Gipfel in Sotschi Putins Herz für Afrika
Ein Russland-Afrika-Gipfel wirft ein Licht auf die Aktivitäten russischer Akteure auf dem Kontinent. Ihre Interessen und Methoden sind vielfältig. Ein Profiteur ist der libysche General Haftar.
Afrika zu Besuch in Sotschi: Einer Einladung der russischen Führung an den Schwarzmeerort folgen Staatschefs aus 47 Ländern. Weitere sieben Länder entsenden Vertreter. 10.000 Teilnehmer werden nach russischen Angaben beim Gipfel und einem parallel abgehaltenen Wirtschaftsforum erwartet.
Ebenso nehmen hochrangige Vertreter aus Politik und Wirtschaft Russlands an den Diskussionsrunden teil. Präsident Wladimir Putin selbst eröffnet mit Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi den Gipfel.
In einem Interview mit der Agentur TASS erklärte Putin die Beziehungen zu Afrika zu einer Priorität russischer Außenpolitik. Als einen Vorteil gegen die Konkurrenz Chinas, der USA und der EU führte er die seit Sowjetzeiten gewachsenen Beziehungen an.
Während des Kalten Krieges unterstützte die Führung in Moskau Widerstandsbewegungen und Regierungen unter anderem am Horn von Afrika und in Angola, wo Tausende Sowjetsoldaten eingesetzt waren. Noch heute verfügen zahlreiche Staaten über Waffen aus sowjetischer beziehungsweise russischer Produktion.
Führungsfiguren wie der libysche General Chalifa Haftar erhielten in der Sowjetunion eine Ausbildung. So besuchte Haftar eine Militärakademie in Moskau und ist heute ein mächtiger Gegner der Regierung in Tripolis.
General Haftar besuchte eine Militärakademie in Moskau.
Verbündete bei den Vereinten Nationen
Anknüpfend an die damalige Außenpolitik verfolgt die russische Führung eine Vielzahl an Zielen. So sucht sie Verbündete für Entscheidungen in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen. Im Gegenzug verspricht Putin, die afrikanischen Staaten bei der Verfolgung "ihrer eigenen unabhängigen Politik" zu unterstützen.
Zudem verteidige Russland mit ihnen gemeinsame ökonomische Interessen gegen "unilaterale Sanktionen". So werde die Abhängigkeit vom US-Dollar beim Handel reduziert, indem andere Währungen verwendet würden, argumentiert Putin.
Südafrikas Präsident Ramaphosa mit Putin. Russland ist aktiv im Bergbau und im Energiesektor.
Am Programm des Großereignisses in Sotschi lassen sich wirtschaftliche Interessen Russlands in Afrika ablesen: Dazu zählen Investitionen in die Infrastruktur, der Verkauf nuklearer Technologien, der Energiesektor und die Bergbauindustrie zum Beispiel mit dem Abbau von Diamanten.
Der Verkauf von Rüstungsgütern, die Ausbildung von Streitkräften und Sicherheitskräften sowie militärische Kooperation zählen ebenfalls zu den traditionellen Aktivitäten Russlands in Afrika.
Putin sprach im Interview von militärisch-technischer Kooperation mit mehr als 30 Staaten, die mit einer großen Auswahl an militärischer Ausrüstung beliefert würden. Bei russischen Militärübungen könnten die afrikanischen Partner Erfahrungen im Umgang mit hochentwickelten Waffen sammeln. 2019 hätten elf Staaten aus Afrika an internationalen Militärmanövern teilgenommen, eine Vielzahl weiterer sei bereit, sich anzuschließen.
Entwicklungsstrategie mit "traditionellen Werten"
Daneben betont Putin gern das humanitäre Engagement Russlands in Afrika, ob bei der Bekämpfung von Ebola, bei UN-Blauhelmeinsätzen oder dem Erlass von Schulden. Anders als westliche Staaten lege Russland Wert auf die unabhängige Entwicklung der afrikanischen Länder, es schreibe ihnen keine Sichtweisen vor.
