Bundesrat Maghreb-Staaten sind nicht sicher
Der Bundesrat hat eine Einstufung der drei Maghreb-Länder Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten abgelehnt. Die Bundesregierung hatte auf diesem Weg schnellere Abschiebungen ermöglichen wollen. Kritiker begründeten ihr "Nein" mit Verstößen gegen Menschenrechte.
Der Bundesrat hat die Einstufung der drei Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten abgelehnt. Damit hat das Gremium die Pläne der Bundesregierung abgeschmettert, die bereits für den Gesetzentwurf gestimmt hatte. Doch die Gegner der Neuregelung sehen die Voraussetzung für die neue Einstufung - keine politische Verfolgung oder unmenschliche Bestrafung in den Ländern - noch lange nicht erfüllt.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière bedauerte das Votum des Bundesrats und sprach von politischem Kalkül einiger Bundesländer. Vor allem die Grünen sah er in der Verantwortung, warum das neue Gesetz als wichtiger Baustein, um "illegale Migration zu stoppen", abgeblockt worden sei.
Klare Mehrheit im Bundestag
Der Bundestag hatte den Gesetzentwurf, die Maghreb-Staaten für sicher zu erklären, bereits im vergangenen Mai mit klarer Mehrheit abgesegnet: 424 Abgeordnete stimmten für die Neueinstufung, 143 dagegen. Das Ziel der Bundesregierung war klar: schnellere Asylverfahren und schnellere Abschiebungen. Zudem sollte in die Maghreb-Staaten das Signal gesendet werden, dass sich die Flucht nach Deutschland nicht lohnt.
Grüne und Linkspartei als Dauerkritiker
Eigentlich hatte der Bundestag kurz darauf - im Juni 2016 - über den Gesetzesentwurf abstimmen sollen, doch der Punkt wurde kurzfristig wieder von der Tagesordnung gestrichen. Die Argumente für und gegen die Neueinstufung haben sich seitdem aber kaum verändert. Vor der aktuellen Sitzung des Gremiums hatte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ein weiteres Mal dazu aufgerufen, für die Einstufung als sicher zu stimmen. "Dass es kaum Asylgründe für Flüchtlinge aus diesen Ländern gibt, zeigt die Anerkennungsquote von etwa einem Prozent", begründete Müller seinen Appell in der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Ein Appell, der sich vor allem an die Kritiker des neuen Gesetzes richtete: die Linkspartei und die Grünen. Vor allem aus den Bundesländern, in denen die Parteien an der Regierung beteiligt sind, kam Widerstand. Eine Ausnahme war das grün-schwarze Baden-Württemberg, dass sich hinter die Pläne der Bundesregierung gestellt hatte. Und auch die Kritiker behielten ihre Tonlage in der monatelangen Diskussion bei: In den betroffenen Maghreb-Staaten würden immer noch Menschenrechte verletzt, was der Gesetzentwurf vollkommen ignorieren würde.
Maghreb-Flüchtlinge - überhaupt noch ein Problem?
Das unterstrich auch Dieter Lauinger, Justizminister in Thüringen, während der Debatte im Bundesrat. Homosexuelle würden immer noch verfolgt, Andersdenkende seien in den Maghreb-Staaten noch immer Repressalien ausgesetzt, sagte der Grünen-Politiker. Zudem stellte er infrage, ob das Problem wirklich in den Zahlen der aus diesen Ländern ankommenden Flüchtlingen liege: Im Februar seien es gerade einmal 268 Asylsuchende gewesen.
"Natürlich ist dort nicht alles Gold"
Auf den Kritikpunkt der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen habe die Bundesregierung aber bereits reagiert und das Gesetz ergänzt, hielt der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder dagegen: Verfolgte Gruppen wie Homosexuelle, Journalisten oder religiöse Minderheiten sollten vom neuen Gesetz ausgeschlossen und deren Asylanträge nach bisheriger Rechtslage geprüft werden. Zudem werde auch künftig jeder Fall einzeln geprüft, nur in schnelleren Verfahren.
Die Menschenrechtslage in den drei Ländern seien von der Bundesregierung eingehend geprüft worden. "Natürlich ist dort nicht alles Gold", räumte Schröder zwar ein, so werde in Tunesien etwa noch die Todesstrafe verhängt. Doch bei Verstößen handele es sich um "Einzelschicksale" und die stünden einer Neueinstufung der Maghreb-Staaten nicht im Wege.
Gesetz als Reaktion auf Kölner Silvesternacht
Die Diskussion um die Maghreb-Flüchtlinge hatte vor allem nach der Silversternacht von 2015 auf 2016 an Schärfe zugenommen: An den massenhaften Übergriffen auf Frauen in Köln sollen nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums fast nur Menschen mit Migrationshintergrund beteiligt gewesen sein, darunter auch viele Nordafrikaner.
Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann griff die Kölner Silvesternacht als Argument auf. Die Politik müsse sich schon fragen lassen, "was ist denn nun - 14 Monate später - konkret geschehen?", fragte Herrmann vor dem Bundestag. Zum Schutz der Bevölkerung und mit denen, die als Täter erkannt worden seien. Das neue Gesetz wäre nur ein folgerichtiger Schritt, um solche Vorfälle künftig zu verhindern.
Doch alle Argumente der Befürworter halfen nichts - die erforderliche Mehrheit von 35 Stimmen kam im Bundesrat nicht zusammen. Nun bleibt der Bundesregierung als letzter Strohhalm noch, einen Vermittlerausschuss anzurufen, um ihren Gesetzentwurf doch noch durchzusetzen.