Eine Frau tippt die Nummer ihrer Kreditkarte auf einem Laptop.
Kontext

Perfide Werbestrategie Im Netzwerk der Fakeseiten

Stand: 04.06.2024 14:56 Uhr

Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Stadt-, Medien- und Medizinportale oder tarnen sich als Websites offizieller Institutionen. Sie alle verkaufen fragwürdige Produkte und Dienstleistungen - mit einer perfiden Strategie.

Manchmal reicht schon ein kleiner Vertipper oder die Auswahl eines falschen Suchergebnisses: Wer die NDR-Sendung Hamburg Journal sucht, in der Adresse aber "Hamburger Journal" eingibt, dem kann es passieren, ebenso Menschen, die das Landesprüfungsamt für Medizin, Psychotherapie und Pharmazie des Landes Nordrhein-Westfalen online besuchen wollen und es über die Abkürzung LPFA-NRW versuchen.

Sie landen auf Seiten, die auf den ersten Blick durchaus einen seriösen Eindruck machen, der aber trügt. So hat auch die Seite, die man unter LPFA-NRW findet, keine Beziehung zu der dahinter vermuteten Behörde, wie die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf dem ARD-faktenfinder bestätigte.

Potemkinsche Dörfer im Netz

Schaut man sich die Websites genauer an, so stellt man fest, dass sie zum größten Teil aus frei zugänglichen Pressemitteilungen und PR-Texten bestehen, die anscheinend zufällig ausgewählt wurden und teilweise schon mehrere Jahre alt sind. Andere lesen sich, als ob sie von einer Künstlichen Intelligenz erstellt worden sind.

Screenshot von der Website von NatKo.

Referenzen zu offiziellen Institutionen sollen Glaubwürdigkeit suggerieren.

Ähnliche Seiten maskieren sich als Stadtportale, zum Beispiel für Stuttgart, Münster, Frankfurt und Berlin oder geben sich als seriöses medizinisches Beratungsangebot aus, beispielsweise als "Nationale Kommunikationsstelle barrierefrei im Alltag" oder "Berufsverbund für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Vorsorge". Dieses führt als Referenzen unter anderem den "Stern", die Freie Universität Berlin und "Zeit Online" an.

Screenshot von der Website von BGVV.

Manche der Seiten suggerieren, dass sie von seriösen Institutionen betrieben werden. Diese existieren jedoch gar nicht.

Einige dieser Angebote behaupten, dass sie eigene Zeitschriften über den Handel vertreiben würden. Andere werben mit "exklusivem Content", der jedoch ebenfalls zum größten Teil wieder aus kopierten Pressemitteilungen besteht.

Seriöse Fassaden für fragwürdige und gefährliche Angebote

Zwei Dinge haben diese Seiten gemeinsam: Sie alle machen Werbung für fragwürdige oder teilweise sogar schädliche Gesundheitsprodukte - und sie werden von einer einzigen Firma betrieben: der Young and Moore Publishing. Der ARD-faktenfinder konnte rund 40 Websites und vier angebliche Printprodukte aufspüren, die zu dem Netzwerk gehören.

Dabei folgen sie einer perfiden Strategie: So berichten die Stadt- und Medienportale über den angeblichen Durchbruch, den man mit diesem Produkt erzielt hat. Auf den Beratungsseiten findet man dazu Empfehlungen, auf den Medizinportalen "unabhängige Tests" - und natürlich überall direkte Links zu Anbietern, bei denen man diese Produkte angeblich besonders preiswert erwerben kann.

Screenshot von der Website von Sportweltnews.

Der Großteil der Inhalte wird von anderen Seiten kopiert. Die angeblich angebotenen Print-Magazine existieren nicht.

