Anhänger von Ibrahim Traore schwenken bei einer Parade in den Straßen von Ouagadougou, Burkina Faso, eine russische Flagge.
Kontext

Desinformation Russlands Strategie für Afrika

Stand: 14.09.2023 04:05 Uhr

In mehreren afrikanischen Ländern versucht Russland, seinen Einfluss auszuweiten - in politisch fragilen Staaten durchaus mit Erfolg, sagen Experten. Eine wichtige Rolle dabei spielt die Wagner-Gruppe.

Von Pascal Siggelkow, ARD-faktenfinder

Es hat die Anmutung eines Computerspiels: Zombie-Soldaten mit französischer Flagge auf ihren Helmen, die in mehreren westafrikanischen Ländern einmarschieren. Doch den tapferen Soldaten aus Mali und Burkina Faso kommt ein Mann zu Hilfe, der sie mit modernen Waffen ausstattet und ihnen so zum Sieg verhilft. Der Mann trägt eine russische Flagge auf dem Ärmel, dazu das Emblem der Söldnertruppe Wagner. Auch ein Soldat der Elfenbeinküste ist am Ende des Videos zu sehen, wie er gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Zombies kämpft.

Das animierte Video kursierte Anfang des Jahres in den sozialen Netzwerken und kremlnahen Telegram-Kanälen. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation "All Eyes on Wagner" wurde das Video mutmaßlich in Burkina Faso im Auftrag von Russland produziert. Es ist eines von vielen Beispielen russischer Propaganda in afrikanischen Ländern.

Putsch in Niger von Desinformation begleitet

Auch der Militärputsch in Niger Ende Juli wurde begleitet von russischer Desinformation. So wurde beispielsweise fälschlicherweise behauptet, Demonstranten hätten die französische Botschaft zerstört und die nigrischen Behörden hätten die Ausfuhr von Uranexporten nach Frankreich verboten und die Verhaftung aller europäischen Staatsangehörigen angeordnet. Das alles diente einem Bericht von "Logically Facts" zufolge dazu, das Bild eines völligen Zusammenbruchs der sich rapide verschlechternden Beziehungen des Landes zu den westlichen Ländern zu zeichnen.

Dazu wurden Videos verbreitet, die angeblich die breite Zustimmung der nigrischen Bevölkerung für die Militärjunta zeigen sollten. Doch auch hier erwiesen sich viele als falsch - eines wurde beispielsweise in Burkina Faso gedreht.

Eine Sprecherin des deutschen Außenministeriums sprach mit Blick darauf Anfang August von einer Zunahme prorussischer Propaganda in Niger. Eine Desinformationskampagne sei im Gange, russische Flaggen - die auf Demonstrationen in mehreren afrikanischen Ländern immer wieder zu sehen sind - seien im Land verteilt worden.

Russland setzt auf Antikolonialismus

Russland konzentriere sich vor allem auf Länder in Afrika, die ohnehin instabil seien, sagt Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Von den etwa zwanzig afrikanischen Ländern, in denen Russland besonders versucht, seine Einflusssphäre auszuweiten, sind einem Bericht der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung zufolge die Hälfte Konfliktgebiete. "Dort kann Russland mit verhältnismäßig geringen Kosten Erfolge erzielen", sagt Klein.

Dabei knüpfe Russland an bereits bestehende Ressentiments gegen den Westen aufgrund der Verbrechen der Kolonialzeit an und positioniere sich als Macht, die in Afrika nie kolonial tätig war. "Russland weiß, dass das ein Thema ist, das sehr wichtig ist und das auch sehr stark wirkt." Der Kreml positioniere sich als vermeintlich echter Verbündeter der afrikanischen Länder, während sie dem Westen weitestgehend egal wären. Dass Russland ebenfalls eine koloniale Macht sei, wenn auch vor allem in der näheren Umgebung, werde ausgeblendet.

In frankophonen Ländern Afrikas setze Russland beispielsweise auf eine ganz bewusste Diskreditierungskampagne gegen Frankreich, sagt Klein. In einem Video wurde beispielsweise behauptet, Frankreich stecke hinter dem Angriff auf eine Goldmine mit mehreren Toten in der Zentralafrikanischen Republik, um die Wagner-Gruppe in Verruf zu bringen. Diese arbeitet in dem Land eng mit der autokratischen Regierung zusammen und sollen unter anderem Minen bewachen. Bis heute ist unklar, wer hinter dem Angriff steckte - als mögliche Täter wurden in Medienberichten sowohl Rebellengruppen als auch die Wagner-Gruppe selbst genannt.

Das französische Außenministerium überprüfte das verbreitete Video und kam zu dem Ergebnis, dass es auf eine Reihe von Facebook- und Twitter-Konten mit Links zu russischen Desinformationen zurückzuführen ist.

