Verhalten sie sich der Gefahr aussetzen, ihren deutschen Pass zu verlieren", sagt Matthias Goldmann, Verfassungsrechtsexperte von der EBS-Universität Wiesbaden. "Es gibt zwar Delikte wie die Volksverhetzung, die antisemitisch motiviert sein können, aber es gibt einen breiten Streit darüber, was genau antisemitisch ist. Vor allen Dingen, wenn es um die Kritik an der israelischen Regierung geht."

Für Goldmann ist die Forderung schlicht mit der Verfassung nicht vereinbar, weil sie in Deutsche erster und zweiter Klasse einteilt. Deutsche mit Migrationshintergrund und ohne - "Passdeutsche", wie sie von der AfD genannt werden.

Straftäter-Ausbürgerung verfassungswidrig?

Auch das Bundesinnenministerium hält Merz' Vorschlag für rechtlich fragwürdig. "Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit allein aufgrund des Verstoßes gegen Strafvorschriften wäre mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben" nicht vereinbar, erklärt ein Sprecher des Ministeriums.

Wenn einem Kriminalitätsphänomen mit dem vorhandenen rechtsstaatlichen Instrumentarium begegnet werden könne, stelle sich die Aberkennung der Staatsangehörigkeit nicht als "verhältnismäßiges Mittel" dar.

Rückabwicklung der Einbürgerungserleichterungen

Aber die Union will noch mehr. SPD, Grüne und FDP hatten 2024 das Staatsangehörigkeitsrecht reformiert. Eine Einbürgerung sollte schneller möglich sein, wenn der Einzubürgernde besonders gut integriert ist, die deutsche Sprache beherrscht und seinen Lebensunterhalt selbständig trägt. Wer in seinem Job besonders herausragende Leistung erzielt und sich ehrenamtlich engagiert, kann die Einbürgerung bereits nach drei Jahren beantragen.

Das Gesetz sieht zudem eine Erleichterung für die sogenannten Gastarbeiter vor, die bis 1974 nach Deutschland gekommen sind. Es sollte ihre Lebensleistung für die deutsche Wirtschaft honorieren und versäumte Integrationsangebote - zumindest symbolisch - kompensieren. Man werde es rückabwickeln, verspricht die Union.

"Bedrückend" nennt das Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Videobotschaft. "Ich bin dafür, dass die Reform bleibt." Scholz schließt mit einem Wahlaufruf für die SPD.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. Januar 2025 um 10:12 Uhr.