Ringen in der Union Söders Machtspiele
Je mehr Laschets Autorität in der Union schwindet, desto stärker wirkt CSU-Chef Söder. Seitenhiebe gegen den Glücklosen verstärken den Eindruck. Was treibt Söder? Geht es ihm wirklich um die Macht im Bund?
CSU-Chef Markus Söder weiß, was sich gehört. Deswegen ist es seiner Meinung nach auch wichtig, ein Wahlergebnis zu respektieren. Dazu gehöre für ihn "auch vom Stil her", dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zum Wahlerfolg zu gratulieren, sagte er am Dienstagnachmittag kurz vor der Unions-Fraktionssitzung. Ganz so, als habe er selbst nicht fast zwei Tage gebraucht, um das über die Lippen zu bringen, was seit dem späten Sonntagabend feststeht: Die SPD mit Kanzlerkandidat Scholz ist stärkste Kraft in Deutschland.
Söders Glückwünsche wurden sofort als das verstanden, was sie waren: eine Spitze gegen CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Denn der hatte Scholz zu diesem Zeitpunkt noch nicht gratuliert. Söder, der geborene Servicepolitiker, der weiß, was sich politisch gehört. Und die neue moralische Instanz der Union hatte noch eine weitere Brutalität Richtung Laschet auf Lager: "Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz. Eindeutig."
Damit hat Söder denjenigen in der CDU, die auch so denken, es aber aus Loyalität gegenüber ihrem glücklosen Vorsitzenden Laschet bisher nicht so offen sagen konnten, sogar gewissermaßen einen Gefallen getan. Er hat die Rolle desjenigen übernommen, der unangenehme Wahrheiten verkündet: Die Union hat die Wahl verloren.
Vage Hoffnung auf Jamaika
Ganz aus dem Spiel um die Regierungsbildung ist sie damit noch nicht. An die vage Jamaika-Hoffnung klammern sich ja auch Laschet und die Seinen weiterhin. Man stehe bereit, hieß es von Bundesvorstand und Präsidium der CDU. Vermutlich am Sonntagabend soll es ein erstes Sondierungsgespräch mit der FDP geben. Ein Gespräch zwischen Union und Grünen könnte dann Anfang kommender Woche folgen.
Auch die CSU will mit Grünen und FDP über ein mögliches Regierungsbündnis reden. Aber noch scheint es, keinen inhaltlichen Plan zu geben. Die Zeit läuft gegen die Union und damit auch gegen Laschet.
Die CSU steht für Ordnung
Nun ist Söder kein Ein-Mann-Abriss-Unternehmen. Er hat Assistenten beim Rückbau von Laschets parteinterner Autorität, wie zum Beispiel CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Wenn der mit Blick auf die Organisation der Unionsfraktion erklärt, die CSU wolle "Ordnung", dann ist das Signal eindeutig: Für Ordnung stehen in diesem Zusammenhang Söder und die CSU. Heißt im Umkehrschluss: Laschet ist das verkörperte Chaos.
Vom Thron stoßen müssen Laschet schon andere, aber die Vorarbeit hat Söder mitgeleistet. Anders als im Frühjahr, als es um die Kanzlerkandidatur ging, hat Söder bisher nicht angeboten, an Laschets Stelle als Verhandlungsführer zu treten. Es ist auch unklar, ob er das wirklich ernsthaft will, zumal es die internen Probleme der CDU nicht lösen würde.
Geht es Söder eigentlich um die Bayern-Wahl?
Womöglich hat Söder ohnehin mehr sein eigenes politisches Überleben in Bayern im Blick. Der CSU-Chef muss die Landtagswahl in Bayern in zwei Jahren gewinnen. Ginge die Union im Bund in die Opposition, könnte die CSU in Bayern einen Wahlkampf gegen die SPD-geführte Regierung von Scholz machen. Tatsächlich dürfte die Landtagswahl 2023 für Söder wohl die alles entscheidende Wegmarke sein. Zumal das Abschneiden der CSU jetzt bei der Bundestagswahl eher mau war, auch wenn die Verluste nicht so hoch waren, wie bei der CDU.