Wagner-Gruppe "wichtigstes Instrument"

Dass Russland den afrikanischen Kontinent für Desinformationskampagnen in den Fokus genommen habe, sei nichts Neues, sagt Hanns Bühler, Projektleiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Südafrika. Die Wagner-Gruppe ist beispielsweise bereits seit dem Jahr 2017 in Afrika aktiv, den ersten Russland-Afrika-Gipfel gab es 2019. Mit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine habe Russland seine Bemühungen jedoch noch einmal intensiviert, sagt Bühler. Die Wagner-Gruppe sei dabei das wichtigste Instrument.

Zum einen ist die Söldnertruppe in mehreren afrikanischen Ländern militärisch präsent, unter anderem in Mali oder der Zentralafrikanischen Republik. Dort stehen sie einem Bericht der Nichtregierungsorganisation Global Initiative Against Transnational Organized Crime zufolge größtenteils im Dienst von geschwächten autokratischen Regierungen, die Unterstützung bei der Bekämpfung von Aufständen, Rebellengruppen oder Bürgerkriegen suchen, und haben ehemalige Kolonialmächte wie Frankreich als wichtigste militärische Partner dieser Länder verdrängt.

"Vereinfacht dargestellt bietet die Wagner-Gruppe vor allem die persönliche Sicherheit der Eliten gegen den Zugang zu Bodenschätzen an", sagt Bühler. "Und gleichzeitig sichert sich dadurch die russische Außenpolitik deren Stimmen in den Vereinten Nationen." 24 der insgesamt 54 afrikanischen Länder stimmten der UN-Resolution, die den Abzug russischer Truppen aus der Ukraine forderte, nicht zu.

Russischer Propagandafilm für Afrika

Nicht nur militärisch ist die Wagner-Gruppe auf dem afrikanischen Kontinent aktiv, sie betreibt dort auch gezielt Desinformationskampagnen für Staatsführer, wie die Global Initiative Against Transnational Organized Crime schreibt. In der Zentralafrikanischen Republik gibt es zum Beispiel einen Zeichentrickfilm für Kinder, in dem die Zusammenarbeit des Landes mit Russland in Form einer Tiergeschichte verherrlicht wird. So hilft der russische Bär dem Löwen, einen Elefanten gegen Hyänen zu verteidigen, die dessen Ernte stehlen wollen.

Screenshot vom Video "LionBear"

Zudem gibt es den russischen Kriegsfilm "Tourist", der im Mai 2021 in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui in einem Stadion gezeigt wurde. Der Film handelt von einer Gruppe russischer Ausbilder, die die örtlichen Streitkräfte in Zentralafrika trainieren soll. Finanziert haben soll den Film Medienberichten zufolge der kürzlich verstorbene Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin. Dass in dem Film vermittelte Bild der humanen russischen Söldner widerspricht dabei stark den Berichten von Menschenrechtsverletzungen, die durch Wagner-Truppen in afrikanischen Ländern begangen worden sein sollen.

Während sich viele der russischen Desinformationskampagnen auf die sozialen Netzwerke konzentrieren, gibt es auch Angebote für die herkömmlichen Medien. Die russischen Staatssender haben unter anderem ein englisch-, französisch- und arabischsprachiges TV-Programm. Zudem gibt es beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik den von Russland finanzierten Radiosender Lengo Songo, der gezielt in den Landessprachen sendet. In einigen Ländern wurden zudem Wochenzeitungen im Zuge von Wahlkämpfen geschaltet.

"Wagner-Gruppe keine omnipotente Macht"

Wie erfolgreich die Kampagnen letzten Endes sind, lässt sich nur schwer messen. In einzelnen Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik oder im Sudan ist der russische Einfluss groß, sagt Bühler - vor allem mit Blick darauf, dass Russland wirtschaftlich außer Waffenlieferungen verhältnismäßig wenig Handel mit afrikanischen Ländern betreibe. Daher sei auch entscheidend, dass in einigen Ländern bereits zu Zeiten des Kalten Kriegs enge Beziehungen zur damaligen Sowjetunion bestanden hätten. "An diese historisch gewachsenen Beziehungen konnte Putin mit seiner Afrikapolitik anknüpfen."

In anderen Ländern spiele Russland dagegen keine große Rolle, sagt Klein. "Die Wagner-Gruppe und Prigoschin nahestehende Unternehmen waren nicht überall effektiv. Es gab auch Desinformationskampagnen, die daran gescheitert sind, dass sie den lokalen Kontext überhaupt nicht in Betracht gezogen haben." Es sei nicht so, dass die Wagner-Gruppe eine omnipotente Macht sei. Afrika sei ein großer Kontinent und die Verhältnisse in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich.

Dass der Tod von Prigoschin etwas an der Situation mit Blick auf die russische Propaganda in afrikanischen Ländern verändern wird, glaubt Bühler nicht. "Ich glaube, dass die Wagner-Gruppe weiterhin existent bleiben wird. Wenn nicht als Wagner-Gruppe, dann vielleicht als anderes privates Militärunternehmen oder das russische Verteidigungsministerium übernimmt das Kommando." Ein Berater des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik teilte bereits mit, dass der Tod von Prigoschin überhaupt nichts an der Kooperation zwischen den beiden Ländern ändern werde.