Straße mit dichtem Verkehr in Lima
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Entwicklungshilfe Millionen aus Deutschland für Radwege in Peru?

Stand: 23.01.2024 16:09 Uhr

315 Millionen Euro: So viel gibt Deutschland angeblich für Radwege und Busse in Peru aus. Das wurde zumindest in den sozialen Netzwerken und von Politikern behauptet. Doch die Zahl lässt sich nicht nachvollziehen.

Von Tabea Huser, tagesschau.de

Mit dem Geld für die Radwege in Peru hätte die Ampelregierung die Bauern und Bäuerinnen befriedigen können, schreibt der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger auf der Plattform X. Auch der CSU-Generalsekretär Martin Huber kritisiert: "Die Ampel verteilt Geld in aller Welt, aber für unsere hart arbeitenden Bäuerinnen und Bauern ist angeblich kein Geld da?".

Der Grund für die Aufregung ist die deutsche Entwicklungshilfe. Huber führt in seinem Post auf der Plattform X mehrere Projekte auf, die Deutschland finanziere, beispielsweise grüne Kühlschränke in Kolumbien, ÖPNV in Lateinamerika und die Fahrradwege in Peru. Dass die aufgezählten Projekte bereits vor Dezember 2021 unter Bundesentwicklungsminister Gerd Müller von der CSU bewilligt wurden, erwähnte er nicht.

Vor allem die Entwicklungshilfe für Peru sorgte in den vergangenen Wochen für viel Wirbel. Immer wieder war die Rede von 315 Millionen Euro, mit denen Deutschland dort Radwege und Busse finanziere. Doch was hat es damit auf sich?

Woher die angeblichen 315 Millionen Euro stammen

Zum ersten Mal erwähnte der AfD-Abgeordnete Michael Espendiller die 315 Millionen Euro bei einer Sitzung des Haushaltsausschuss am 21. November in Verbindung mit einer Frage an einen Sachverständigen. Focus berichtete darüber und zitierte Espendiller.

Einen Tag später postete die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar die Zahl auf X. Cotar ist seit November 2021 fraktionslos, zuvor war sie Teil der AfD-Fraktion. Bei einer Rede im Deutschen Bundestag wiederholte Cotar die "315 Millionen Euro für Radwege und Busse in Peru". Auf Anfrage von tagesschau.de teilte Cotar mit, dass die Zahl zum ersten Mal im Haushaltsausschuss fiel und Focus diese dann aufgegriffen habe. Spätestens nach Cotars Rede am 1. Dezember im Bundestag war die Summe im Umlauf.

Zahl ist laut BMZ "nicht richtig"

Dass Deutschland jedes Jahr weltweit zahlreiche Projekte finanziell fördert, ist richtig. Hauptsächlich ist dafür das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zuständig. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage von tageschau.de mit: "Das BMZ kann nicht nachvollziehen, wie die Zahl 315 Millionen Euro zustande kommt. Sie ist aus unserer Sicht nicht richtig".

Das Bundesministerium unterstütze mit einem im Jahr 2020 zugesagten Zuschuss in Höhe von 20 Millionen Euro den Aufbau eines Fahrradschnellwegenetzes in Lima. Derzeit befinde sich dieser im Bau, hieß es weiter. Im Jahr 2022 habe das Ministerium weitere 24 Millionen Euro für den Bau von Radwegen in Peru zugesagt, die sich derzeit in der Planungsphase befinden.

Für ein umweltschonendes Bussystem seien Peru im Jahr 2015 etwa 55 Millionen Euro als Kredit zur Verfügung gestellt worden. 2022 ist nach Angaben des Ministeriums ein weiterer Kredit in Höhe von gut 100 Millionen Euro zugesagt worden. Mit den Zusagen von 2022 und den laufenden Projekten, dem Zuschuss für Fahrradschnellwege und dem Kredit für das umweltschonende Bussystem, finanziert Deutschland mit etwa 199 Millionen Euro Radwege und ein Bussystem in Peru.

Teil des Geldes wird zurückgezahlt

Bei dem ersten Projekt für die Radschnellwege in Lima aus dem Jahr 2020 handelt es sich laut dem BMZ um einen Zuschuss über 20 Millionen Euro. Dieses Geld wird also nicht zurückgezahlt. Die Förderung des umweltschonenden Bussystems in Peru in Höhe von 55 Millionen Euro wird dagegen wieder zurückgezahlt, da es sich um einen Kredit handelt. "Die Kreditlaufzeit beträgt in der Regel zehn bis 15 Jahre, in Ausnahmefällen bis zu 20 Jahre", teilt die KfW-Entwicklungsbank mit.

