Interview zum Wahlerfolg der Rechten "Ein Wahlerfolg mit Sogwirkung"
Der Wahlerfolg des Rechtspopulisten Wilders in den Niederlanden wird auch hierzulande kontrovers diskutiert. Ob das Erstarken der Partei der Freiheit auch auf die Stimmung gegenüber dem Islam in Deutschland Einfluss hat, hat tagesschau.de den Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler gefragt.
tagesschau.de: Wie schätzen Sie den Wahlerfolg von Geert Wilders und seiner Partei für die Freiheit ein?
Alexander Häusler: Er kam absolut nicht unerwartet. Was man dort sieht, ist eigentlich das Ergebnis der populistischen Schraube, die von diesen islamfeindlichen Bewegungen losgetreten wird - hier in Gestalt der Wilders-Partei – und die Erfolg zeitigt. Seine Inszenierung, islamfeindliche Parolen in die Welt zu setzen, irrige Forderungen wie den Koran zu verbieten oder Muslime auszuweisen, hat ja bekannterweise zu seinem Prozess geführt und gleichzeitig hat er sich erfolgreich als Opfer einer vermeintlichen Meinungsdiktatur inszeniert. Das ist diese populistische Schraube, an der Geert Wilders scheinbar perfekt dreht - und das regt zu Nachahmungen in ganz Europa an.
Wilders ist Vorbild für deutsche Rechtsextremisten
tagesschau.de: Könnten die Erfolge von Wilders auch die Stimmung gegenüber dem Islam in Deutschland beeinflussen?
Häusler: Die Stimmung ist ja schon beeinflusst durch diese populistische Inszenierung von Wilders, beispielsweise durch seinen billigen Propagandafilm "Fitna", der zu internationalen Reaktionen und Diskussionen geführt hat. Und auch die jüngsten Inszenierungen, die sein Gerichtsverfahren nach sich gezogen haben, haben gezeigt, dass sich mit diesen populistischen Eskalationsstrategien Erfolg erzielen lässt. Wenn man sieht, dass alle Rechtsaußenparteien hier in der Bundesrepublik positiv auf diesen Aktionismus von Wilders in den Niederlanden verweisen und ihn zum Vorbild erklären, dann sieht man, dass das auch eine Sogwirkung auf die Rechtsaußengruppierung in der Bundesrepublik hat.
tagesschau.de: Welche Verbindungen gibt es zwischen der Wilders-Partei und den "pro"-Bewegungen in Deutschland, vor allem zu "pro Köln"?
Häusler: Es gibt keine direkte Verbindung. Aber diese im europäischen Vergleich noch unbedeutende "pro"-Bewegung hat die Partei von Geert Wilders als Vorbild erkoren. Sie versucht, in diesem Sog dieser erfolgreichen islamfeindlichen Populisten mitzuschwimmen. Geert Wilders selbst achtet peinlichst genau darauf, zu offen rechtsextremen Gruppierungen in Europa auf Abstand zu gehen. Er ist aber schon bei Rechtsaußengruppierungen in der israelischen Knesset aufgetreten und hat dort versucht, auf dem Ticket der Islamfeindlichkeit mit rechten Kräften zusammenzuarbeiten.
Die Islamfeinde in Europa eint ein Kulturrassismus
tagesschau.de: Aber Wilders hat doch in der Vergangenheit geäußert, er könne sich durchaus eine gemeinsame Fraktion der islamfeindlichen Parteien im Europaparlament vorstellen?
Häusler: Richtig, man muss sich klar darüber sein, dass es in Europa eine brüchige und in sich widersprüchliche Achse der Islamfeinde gibt in den unterschiedlichen Ländern, die alle ein Kulturrassismus eint. Die Partei von Wilders ist dort das verbindende Glied. Im Europaparlament, wo die Partei der Freiheit bei den letzten Wahlen wieder einen großen Erfolg errungen hat, kann man sehen, dass sich dort noch keine neue Fraktion gebildet hat. Die alte europäische Rechtsaußenfraktion ist zerbrochen an internen Konflikten. Jetzt wird probiert, eine neuen Achse, eine neue Fraktion zusammenzustellen. Das ist aber bis jetzt nicht zu Stande gekommen.
tagesschau.de: Auch, wenn Wilders den direkten Kontakt zu den "pro"-Bewegungen meidet, treten Vertraute von ihm aber immer mal auf islamfeindlichen Veranstaltungen auf - wie beim sogenannten "Anti-Islamisierungskongress" in Köln im vergangenen Jahr. Wie passt das zusammen?
