Interview

Experte zu Anti-Euro-Populisten "Die Gefahr liegt in der Verrohung der Politik"

Stand: 12.03.2013 10:02 Uhr

Kritiker des Euros bereiten die Gründung einer Partei mit dem Namen "Alternative für Deutschland" vor. Sie soll im April offiziell ins Leben gerufen werden. tagesschau.de sprach mit dem Politikwissenschaftler Alexander Häusler über die Motive und Chancen der Euro-Gegner.

tagesschau.de: Die "Alternative für Deutschland" (AfD) schreibt auf ihrer Seite unter anderem: Die Bundesrepublik Deutschland stecke "in der schwersten Krise ihrer Geschichte". Die Einführung des Euro habe sich als eine "fatale Fehlentscheidung erwiesen, die unser aller Wohlstand bedroht", heißt es dort. Wie ist diese Sprache und wie sind die hier entworfenen Szenarien zu bewerten?

Alexander Häusler: In den Statements finden sich Überschneidungen mit rechtspopulistischer Rhetorik. Diese nationalen Untergangsprophezeiungen, die dort entworfen werden - übrigens im Kontrast zur realen Rolle der deutschen Wirtschaft als Profiteur vom Euro und der EU-Politik - finden sich bei allen rechtspopulistischen Parteien in Europa, die auch die gleichen Angstthemen und Ressentiments aufgreifen: den Verlust nationaler Souveränität, die angeblich unkontrollierte Zuwanderung , die "EU-Bonzen" und so weiter.

Zur Person

Alexander Häusler ist Sozialwissenschaftler. Er arbeitet bei der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. Er befasst sich vor allem mit rechtspopulistischen Organisationen.

tagesschau.de: Welche Ziele sollen damit erreicht werden?

Häusler: Im Kontext der EU-Krise wird über das Euro-Thema versucht, die breit vorhandene Ängste vor wirtschaftlichem Kollaps und der Skepsis gegenüber der EU-Krisenpolitik für eine Politik des chauvinistischen Wutbürgertums nutzbar zu machen. Hierbei steht die politische Ausrichtung der AfD augenscheinlich in Tradition des früheren rechtspopulistischen und neoliberalen "Bundes freier Bürger".

tagesschau.de: Welche Chancen geben Sie einer neuen Anti-Euro-Partei?

Häusler: Hinsichtlich der populistischen Themenwahl könnte sicherlich ein breiteres Potenzial an Protestwählern gebündelt werden. Allerdings ist die Zeit zwischen Parteigründung und Wahlantritt wohl sehr eng, um sich wirklich breit aufstellen zu können. Zudem hat die kürzlich erfolgte Wahlschlappe des Rechtspopulisten Geert Wilders, der in den Niederlanden mit seinem Anti-EU-Wahlkampf über die Hälfte seiner Anhängerschaft verloren hat, auch mögliche Grenzen von allzu plumpem politischen EU-Bashing gezeigt.

Sollte die AdF jedoch in der Lage sein, ihre Themenpalette geschickt zu erweitern, könnte dies weitreichende politische Folgen haben: Gelingt es einer Partei rechts von der Regierungskoalition, die enttäuschten Nationalkonservativen und Marktradikalen zur Wahl zu mobilisieren und zugleich noch ein breiteres rechtsorientiertes Wutbürgertum einzubinden, kippt die jetzige Regierung. Hierbei könnte die AfD entscheidende Impulse zum Wahleinbruch der FDP betragen und damit zum Totengräber der jetzigen Koalition werden. Ob diese Mobilisierungsfähigkeit real vorhanden ist, würde ich angesichts des aktuellen Personals der AfD bezweifeln.

tagesschau.de: Bei der AfD sind viele Volkswirte, Publizisten und andere vorzeigbare Personen dabei. Was für ein Zeichen ist es in der politischen Kultur, dass angesehene Persönlichkeiten, auch wie im Fall Sarrazin, offen rechtspopulistische Thesen verbreiten?

Häusler: Die Gefahr liegt in der Verrohung der politischen Kultur, wenn sachliche Auseinandersetzung durch emotionalisierte Feindbildkampagnen ersetzt wird. Daraus erfolgt immer die Personifizierung von Feindbildern, wobei oftmals die Schwächsten zu Sündenböcken auserkoren werden. Konkret droht etwa eine Fokussierung auf die sog. Armutsflüchtlinge aus Südosteuropa, was verheerende Folgen für das friedliche gesellschaftliche Zusammenleben in unserer Einwanderungsgesellschaft haben könnte. Sollten die Kampagnen der AfD wirklich auf breitere Resonanz stoßen, ist zu befürchten, dass die Regierungskoalition aus Angst vor Stimmenverlusten aus dem rechten Lager auch in den Chor rechtspopulistischer Wahlkampfrhetorik einstimmt. Losgelöst von der Frage, wer aus einem solchen Szenario letztendlich als Sieger hervortreten würde, würde sich dies negativ auf die politische Kultur hierzulande wie auch für Europa auswirken.

Das Interview führte Patrick Gensing, tagesschau.de