Studenten aus Guinea an der Hochschule der Völkerfreundschaft in Moskau, die nach dem kongolesischen Freiheitskämpfer Patrice Lumumba benannt ist.
Dass es jedoch eine Agenda gibt, wird schon aus dem Programm in Sotschi und einigen Teilnehmern ersichtlich. Der russische Oligarch Konstantin Malofejew zum Beispiel tritt als Investor auf und ist zugleich Chef der Stiftung "Basilius der Große", mit der er sich für traditionelle, orthodoxe Werte einsetzt.
Das Forum "Souveränität und Traditionelle Werte als ausschlaggebende Elemente einer Entwicklungsstrategie" zur Mittagszeit am 24. Oktober moderiert Alexander Malkewitsch, Medienmanager und Präsident der "Stiftung für die Bewahrung nationaler Werte".
"Soziologische Studien" in Libyen
Zwei Mitarbeiter dieser Stiftung wurden im Sommer in Libyen festgenommen. Das bestätigt Malkewitsch im Interview mit tagesschau.de. Sie hätten in Libyen an soziologischen Studien gearbeitet. Malkewitsch widerspricht Berichten, wonach sie Wahlbeeinflussung betrieben hätten.
Der Generalstaatsanwalt in Tripolis schrieb jedoch in einem Brief, dass Laptops und Speicher-Sticks der Verdächtigen belegten, dass sie für eine Trollfabrik zur Beeinflussung von Wahlen in mehreren afrikanischen Staaten, darunter Libyen, gearbeitet hätten.
Zu den möglichen Präsidentschaftskandidaten zählte General Haftar, der mit seiner "Libyschen Nationalarmee" die von den Vereinten Nationen gestützte Regierung in Tripolis stürzen will und nach wie vor gute Beziehungen nach Moskau pflegt.
Im April rückten Truppen von General Haftar nach Tripolis ein.
Ein Video, im November 2018 von der "Libyschen Nationalarmee" veröffentlicht, zeigt Haftar bei einem Treffen mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu in Moskau. Im Hintergrund zu sehen ist Jewgeni Prigoschin.
Der Unternehmer ist bekannt als "Putins Koch" mit engen Kontakten zum Präsidenten. Berüchtigt ist seine Trollfabrik in St. Petersburg und seine Sicherheitsfirma "Wagner", deren Söldner laut zahlreichen Medienberichten in mehreren Staaten Afrikas aktiv sind.
Bargeld für Präsidentschaftskandidaten
Über Prigoschin sagt Malkewitsch nichts. Er kenne ihn nicht, beteuert er im Interview, auch wenn Beobachter vermuten, dass beide in Ländern wie Libyen, Sudan, Zentralafrikanische Republik und Madagaskar aktiv sind.
Der britische Sender BBC deckte bei einer investigativen Recherche in Madagaskar auf, dass eine Gruppe russischer Akteure während des Präsidentschaftswahlkampfs 2018 mehreren Kandidaten Millionen US-Dollar in bar angeboten hatten.
Unter ihnen war Maxim Schugalej. Er ist einer der Mitarbeiter von Malkewitschs Stiftung, der im Sommer in Libyen festgenommen wurde. Malkewitsch will nun beim Gipfel in Sotschi die libysche Delegation ansprechen und Druck ausüben, damit seine Mitarbeiter zurück nach Russland gebracht werden.
Außerdem hofft er auf Vereinbarungen zu Studien und Beratungsaufträgen in weiteren afrikanischen Staaten. Für den Sudan hätten seine Fachleute bereits ein komplettes Programm verfasst. Es interessiere ihn außerdem, wie andere Staaten sich in die inneren Angelegenheiten von Libyen und Sudan eingemischt und dort die Machtwechsel herbeigeführt hätten. Das interessiere ihn als Technologie. Malkewitsch beharrt darauf, dass Russland mit "sauberen Händen und ohne Hintergedanken" in Afrika aktiv sei.