Häusler: Die Islamfeinde unterschiedlicher Couleur treffen sich unter dem einigenden Banner des Kulturrassisimus. Deswegen sieht man auch bei Aufmärschen, bei Aktivitäten und öffentlichen Veranstaltungen von "pro Köln" auch Vertreter und Persönlichkeiten der niederländischen Partei für die Freiheit. Die "pro"-Bewegung versucht jetzt Ende März erneut ein rechtspopulistischen Spektakel im Ruhrgebiet zu veranstalten. Dort haben sie zu einer sogenannten "Europäischen Anti-Minarettkonferenz" eingeladen. Zu diesem Spektakel sind auch Geert Wilders und Vertreter seiner Partei eingeladen.
tagesschau.de: Wird Wilders bei weiteren Wahlerfolgen, beispielsweise bei den bevorstehenden Parlamentswahlen, sein Beziehungsnetz in Europa vielleicht noch enger knüpfen und auch die "pro"-Bewegung und andere Anti-Islam-Parteien mit einbeziehen?
Häusler: Man muss sehen, dass der Erfolg von Wilders in den Niederlanden dadurch zustande kommt, dass er den Rassismus mehrheitsfähig machen kann, weil er sich selber gleichzeitig von offen rechtsextremistischen Gruppierung distanziert, die in den Niederlanden im Vergleich zu anderen europäischen Ländern keinen großen Zuspruch haben. In den Niederlanden ist bislang keine offen rechtsextreme Partei in Erscheinung getreten oder hat größeren Zulauf bekommen. Das kulturelle und politische Klima in den Niederlanden lässt ein offenes Bekenntnis zum Faschismus auch nicht zu.
tagesschau.de: Wo genau liegt der Unterschied zur "pro"-Bewegung?
Häusler: Die "pro"-Bewegung ist eine Gruppierung von Rechtsaußen, die aus der Parteienstruktur der extremen Rechten in Deutschland entstanden ist. Sie ringt mit den Rechtsaußenparteien um das Stammwählerpotenzial und probiert gleichzeitig, einen neuen politischen Ort zu besetzen, nämlich eine Leerstelle zwischen der extrem rechten Parteienlandschaft und der konservativen etablierten Rechten. Und da sieht sie Geert Wilders und seine Partei der Freiheit, neben der FPÖ in Österreich oder dem Flaems Belang in Belgien, als Vorbild an.
Das Ziel: Kultur- und Religionskritik mehrheitsfähig machen
tagesschau.de: Kann es in Deutschland eine ähnliche Entwicklung wie in den Niederlanden geben?
Häusler: Die Situation in den Niederlanden kann nicht so ohne weiteres auf die Bundesrepublik übertragen werden. Dort gab es die großen Auseinandersetzungen nach den Morden an dem schillernden Rechtspopulisten Pim Fortuyn und an dem Filmemacher Theo van Gogh. Das ist mit Deutschland nicht vergleichbar. Was man allerdings sehen kann ist, dass auf dem Ticket des vermeintlichen Kampfs gegen Political Correctness und Meinungsdiktatur populistisch ein Feld besetzt werden kann, das bislang die rein neonazistische auftretende extreme Rechte in der Bundesrepublik nicht besetzen konnte. Nämlich vom offenen Bekenntnis zum Nationalsozialismus und auch zum Antisemitismus Abstand zu nehmen und den Rassismus, der nach wie vorhanden ist, über den Umweg der vermeintlichen Kultur- und Religionskritik mehrheitsfähig zu machen. Das ist ein Feld, das Wilders bereitet hat und das zur Nachahmung in der extremen Rechten in ganz Europa und eben auch in der Bundesrepublik einlädt.
Das Interview führte Andreas Bauer für tagesschau.de