Die Spur führt nach Dubai

Young and Moore Publishing lässt die Seiten über die Agentur Reachstar "powered by AdRock" in Dubai vermarkten - und macht dabei klar, worum es ihr geht:

Sie suchen nach einer effektiven Marketinglösung, die Ihre Zielgruppe erreicht und in den Suchmaschinen gut positioniert ist? Dann nutzen Sie unsere Webseite, um Ihre Produkte und Dienstleistungen hervorzuheben. Ohne Sichtbarkeit in den Suchmaschinen verlieren Sie potenziell viele Kunden. In Zusammenarbeit mit Reachstar steigern wir die Glaubwürdigkeit und Authentizität Ihrer Marke und gewinnen diese Kunden für Sie!

Für Geld geht fast alles

In einem Werbevideo zeigt ReachStar, wie das funktioniert: Einfach auf dem Portal einloggen, die gewünschten Websites auswählen, den eigenen Text hochladen und online bezahlen. ReachStar versichert dabei, dass die Beiträge ausdrücklich nicht als Anzeige oder gesponserter Inhalt gekennzeichnet und innerhalb von fünf Minuten veröffentlicht werden. Die Kosten: ab 100 Euro pro platziertem Artikel, zahlbar per Kreditkarte, PayPal oder Bitcoin. Auf Wunsch werden die Texte für 50 Euro Honorar gleich mit erstellt.

Gegen Aufpreis sind auch problematische Inhalte wie Werbung für Kryptowährungen, Glücksspiel, Pyramidensysteme und Gesundheitsprodukte zu schalten. Entsprechend sind auf den Seiten Beiträge zu Potenzmittel sowie Produkten zu Gewichtsreduktion, und Schmerzreduktion zu finden.

Screenshot von der Website von Kaisers.

Unter anderem auf "kaisers.de" erschien ein als Test getarnter Werbeartikel für "Glukobest". Die Wortmarke "KAISERS" gehört der Adrock Media in Dubai.

Werbung für offensichtliches Betrugsprodukt

Auf den Seiten wurde unter anderem das Präparat "GlukoBest" beworben, das angeblich Diabetes "zu 100 Prozent heilen" könne. Die Verbraucherzentrale NRW warnt ausdrücklich davor, dem Anbieterversprechen zu vertrauen: "Im Rahmen von Verbraucherbeschwerden wurde uns das Produkt als Werbung mit Krankheitsbezug gemeldet", sagt Stefan Stehl, Referent im Projekt Faktencheck-Gesundheitswerbung, dem ARD-faktenfinder

So werde auf der "GlukoBest"-Website ein Zusammenhang zwischen dem Produkt und der Heilung von Diabetes sowie Krebs durch die Abbildung angeblicher Nutzermeinungen suggeriert. Der Anbieter provoziere zudem mit Aussagen wie einem schadhaften Handeln der Pharmaindustrie sowie mit weiteren Gesundheitsversprechen. Die Verbraucherzentrale NRW prüfe deshalb juristische Schritte gegen das Angebot.

Inhaber der Marke "GlukoBest" ist übrigens eine Visionarix Marketing Services, die wie AdRock und ReachStar im gleichen Gebäudekomplex in der Freihandelszone von Dubai sitzt - und wie diese von der gleichen Hamburger Anwaltskanzlei vertreten wird.

Keine Antwort auf Anfragen

Der ARD-faktenfinder hat sowohl AdRock als auch Young and Moore Publishing mehrfach um Stellungnahmen gebeten, insbesondere zur redaktionellen Überprüfung der Beiträge, zu den als angeblichen Referenzen angegebenen Institutionen sowie zu den angegebenen Experten und Zeitschriften, die den Angeboten zugeordnet werden. Die Anfragen wurden nicht beantwortet.

Wahrscheinlich werden die Seiten noch eine ganze Weile weiter existieren: Die Verfolgung von Copyright- und Markenverletzungen oder die Durchsetzung anderer rechtlicher Ansprüche sind kaum möglich, denn der Sitz von Young and Moore Publishing ist angeblich auf den Marshallinseln. Die Mehrzahl der Websites ist zudem über den Verschleierungsdienst Cloudflare geschützt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. Juni 2024 um 15:35 Uhr.