Entwicklungshilfe auch durch Kredite finanziert

Die Zusagen aus dem Jahr 2022 machte die Bundesregierung von SPD, FDP und Grünen. Im dem Jahr schloss Deutschland eine "Klima- und Entwicklungspartnerschaft" mit Peru und sagte eine Gesamtsumme von 529 Millionen Euro zu. Das Geld leiste laut der Bundesregierung einen Beitrag zur Förderung von "Waldschutz und Biodiversität, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel, nachhaltiger Stadtentwicklung und gute Regierungsförderung". "Angesichts der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Perus handelt es sich bei den Zusagen überwiegend um zinsverbilligte Kredite", so das BMZ über die Klima- und Entwicklungspartnerschaft mit Peru.

Die 529 Millionen Euro seien eine Zusage auf mehrere Jahre, sagt Stephan Klingebiel, Leiter des Forschungsprogramms "Inter- und transnationale Kooperation" am German Institute of Development and Sustainability (IDOS). Die Mittel werden für Projekte in drei Schwerpunktbereichen eingesetzt - nachhaltige Stadtentwicklung ist dabei ein Teilbereich.

Ein Teil der deutschen Entwicklungshilfe wird durch Kredite finanziert. Durchgeführt wird die Finanzierung der Projekte durch die KfW-Entwicklungsbank - und das auf drei verschiedenen Wegen. Erhält ein Land einen Zuschuss, kommen die Mittel aus dem Haushalt, diese Zuschüsse werden nicht zurückgezahlt. Ein Entwicklungskredit ist eine gemischte Form aus Geldern aus dem Haushalt und Marktmitteln. Dieses Geld wird wieder zurückgezahlt.

Bei der dritten Form, einem Förderkredit, werden keine Mittel aus dem Bundeshaushalt verwendet, sondern ausschließlich Gelder, die die KfW-Entwicklungsbank am Kapitalmarkt aufnimmt. Das heißt, auch dieses Geld wird zurückgezahlt. "Das kostet den deutschen Steuerzahler nichts", sagt Klingebiel.

Klimaschutz als Grund für die Förderung

Deutschland unterstützt in Peru unter anderem Klimaschutz- und Energieprojekte. In Peru werden jedes Jahr 200.000 Neuwagen zugelassen, 40 Prozent des CO2-Ausstoßes des Landes stammt laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aus dem Verkehrssektor.

Eine Sprecherin des BMZ teilt dazu mit: "Radschnellwege in einer der größten und schnell wachsenden Städte Südamerikas schaffen einen mehrfachen Nutzen: Sie sorgen für Mobilität für alle Teile der Bevölkerung zu erschwinglichen Preisen, ermöglichen so auch mehr Teilhabe der Armen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben und schützen das Klima."

So viel gibt Deutschland für Entwicklungshilfe aus

Insgesamt gibt Deutschland einen Anteil von etwa 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für sogenannte öffentlichen Entwicklungsleistungen (kurz ODA) aus. Auf dieses Ziel hatten sich die insgesamt 32 Geberländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) basierend auf Vereinbarungen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1972 geeinigt. Im Jahr 2022 beliefen sich die gesamten deutschen Entwicklungsleistungen auf 33,9 Milliarden Euro.

Nicht alles davon fällt beim BMZ an - im Jahr 2022 waren es 13,35 Milliarden Euro. Der zweitgrößte Topf für die deutsche Entwicklungshilfe liegt beim Auswärtigen Amt.

Auch die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten aus Entwicklungsländern in Deutschland wird in den Entwicklungsleistungen miteinkalkuliert - zu den Entwicklungsländern zählt die OECD auch die Ukraine. Laut dem BMZ waren das 2022 4,6 Milliarden Euro. Das entspreche 13,6 Prozent der deutschen Entwicklungsleistungen.

Neben den Leistungen für Geflüchtete können auch Mittel für Studierende, die aus Entwicklungsländern kommen und in Deutschland studieren, mit einer Pauschale abgerechnet werden.

Björn Dake, ARD Berlin, tagesschau, 19.01.2024 15:02 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 20. Januar 2024 um 13:35 Uhr.